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Zweiter Weltkrieg

Das erste dokumentierte Verbrechen der Roten Armee auf deutschem Boden

Rotarmisten verübten vor 80 Jahren das Massaker von Nemmersdorf. Mindestens 26 Bewohner des ostpreußischen Dorfes wurden ermordet. Möglicherweise waren es einige mehr

Björn Schumacher
19.10.2024

Der 21. Oktober 1944 wurde zu einem Fanal der Grausamkeit, das als „Massaker von Nemmersdorf“ in die Annalen einging. Zuvor war es der Sowjetarmee gelungen, im Rahmen ihrer Sommeroffensive trotz hoher Verluste an Soldaten und Material sowie überdehnter Nachschubwege kurzzeitig reichsdeutsches Territorium zu besetzen. Dabei drang die 11. Sowjetische Gardearmee auf ostpreußisches Gebiet vor und erreichte am 21. Oktober 1944 den Kreis Gumbinnen, wo sie sich mit der 4. Armee der Wehrmacht erbitterte Gefechte lieferte.

Nemmersdorf hatte mit seiner enorm tragfähigen, breiten Betonbrücke über den Fluss Angerapp eine strategische Schlüsselrolle für die Sowjets. In weiser Voraussicht beschloss daher Fritz Feller, Bauernführer des Kreises Gumbinnen, am 20. Oktober 1944 die Evakuierung der Kreisbewohner in den südwestlich gelegenen Kreis Gerdauen. Fast alle Trecks aus Gumbinnen führten über Nemmersdorf und stauten sich östlich der Brücke. Hinzu kamen deutsche Militärfahrzeuge auf dem Rückzug vor der 25. Sowjetischen Panzerbrigade. Warum die bereits verminte Brücke nicht gesprengt und die Rote Armee am Vormarsch gehindert wurde, ist unklar. Vermutlich unterließ man das mit Rücksicht auf die wartenden Flüchtlingstrecks.

Östlich der Brücke war Nemmersdorf nur durch zwei Schützengräben, einen Panzergraben, eine Stacheldrahtlinie sowie unbefestigte MG-Nester der Wehrmacht geschützt. Dies konnte den Ansturm der Roten Armee nicht aufhalten. Am frühen Morgen des 21. Oktober nahmen ihre Panzerkräfte die Brücke ein und drangen in den Ort vor.

Widersprüchliche Zeugenaussagen
Was danach in Nemmersdorf geschah, lässt sich nur teilweise rekonstruieren. Fest steht, dass Rotarmisten schwere Kriegsverbrechen an den im Ort verbliebenen Zivilisten verübten. Den deutschen Befreiern, zirka hundert Mann des Panzergrenadier-Ersatzbataillons 413 sowie Einheiten der Fallschirm-Panzer-Division Hermann Göring, bot sich am 23. Oktober 1944 ein Bild des Grauens. Mindestens 26 Bewohner waren nach insoweit übereinstimmenden Zeugenaussagen ermordet worden. Dass es einige mehr waren, lässt sich nicht ausschließen. Heute gibt es in Nemmersdorf [Majakowskoje] keinen Grabstein, der auf Einzel- oder Massengräber hinweist und Rückschlüsse auf die exakte Opferzahl zulassen würde. Auch aussagekräftige Fotos solcher Grabstätten scheinen nicht zu existieren.

Ebenso ungeklärt ist der Zustand Nemmersdorfs nach den Kampfhandlungen. Obwohl der Ort heftigem Artilleriebeschuss der Wehrmacht ausgesetzt war, beschrieb ihn Fallschirm-Panzer-Soldat Harry Thürk als kaum zerstört. Ähnlich äußerte sich Bernhard Fisch, der das verlassene Nemmersdorf am 27. Oktober 1944 als Soldat einer anderen Einheit gesehen hatte. Während Feller dies in einem Fragebogenbericht von 1944 bestätigte, reichen Schilderungen überlebender Nemmersdorfer Bürger von mehreren stark beschädigten Häusern bis hin zu völliger Zerstörung. Feller korrigierte sich später und berichtete, der Ort sei zu zwei Dritteln zerstört gewesen.

Fakt ist dagegen die propagandistische Ausschlachtung des Massakers durch die NS-Führung. Otto Dietrich, Reichspressechef der NSDAP, wies die Redaktionen der gleichgeschalteten Zeitungen am 26. Oktober 1944 an, „die grauenvollen bolschewistischen Verbrechen in Ostpreußen groß und wirkungsvoll herauszustellen und mit äußerster Schärfe zu kommentieren“. In seiner „Tagesparole“ gab Dietrich ein verbindliches Deutungsschema vor: „Ein planmäßiges, grausames Hinmorden jedes einzelnen würde Platz greifen und Deutschland in einen einzigen Friedhof verwandeln“, falls die Rote Armee ihre Divisionen wieder auf Sollstärke bringen, erneut ins Reich vorstoßen und letzten Endes siegen sollte.

Dementsprechend titelten der „Völkische Beobachter“ und die lokalen Blätter des Reiches Parolen wie „Lebend an die Wand genagelt − bisher 61 Opfer des bolschewistischen Mordterrors“, „Reihenweise geschändete und ermordete Mädchen“, „Sowjetische Bestien und Mordbrenner“.

Die Beweggründe dieser Propaganda treten deutlich zutage. Angesichts näher rückender Fronten in Ost und West sowie der sich verstärkenden alliierten Bomberoffensive gegen deutsche Groß- und Mittelstädte sollten die Durchhaltemoral deutscher Zivilisten sowie die Kampfmoral von Wehrmacht und Waffen-SS richtunggebend gestärkt werden.

Ein eingeübter Dreiklang dominiert
Im Übrigen hatte das von der NS-Propaganda aufgebauschte Geschehen einen realen Kern, war also kein reines Phantasieprodukt. Zumindest eine vollendete und eine weitere versuchte Vergewaltigung wurden von den betroffenen, überlebenden Frauen bezeugt. Dass es in Nemmersdorf auch Schändungen später ermordeter Frauen und Mädchen gab, ist daher durchaus wahrscheinlich.

Hinzu kommt, dass sich Nemmersdorf in die massenhaften Plünderungen, Verschleppungen, Vergewaltigungen und Ermordungen in Ost- und Mitteldeutschland während und nach dem Zweiten Weltkrieg einfügt. Hetzer und Einpeitscher par excellence war der in sowjetischen Truppenzeitungen publizierende Schriftsteller Ilja Ehrenburg, ein in Kiew geborener jüdischer Russe. Seine kaum verhüllten Forderungen, auch deutsche Zivilisten zu töten („Es gibt nichts Schöneres für uns als deutsche Leichen“), ergänzten sich mit Josef Stalins Weigerung, die vom Zarenreich unterzeichnete Haager Landkriegsordnung (1907) als bindend zu akzeptieren.

In der auf NS-Verbrechen und „deutsche Schuld“ fixierten Geschichtspolitik der Bundesrepublik spielt Nemmersdorf keine Rolle. Hier dominiert ein eingeübter Dreiklang aus Totschweigen, Bagatellisieren und Täter-Opfer-Verschiebungen. Letzteres gelingt durch Bildung eines „historischen Kontextes“, an dessen Anfang stets die Angriffe des NS-regierten Reichs auf Polen und die Sowjetunion stehen. Daraus wird die absurde These hergeleitet, Deutschland trage als Angreifer-Staat die gesamte moralische und völkerrechtliche Verantwortung für alle im Kriegsverlauf und dessen Nachgang verübten Verbrechen. Das bewährte rechtsethische Prinzip, jeden Rechtsbruch einzeln zu beleuchten und Schuldanteile individuell zu ermitteln, wird komplett ausgeblendet.

Dr. Björn Schumacher ist Jurist und Publizist mit den Schwerpunkten Völkerrecht, neuere Geschichte sowie Rechts- und Staatsphilosophie.


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Kommentare

Peter Wendt am 23.10.24, 06:22 Uhr

Kriege sind von Natur aus grausam und alle Beteiligten gehören am Ende zu den Verlierern, auch wenn gerne die „Kreativität“ und die Produktivität von Kriegen zitiert wird.
Von allen Kriegsteilnehmern hatten die Russen die grössten Blutopfer zu erbringen. Eigenartigerweise haben die Russen den Sieg gegen Deutschland am wenigsten ideologisch ausgeschlachtet, während die westlichen Alliierten noch heute das Image des bösen „Deutschen“ pflegen wie einen guten englischen Rasen. Das gegenseitige aufrechnen muss aber endlich aufhören, die Opfer beider Seiten gleichermassen respektiert, geehrt sowie die Ursachen der beiden Weltkriege unvoreingenommen betrachtet werden. Nur dann können die nachfolgenden Generationen dazu lernen.

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