Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung
Der verstorbene Sänger Ozzy Osbourne war der schwarze Prophet einer Generation, die nach Halt suchte – oft an der falschen Stelle
Mit dem Tod von Ozzy Osbourne am 22. Juli stirbt mehr als ein verlebt wirkender Rockstar. Es endet ein Kapitel westlicher Kulturgeschichte – ein Kapitel, in dem Musik zum Versuch wurde, sich selbst durch Tabubruch zu erlösen. Ein Schrei – im wahrsten Sinne des Wortes – der unmittelbaren Nachkriegskinder, geboren aus Sprachlosigkeit, wurde zur Kunstform.
Die Rockmusik wurde zum Soundtrack der 68er-Revolte – einer Generation, die aufbegehrte, ohne genau zu wissen, wogegen. Unvergessen: die ekstatischen Gitarrenriffs von Jimi Hendrix, dem explosiven Star des Woodstock-Festivals 1969. Was sich dort Bahn brach, war nur vordergründig das Bedürfnis nach Liebe und Frieden.
Es war eine emotionale Explosion
– der unbewusste Aufschrei einer Generation, die das verdrängte Trauma ihrer Eltern mit sich trug. Diese hatten den Krieg überlebt, aber nie verarbeitet – ihr Schweigen, ihre Strenge, ihre inneren Risse wirkten weiter. Die Kinder antworteten nicht mit Worten, sondern mit Lärm, Exzess und künstlerischer Radikalität.
Gerade in Europa war der Bruch tiefer – der Verlust von Kultur und Geschichte wurde existentieller erlebt als in den USA. Kein Wunder also, dass Black Sabbath, die Band des 1948 in Birmingham geborenen Ozzy Osbourne, aus England kam: Kinder des Arbeitermilieus, geprägt vom Nachhall sinnloser Grausamkeit des Zweiten Weltkriegs und der Armut, die ihre Familien direkt getroffen hatte.
Ihr Klang war nicht konstruiert – er war geerbt: ein Echo der Verwüstung, das unbewusst weiter schwang. Und in diesem Klang konnten sich viele wiedererkennen – quer durch Europa und darüber hinaus, unabhängig von nationaler Schuld oder Unschuld. Denn das Leid, das nicht ausgesprochen wurde, wirkte weiter – und suchte sich in der Musik seinen Weg an die Oberfläche.
Black Sabbath war in diesem Kontext der Urknall. Schon das gleichnamige Debütalbum „Black Sabbath“ (1970) klang wie ein finsteres Glockengeläut für eine untergegangene Welt. Es folgte eine Serie musikalischer Anrufungen des Unbewussten: „Paranoid“ (1970) mit dem panischen Titelstück und dem kriegstraumatischen „War Pigs“; „Master of Reality“ (1971) – düster, zäh, beinahe sakral. Spätere Werke wie „Sabbath Bloody Sabbath“ (1973) oder „Sabotage“ (1975) zeigten eine Band, die zwischen mystischer Tiefe und innerer Zerrissenheit oszillierte.
Anklage gegen Institutionen
Die Mitglieder von Black Sabbath gelten zu Recht als Großväter des Heavy Metal – Musik als Ausdruck echten Schmerzes. Ihr Sound: düster, wuchtig, verstörend. Ihre Themen: Angst, Tod, Religion, Endzeit. Keine Pose, sondern der Versuch, innere Verwüstung hörbar zu machen. Es war kein Protest gegen Autoritäten, sondern ein unbewusster Kampf gegen das Trauma der Elterngeneration, gegen Kälte und Schweigen. Was Eltern und Kinder voneinander trennte, blieb namenlos – aber klang plötzlich laut.
Auch andere Rockbands jener Zeit spiegelten diese Zerrissenheit wider – verbunden mit einer Anklage gegen Institutionen, die als kalt und entleert empfunden wurden. Pink Floyd machten mit „Another Brick in the Wall“ (1979) die Schule zum Symbol eines Systems, das den Geist bricht. „We don't need no education“ (Wir brauchen keine Bildung) war eine Anklage gegen eine ziellose Pädagogik.
Gruppen wie The Doors, Led Zeppelin, The Who oder King Crimson thematisierten auf ihre Weise die Spannung zwischen Befreiung und Orientierungslosigkeit. Der Schmerz, die Suche, das Misstrauen gegenüber den Institutionen verband viele. Normen galten plötzlich als Zwang, Hierarchien als Bedrohung, jede Ordnung als Verdacht. Doch statt Befreiung entstand ein Vakuum: Ohne transzendente Orientierung blieb das Trauma unberührt.
Der Schrei wurde zum Gebet
Was als kathartische Provokation begann, wurde zur kulturellen Entgrenzung – mit Spätfolgen, die wir heute in Identitätsverwirrung und normativer Auflösung erleben. Die gegenwärtige Verwirrung – sichtbar in Genderdebatten, Rollenauflösung, Sprachzensur und narzisstischer Selbstdarstellung – entspringt keinem echten Bedürfnis nach Vielfalt, sondern ist das Spätprodukt eines nicht geheilten kollektiven Traumas. Was einst als notwendiger Bruch mit psychischer Verdrängung begann, ist zur dauerhaften gesellschaftlichen Verunsicherung geworden – politisch nutzbar zur Spaltung, Kontrolle und Mobilisierung. Vielleicht erklärt genau das, warum heute so viele Menschen, die sich progressiv geben, auf jede autoritäre Versuchung anspringen – nur unter anderem Vorzeichen. Black Lives Matter, Gender-Ideologie, Regenbogenfahnen als Hoheitszeichen, die militante Antifa bis hin zur stillen Bewunderung für linke Diktaturen: All das erscheint wie Freiheit, ist jedoch oft nur Reflex – ein unbewusstes Sehnen nach Ordnung, das seine wahre Quelle verleugnet. Denn die natürliche, göttliche Ordnung gilt heute als überwunden. Wer ihre Sprache spricht, wird verdächtig gemacht.
Die Gegenwart sucht Freiheit und Ordnung zugleich – aber an der falschen Stelle: in Verboten, Sprachregeln, ritualisierter Empörung und künstlichen Zugehörigkeiten, die wie Ersatzreligionen wirken. Hier liegt der Tunnel, den Osbourne – ohne es zu wissen – mitgegraben hat: sein Spiel mit der Dunkelheit war ein lauter Versuch, das Unausgesprochene der Elterngeneration zu verarbeiten. Dabei ist leider einiges in die Brüche gegangen.
Doch der „Fürst der Finsternis“ genannte Osbourne war mehr als nur der schwarze Prophet seiner Generation. In späten Jahren brach seine Pose – und gab den Blick frei auf einen Mann, der den Schmerz angenommen hatte. „Changes“, sein Duett mit Tochter Kelly, wurde zur Umkehr: Der Schrei wurde zum Gebet. Der Lärm wich der Stille. Vielleicht ist das der Weg, den auch unsere Kultur gehen muss: weg vom Trotz, hin zur Demut, weg von der Pose, hin zur Wahrheit.
Die Leere ist heute sichtbar. Die Suche nach Halt verirrt sich in politischen Ersatzreligionen. Selbst autoritäre Systeme erscheinen plötzlich als Garanten von Ordnung – weil uns der Sinn fehlt.
Schaut in Ozzys Gesicht. Es erzählt von einer Generation, die das Trauma spürte, aber nicht heilen konnte. Ozzy ist kein Held. Er ist ein Opfer der Geschichte – und wir mit ihm. Der Westen wird erst wieder frei, wenn er das anerkennt – und Wahrheit wieder sprechen darf, statt sie mit Lärm zu übertönen.
Ruhe in Frieden, Ozzy!