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Stetige Erinnerung an das Geschehen: Am 12. März eines jeden Jahres finden auf der Gedenk- und Kriegsgräberstätte Golm  Gedenkveranstaltungen statt. Hier eine Aufnahme aus dem Jahr 2005
Bild: Archiv RosenthalStetige Erinnerung an das Geschehen: Am 12. März eines jeden Jahres finden auf der Gedenk- und Kriegsgräberstätte Golm Gedenkveranstaltungen statt. Hier eine Aufnahme aus dem Jahr 2005

Gedenken

Das Grauen über Swinemünde

Am 12. März 1945 brachten „Flying Fortress“, „Liberator“ und Mustang-Begleitjäger der US Army Air Forces der Stadt Verderben

Erwin Rosenthal
11.03.2025

Die Stadt Swinemünde war 1765 vom großen Preußenkönig Friedrich II. als Hafenstadt gegründet worden. Nach der Fertigstellung der Kaiserfahrt im Jahr 1880 wurde sie zum Vorhafen des größten deutschen Ostseehafens, Stettin.

Um 1900 war das 1824 gegründete See, Sol- und Moorbad Swinemünde, auch das „Nizza des Nordens“ genannt, zu einem Weltbad geworden, zum Primus der pommerschen, wahrscheinlich auch der deutschen Ostseebäder. Im März 1945, unmittelbar vor der Kapitulation des Deutschen Reiches, war der Glanz verblasst. Mit dem Vorstoß der Roten Armee bis vor Stettin blieb für den sich heranwälzenden Flüchtlingsstrom der Weg nach Westen nur noch über die Inseln Wollin und Usedom frei. Vor der Dievenow und der Swine gab es immer wieder Rückstaus.

Die Brücke über die Dievenow konnten nur wenige Fuhrwerke gleichzeitig befahren, und die Swinemünder Fähren waren außerstande, die Massen von Menschen und Pferdewagen über die Swine zu befördern. Trotz der zusätzlichen Pontonbrücke staute sich hier der Treck häufig über 15 Kilometer zurück bis Misdroy. Das sehnlich erwartete Ziel der Flüchtenden war die vorpommersche Kleinstadt Swinemünde. Sie gehörte Anfang März noch nicht zu den „toten Städten“, von ihren Bahnhöfen fuhren sogar noch Züge in Richtung Westen ab. Der Krieg hatte die Stadt offensichtlich übersehen.

Im Hafen lagen auch jene Flüchtlingstransporter, die auf dem Seeweg aus Ostpreußen, dem Danziger Raum und letztlich auch aus Hinterpommern kamen. Auch die etwa 1000 Überlebenden der am 30. Januar versenkten „Wilhelm Gustloff“ machten hier Station. Zu den 28.000 Einwohnern kamen Anfang März mehr als 40.000 Flüchtlinge hinzu, die Stadt beherbergte also etwa 70.000 Menschen.

Überall in der Stadt hielten sich erschöpfte Frauen, Kinder und Alte auf. Alle verfügbaren Kinos, Säle, Hotels und Schulen dienten als Notquartiere. Eine warme Mahlzeit, ein Dach über dem Kopf und ein Nachtquartier auf einem Strohsack ließen sie die Strapazen der Flucht für kurze Zeit vergessen. Sie glaubten, nun sei das Schlimmste überstanden und wähnten sich in Sicherheit.

Swinemünde war jedoch auch Flottenstützpunkt, Festung und Garnissonstadt. In der Kaiserfahrt lag vertäut der schwere Kreuzer „Lützow“. Er feuerte aus zwanzig 20,3-Zentimeter-Kanonen auf die bis an die Dievenow vorgerückten sowjetischen Stellungen. Auch für die veralteten Geschütze der Swinemünder Batterien „Plantage“ und „Henningsen“ war die Schussdistanz von 25 Kilometern kein Problem. Zudem versorgte die im Ostseeraum agierende Kriegsmarine in Swinemünde ihre Schiffe mit Munition und Treibstoff.

Diese militärische Lage war der Anlass für ein sowjetisches Hilfeersuchen an die US-amerikanische Militärmission in Moskau. Am 9. März erreichte den Oberkommandierenden der US-Luftstreitkräfte von Europa, General Carl A. Spaatz, ein Telegramm des Stabschefs der sowjetischen Luftwaffe Marschall Khudyakow. Der Marschall, dem die für einen Angriff erforderlichen Luftverbände fehlten, ersuchte darum, „die Schifffahrt in Swinemünde zu bombardieren“.

Drei Tage später, am 12. März 1945 gegen Mittag, hatten 661 schwere Bomber (B-17 „Flying Fortress“ und B-24 „Liberator“) und 412 Mustang-Begleitjäger der US Army Air Forces, die am Morgen in England gestartet waren, Swinemünde erreicht. Die Bombardierung der pommerschen Kleinstadt durch eine gigantische Armada von Flugzeugen, quantitativ vergleichbar mit den Bomberverbänden, die Berlin oder Hamburg angegriffen hatten, begann um 12.05 Uhr und dauerte fast eine Stunde. Aus einer Höhe von 6000 Metern wurden 1609 Tonnen Bomben, zumeist Spreng- und Splitterbomben, abgeworfen.

Bereits um 11 Uhr war Küstenalarm ausgelöst worden. Die Kapitäne und Kommandanten aller im Swinemünder Hafen liegenden Schiffe hatten den Befehl erhalten, den Hafen sofort zu verlassen. Zwar wurden beim Angriff im Hafenbereich
13 Schiffe versenkt, darunter war jedoch kein größeres Kampfschiff. Auch die „Lützow“ blieb, ebenso wie die etwa 50 vor Swinemünde auf Reede liegenden Schiffe, vom Bombardement verschont.

Über der Stadt und dem Kurpark ging jedoch ein wahrer Bombenteppich nieder. Ein Flüchtlingszug auf dem Hauptbahnhof und ein weiterer Flüchtlingszug am Kaiserbollwerk wurden zu Leichenzügen. Bei Fliegeralarm durften sie nicht abfahren. Für den Kapitän des Lloyd-Dampfers „Lappland“ war das, was er am Kaiserbollwerk erblickte, „das Grauenhafteste, das er in seinem Leben gesehen hatte“.

Den 3000-Tonnen-Kohlefrachter „Andros“, mit 2000 Flüchtlingen aus Pillau an Bord, brachten drei Bombentreffer zum Sinken. 570 Menschen fanden dabei den Tod. Über dem Kurpark waren Baumkrepierer abgeworfen worden, die bei der Berührung mit den Zweigen der Bäume, unter die sich sehr viele Menschen geflüchtet hatten, detonierten.

Als am nächsten Tag die Leichen geborgen wurden, war darunter kein Soldat, sondern waren nur Frauen, Kinder und wenige alte Männer. Die Adolf-Hitler-Schule in der Steinbrückstraße, Notunterkunft für Flüchtlinge, erhielt mehrere Bombentreffer. Die Opfer waren Frauen, alte Männer und Kinder.

Sie glaubten sich schon sicher
Auch in der von Trecks verstopften recht langen Hindenburgstraße (früher Große Kirchenstraße), Ausfallstraße in Richtung Westen, hielt der Tod reiche Ernte. Für die Färberstraße, die Ausfallstraße in Richtung Ahlbeck, galt Ähnliches. Der Zerstörungsgrad der Stadt wurde mit 55 Prozent angegeben.

Das im Stadtgebiet entstandene Inferno trug in der Tat wahrhaft apokalyptische Züge. Die Fähren über die Swine verkehrten bei Alarm nicht mehr, und die Pontonbrücke war defekt. Östlich der Swine, auf der Reichsstraße 111, stockte daher der Treck. Das Unvorstellbare passierte: Die Flugzeuge warfen ihre Bombenlast in die gestauten Trecks. Viele Flüchtlinge fanden einen grausigen Tod.

Ein glaubhafter Zeitzeuge berichtet, dass Jagdflugzeuge die Reichsstraße 111 bis nach Pritter entlanggeflogen waren und den Treck im Tiefflug beschossen hatten. Seine Dorfgemeinschaft beklagte 18 Tote sowie einige Schwer- und Leichtverletzte. Eine Frau hatte einen Armdurchschuss erlitten. Zwei Tage nach dem Angriff wurden in das Universitätsklinikum Greifswald 44 beim Bombardement Verletzte eingeliefert. Fünf von ihnen wiesen Schussverletzungen auf.

Der Krieg war nun an seinen Ausgangspunkt zurückgekehrt. Ende August 1939 hatte das Linienschiff „Schleswig-Holstein“ den Swinemünder Hafen in Richtung Danzig verlassen. Am 1. September um 4.47 Uhr eröffnete es das Feuer auf die polnische Stellung auf der Westerplatte. Der Zweite Weltkrieg hatte begonnen. Es ist unbestritten, dass die Alliierten einen gerechten Krieg gegen einen verbrecherischen Feind führten. Der Angriff auf Swinemünde war jedoch kein „Verkehrsangriff auf Rangierbahnhöfe“ und auch kein Angriff auf die Schifffahrt.

Der Autor Jörg Friedrich („Der Brand“) nennt ihn ein Massaker an der Zivilbevölkerung. Der britische Philosoph A.C. Grayling hatte die alliierte Luftkriegsführung als Verbrechen („moral crime“) verurteilt. Wahrscheinlich war das Bombardement auch eine Machtdemonstration gegenüber der Wehrmacht und der Roten Armee, die bereits kurz vor Berlin stand, während die US- Bodentruppen kaum vorangekommen waren.

Die Zahl der Opfer des Angriffs wurde lange Zeit mit 23.000 angegeben, während Historiker sie heute gar auf 4000 heruntergerechnet haben. Niemand kennt die Zahl genau, möglicherweise liegt die Wahrheit in der Mitte. Die meisten Opfer wurden anonym in Massengräbern auf dem Golm bestattet.

61 Jahre später
Die Einwohner Swinemündes konnten ihre zerstörten Häuser nicht wieder aufbauen. Sie mussten ihre Heimat verlassen, wurden Vertriebene. Die Stadt, früher in der Mitte Deutschlands gelegen – betrachtet man die Ost-West-Ausdehnung – nennt sich heute Swinoujście und liegt auf polnischem Gebiet.

Das Geschehene lässt die Zeitzeugen nicht los. Das Bild unten zeigt Herbert Weber (rechts), Zeitzeuge und Mitherausgeber der Zeitzeugenberichte über den Angriff. Er besuchte im Jahre 2006 auf dem Flughafen von Boca Raton (USA) eine Schau von flugbereiten amerikanischen Bombenflugzeugen aus dem Zweiten Weltkrieg. Dort begegnete er Sid Katz (Mitte) aus Livingston, der am 12. März 1945 oben im Bomber saß, während Weber unten in Swinemünde die schlimmste Stunde seines Lebens erlitt. „You bombed me, but I survived and I could escape!“ (Du hast mich bombardiert, aber ich überlebte und konnte entkommen!), sagte Weber. Im folgenden freundschaftlichen Gespräch schloss Katz nicht aus, dass vereinzelte Begleitjäger auch ein paar Tiefangriffe durchgeführt hatten.

www.swinemuende.eu 


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Kommentare

Marcus Junge am 11.03.25, 17:28 Uhr

"Die Zahl der Opfer des Angriffs wurde lange Zeit mit 23.000 angegeben, während Historiker sie heute gar auf 4000 heruntergerechnet haben. "

Ahh ja, wie die "Historiker"-Kommission für die Dresdner Bombardierung, wo der Leiter vor Arbeitsbeginn der Kommission schon das Endergebnis verkündet hat. BRD-Historiker der letzten 40 Jahre (etwa) sind so brauchbar wie die der DDR. Lügen gemäß politischer Windrichtung / Vorgaben, mehr kommt da nicht.

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