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Politik

Das fatale Ende eines politischen Glaubenskampfes

Boris Palmer verlässt die Grünen und unterzieht sich einer Auszeit. Längst ist der Umgang mit ihm ein Lehrstück über den Zustand unseres politischen Systems

Werner J. Patzelt
03.05.2023

Sau tot – und Halali! So klingt das Ende der Treibjagd auf Boris Palmer. Lange schon war er in seiner Partei nicht mehr wohlgelitten. Ein Parteiausschlussverfahren lief; ihm zuvorkommend ließ der populäre Oberbürgermeister die Mitgliedschaft bei den Grünen ruhen. Nun ist er ausgetreten, verlassen sogar von namhaften Vertretern jenes Realo-Flügels, mit denen er gemeinsam sein „Gallisches Dorf“ im woken Imperium der Grünen betrieben hatte.

Natürlich ist Palmer nicht schuldlos an dem, was ihm da widerfahren ist. Das rebellische Temperament seines Vaters hat er anscheinend geerbt – und nicht zu zügeln gelernt. Seine Parteikarriere begleitete denn auch eine Kette von Streitigkeiten über Gesinnung, Ton und Stil. Deren Verlässlichkeit lud ein zum Stellen von Fallen. In eine ist Palmer nun getappt. Erst zur Verwendung des „N-Wortes“ provoziert, dann dessen Gebrauch verteidigend, dabei als Nazi beschimpft und zum „Holocaust-Verharmloser“ gestempelt, hielt er dem Druck der „Anständigen im Land“ nicht mehr stand.

Unklar ist, was er während seiner Auszeit nun behandelt haben will. Das kann von der Versorgung seelischer Verletzungen bis hin zur Verhaltenstherapie reichen. Und weil in Deutschland – wie einst beim thüringischen Kurzzeit-Ministerpräsidenten Kemmerich – wohl wieder Sippenhaft angesagt ist, wird auch Palmers Familie mancherlei Wunden davongetragen haben. Kein Wunder, dass man selbst als jener dickfellige Provokateur, als der sich Palmer gab, eine Auszeit unklarer Dauer mit anscheinend noch offenem Ende braucht. Möge sie ihm guttun.

Die Spitze eines Eisbergs

Ginge es hier nur um einen Politiker, dem Übles widerfahren ist, könnte man die Sache nun auf sich beruhen lassen. Doch sichtbar wird hier nur die Spitze eines Eisbergs. Denn weitgehend ist inzwischen politischer Streit zum Glaubenskampf, ist verwendete Sprache zum Feldzeichen geworden, an dem man Freund und Feind unterscheidet. Falls eine grüne Spitzenkandidatin das „I-Wort“ verwendet, dann geht das gerade noch, falls prompt Reuetränen fließen. Beim „N-Wort“ aber gibt es kein Pardon mehr. Wie auch, wenn selbst eine „Mohrenapotheke“ heute einen anderen Namen braucht, und wenn unter den „Heiligen drei Königen“ der Balthasar kein Schwarzer mehr sein darf – einesteils wegen Verdachts auf Diskriminierung und Rassismus, andernteils wegen des Verbots „kultureller Aneignung“.

Gewiss gibt es gute Gründe dafür, nicht nur Kinder beim Gebrauch von „schlechten Worten“ zu tadeln oder gar strafen. Erst recht sollten sich Erwachsene von solchen Wörtern fernhalten. Belehrt idealerweise durch Einsicht, nötigenfalls auch durch leidvolle Erfahrungen oder abschreckende Beispiele, könnten die sich ja daran halten, dass N-, I- und Z-Wörter „nicht mehr gehen“. Doch sind wir sicher, dass es da nicht mancher mit seiner Erregung selbsterhöhend übertreibt? Und dass nicht manche Kritik mehr politisch-zweckdienlich als persönlich-zurechtweisend veranlasst ist?

Ginge es nur um die Beleidigungskraft rassistisch aufgeladener Worte, könnte man die Sache auch noch auf sich beruhen lassen. Die dann fälligen sozialen Ausgrenzungs- und Erniedrigungserfahrungen wirken verlässlich korrigierend. Doch auch Sachbegriffe wie „Überfremdung“ oder „Ausländerkriminalität“ gelten – ganz anders als ihre Gegenstücke „Multikulturalität“ und „Inländerkriminalität“ – heute als abstoßend und erheischen Bestrafung. Unter solchen Umständen kann man es allerdings niemandem verdenken, wenn er im Wissen darum, kein sprachlicher Hochleistungskünstler zu sein, lieber die etablierten Formeln nachbetet als Dinge bei jenen Namen nennt, die er für richtig hält, und über deren Angemessenheit er unausgegrenzt debattieren möchte.

In der Arena der Gut- und Schlechtmenschen

Inzwischen nämlich streiten Gutmenschen lieber über anfechtbare Begriffe als über begrifflich vermittelte Sachen, und sie heimsen leichte Debattentriumphe dadurch ein, dass sie problematischen Begriffsgebrauch gleichsetzen mit verdammenswerten Persönlichkeitszügen von Schlechtmenschen. Offenbar ist jener Ungeist zurückgekommen, der das Grüßen von Gesslerhüten für ganz in Ordnung hält – ob das nun ein wirklicher Hut oder eine Fahne ist, oder ein umranktes Wort oder eine behauptete Gefühlsbefindlichkeit.

Derweil sitzt ein Großteil der Leute auf den Sitzreihen um jene Arena, in der politische Gladiatoren ringen, und zwar oft mehr um den Fortgang ihrer Karriere als um die zu regelnden Dinge. Man schaut interessiert zu, wer da gerade wie zum Opfer wird, und ist so froh, dass einem selbst das alles erspart bleibt, solange man nur beim Buhen oder Klatschen nicht unangenehm auffällt.

Doch was soll denn zum redlichen Streit mit – typisch für eine freiheitliche Gesellschaft – auch angreifbaren Begriffen motivieren, wenn sprachlicher Opportunismus und woke Phrasendrescherei das politische Überleben so sehr erleichtern können? Und müssen Journalisten- und Politikerschaft das Volk wirklich erst einmal erziehen, auf dass man ihm stets mit politisch korrigierter und perfekt gegenderter Sprache kommen kann?

In Frage steht am Fall von Boris Palmer jedenfalls auch die Art und Weise, in der wir innerparteiliche Demokratie durch Tun oder Lassen praktizieren wollen. In Frage steht auch, wie politische Parteien den „empirisch vorfindbaren Volkswillen“ widerspiegeln können, den zum „hypothetischen Gemeinwillen“ zu veredeln doch nur dann gelingen kann, wenn sich die Repräsentierten von ihren Repräsentanten nicht nur in deren Kunstsprache, sondern in der eigenen Alltagssprache angeredet empfinden. Und in Frage steht, ob wir jenes Ritual von Kritik und Selbstkritik wirklich wollen sollen, das so viele soeben am Beispiel Boris Palmers erzwungen haben.


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Kommentare

sitra achra am 10.05.23, 11:32 Uhr

Diese grünen Narren "kämpfen" und "bekämpfen", was auch immer sie darunter verstehen mögen. Jedenfalls erfährt der Wortsinn hier eine Abwertung und wie "Kämpfer" sehen diese Schw... wahrlich nicht aus.

Franz Bäcker-Bauer am 07.05.23, 06:02 Uhr

Man kann Herrn Palmer zu seinem Austritt aus der Partei Bündis90-die Grünen nur gratulieren, hat er es doch als ein, zumindest meines Wissens nach, intelligenter Mensch schon viel zu lange in dieser Partei ausgehalten, die glaubt daß für sie die elementarsten physikalischen Gesetzmäßigkeiten keine Geltung haben! Und auch wenn er sich vielleicht manchmal im Eifer des Gefechts im Ton vergreifen mag, bin ich doch der Meinung, daß er als Kontrapunkt in der deutschen Politiklandschaft, in der mittlerweile viele nur noch glattgehobelte Mitläufer sind, unersetztlich ist! Was seine Gegner zudem doch zum Nachdenken bringen sollte ist die Tatsache, daß er in seiner Stadt mit einer absoluten Mehrheit zum Oberbürgermeister wieder gewählt wurde, etwas von dem die allermeisten derer die jetzt über ihn herfallen um mehrere astronomische Einheiten weit entfernt sind!

Werner Meyer am 07.05.23, 05:40 Uhr

Zunächst vorweg: Es steht auch für mich außer Frage, daß sich Herr Palmer mit seiner Äußerung (im Zorn darüber, wie die woken Demonstrant*Innen mit ihren wahren und vermeintlichen Gegnern, und somit auch mit ihm umspringen) im Deutschland des 21. Jahrhunderts vergriffen hat! Ich wage es dennoch Ihn gegen den Strom der Zeit zu verteidigen! Denn meinem Verständnis nach hat er mit seinem Vergleich nicht den Holocaust relativieren, sondern den Demonstrant*Innen einen Spiegel vorhalten wollen um sie vielleicht dazu zu bringen ihr eigenes Verhalten einer kritischen Überprüfung zu unterziehen. Denn das würde diesen Kreisen sehr gut zu Gesicht stehen, behandeln sie doch jeden, der auch nur wagt Kritik an ihrer Agenda zu üben in einer Weise, die dem Umgang der Nazis und ihrer Schergen mit anders denkenden oder anders seienden in nichts nachsteht!

Ralf Pöhling am 05.05.23, 15:53 Uhr

Was Palmer da gemacht hat, ist nicht der Kritik würdig, sondern muss in höchsten Tönen gelobt werden. Und zwar gar nicht wegen des Anlasses, also eines bestimmten Wortes (es hätte auch ein anderes sein können), sondern wegen der Reaktion darauf. Palmer ist offensichtlich kein(!) Herdentier und hat die Herde, man entschuldige den Wortwitz, mit diesem einen Wort derart auf die Palme gebracht, dass sie sich selbst als hirnlose Masse von Mitläufern entlarvt hat.
Palmer hat völlig recht mit seinem Vergleich mit dem Judenstern. Und zwar nicht nur weil er selbst jüdische Vorfahren hat. Im Deutschland von heute werden Menschen also wegen der Wahl eines Wortes in eine Schublade gesteckt und gesellschaftlich zerstört. Was ist das für eine Gesellschaft, die so etwas hervorbringt? Ist das eine freie Gesellschaft? Nein, es ist eine totalitäre Gesellschaft aus Duckmäusern und Mitläufern, die jede Abweichung mit totaler Ausgrenzung strafen. Und das ist genau das, was damals zu Hitler geführt hat. Palmer hat richtig gehandelt. Und er hat damit seine eigene Partei vollkommen vorgeführt. Und zwar zu recht. Ich wünschte mir, in den anderen Altparteien gäbe es ähnliche Querköpfe. Dann stünde dieses Land nicht wieder mal vor einer existenziellen Krise.

Sonja Dengler am 04.05.23, 09:51 Uhr

Die Wölfe gehen sich gegenseitig an die Kehle - mehr ist dazu nicht zu sagen. Wir brauchen Palmer nicht anzugreifen, weil er ohnehin zu den Tätern gehört, nicht (!) zu den Opfern. Bestenfalls ginge es in seinem Fall um so etwas wie Ganoven-Ehre innerhalb der Grünen.

Chris Benthe am 04.05.23, 04:15 Uhr

Sich über Gestalten wie Palmer den Kopf zu zerbrechen ist Zeitverschwendung. Diese Typen haben sich selbst überholt und stehen im Grunde für weniger als nichts. Die Ausgrenzung durch ihre eigenen Glaubensgenossen haben sie sich selbst zuzuschreiben. Sie unterscheiden sich von ihren Peinigern nur minimal. Die Karawane zieht weiter.

Hubert Holzner am 03.05.23, 20:56 Uhr

Boris Palmer - wer ist das? Könnte man fragen, wenn die Medien den Oberbürgermeister dieses Städtchens im Schwabenland einfach nicht beachten würden - wie andere auch nicht. Natürlich wusste er sich immer zu inszenieren - aber ein politisches Schwergewicht sieht anders aus, knickt nicht vor dem Sturm dieser unsäglich verkommenen und verdummten Gutmenschenbrigade in Medien und ROTGRÜNGELBSCHWARZEM Biotop intellektuell minderbemittelter Proleten ein. Wegen Verwendung eines "N"-Wortes ... Damit zeigt er, dass er ein feiger Wichtigtuer ist. Man sollte ihn vergessen, wenn er nicht mit seinen unsäglichen Drohungen und Forderungen an Menschen, die nicht zur Akzeptanz der Genspritze (fälschlicherweise "Impfung") traurige Berühmtheit im GEZ-Ghetto erlangt hätte. Dass man solchen Menschen kündigen solle, die Rente streichen ... und vieles mehr war seine in Massenmedien hinausposaunte Forderung. Damit müsste er eigentlich ein Objekt für den Verfassungsschutz sein. Denn solche Forderungen sind absolut verfassungsfeindlich, menschenverachtend. Damit ist er ein Sinnbild für die vielen tausend Voll-, Halb- und Viertel-Promis, die Ähnliches forderten und zeigten, wie schnell schlimmster Totalitarismus auch im "besten Deutschland aller Zeiten" en vogue werden kann. Man sollte ihn und seinesgleichen nicht vergessen, auch wenn sie gerade dieses verdienten. Denn er steht für das, was unsere Großväter meinten, wenn sie uns erzählten, dass die Schlimmsten im tausendjährigen Paradies die vielen kleinen "H...s" gewesen seien. Boris und Co. beunruhigen uns mit ihrer Gegenwart, denn irgendwie erinnern sie manch einen doch an Opas schlimme kleine "H...s" und fordern alle echten Demokraten zur Wachsamkeit.

C R am 03.05.23, 14:01 Uhr

‚Die Hoffnung stirbt zuletzt‘. Die Hoffnung das die Menschen erkennen mögen, was im Moment mit ihnen geschieht. Nicht umsonst steht in der Bibel: „Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort.“ D.h. irgendeine Macht (ich weiß nicht welche, aber es gibt eine und sie hat ein Bewusstsein. Und sie WILL das dies geschieht.) versucht Macht über das Wort zu erlangen, weil sie erkannt hat, dass das Wort am Anfang steht und Gott IST. Und diese Macht will die Herrschaft darüber, weil sie damit die Herrschaft über das Bewusstsein der Menschen zu erlangen versucht. Genau diesen Vorgang beschreibt der Artikel. Und wenn gegen diese Anmaßung und diese, ja, Machtergreifung (über das Wort), nicht widersprochen wird, wird es noch sehr, sehr viele Boris Palmers geben. Sehr viele!
Das alles ist kein Spaß.
Der Missbrauch des Wortes vernichtet Existenzen. Hier geht es nicht um sprachwissenschaftliche Spitzfindigkeiten. Hier geht es um pure Macht. Alle Regime wollen die Macht über das Bewusstsein ihrer Untertanen (‚Follower‘) erlangen. Und sie tun es ‚am Anfang‘ und dann immer mehr: mit Sprache. Mit dem Wort. Wie hat Hitler denn die Massen verführt? Mit seiner Sprache. Und Worten folgen Taten. Immer.
„Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort. Dasselbe war im Anfang bei Gott. Alle Dinge sind durch dasselbe gemacht, und ohne dasselbe ist nichts gemacht, was gemacht ist. In ihm war das Leben, und das Leben war das Licht der Menschen. Und das Licht scheint in der Finsternis, und die Finsternis hat's nicht begriffen. (Johannes 1, 1-5)“

Ulrich Bohl am 03.05.23, 13:19 Uhr

Mit einigen Aussagen die Herr Palmer in Zusammenhang
mit der Coronaimpfung machte hat er sich als eigent-
lich regierungstreuen Hardleiner zu erkennen gegeben,
die anderen notfalls mit Gewalt ihren Willen aufzwingen
wollten. Otroyieren ist das Politikmodell vornehmlich der
Grünen. wobei auch andere die Maske haben fallen lassen. Sympathien die er durchaus hatte, hat er endgültig verspielt. Zur Erinnerung einige Aussagen vom
ihm in Zusmmanhang mit der Impfung.
„Man könnte Pensionszahlungen, die Rentenzahlungen oder eben den Zutritt zum Arbeitsplatz abhängig machen von der Vorlage eines Impfnachweises“.
„Sie sind schlicht komplett ignorant. Für Leute wie sie muss die Impfpflicht her. Gerne bis zu Beugehaft.“

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