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Kunst-Nachlass

Das Erbe des „Gottbegnadeten“

Die Enkelin des Bildhauers Georg Kolbe hinterlässt dem Berliner Kolbe-Museum großes Brief- und Fotomaterial

16.04.2020

Durch die Pandemie-Berichterstattung fallen große Kulturthemen fast unter den Tisch. So hat das Berliner Georg-Kolbe-Museum von der Öffentlichkeit fast unbemerkt einen Nachlass erhalten, der sich als Sensation erweisen kann. Als Erbe der Kolbe-Enkelin Maria von Tiesenhausen, die im vergangenen Sommer 90-jährig in Kanada starb, erhielt das Museum 108 Umzugkartons. Darin befindet sich ein entscheidender und bisher vollkommen unbekannter Teil des Nachlasses des Bildhauers Georg Kolbe (1877–1947). Es handelt sich um über 3000 Briefe von und an Kolbe, Notizhefte und Taschenkalender aus den Jahren 1933 bis 1947, 50 Fotoalben, über 3000 historische Fotografien, sowie mehr als 100 originale Zeichnungen, Aquarelle und Skulpturen des Bildhauers. 

Zum Bestand gehören Korrespondenzen mit den Protagonisten des Kunsthandels aus der Zwischenkriegszeit (unter anderem Briefe von Alfred Flechtheim oder der Galerie Vömel), die vertieften Aufschluss über die Kunstmarktpolitik dieser Jahre geben werden. Des Weiteren finden sich umfangreiche private Korrespondenzen zwischen Kolbe und seiner Frau Benjamine sowie mit seinem Bruder Rudolf, der als Architekt in Dresden beschäftigt war. Briefe von Künstlerkollegen wie Max Pechstein oder Else Lasker-Schüler und Korrespondenzen mit Institutionen (Städel Frankfurt), Sammler (Rockefeller, New York) und Kunsthistorikern bereichern den komplexen Bestand. 

Der Nachlass übersteigt das im Kolbe-Museum vorhandene schriftliche und fotografische Material und könnte helfen, den Lebensweg des Künstlers vollständig zu dokumentieren. Das wird für die kritische Aufarbeitung seines Lebens und Wirkens in der Zeit des Nationalsozialismus von immenser Bedeutung sein. 

Denn in der NS-Zeit spielte Kolbe eine undurchsichtige Rolle. Obwohl von ihm keine Sympathien für die Machthaber belegt sind, konnte er in der Zeit eine eindrucksvolle Karriere machen. Einerseits war er der letzte Präsident des 1936 aufgelösten Künstlerbundes, der sich auch für „entartete“ Künstler engagierte. Andererseits gehörte Kolbe zu den „gottbegnadeten“ Künstlern, die vom Wehrdienst befreit waren. Dank dieser Protektion schuf er Plastiken für das Berliner Olympiastadium und eine Porträtbüste des Diktators Franco. Der Nachlass könnte das bisherige Bild von Kolbe als unpolitischem Künstler deutlich trüben.


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