Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung
Kurz nach Beginn des Jahres sind die Deutschen aufgerufen, einen neuen Bundestag zu wählen. Doch schon jetzt zeichnet sich ab, dass sich die grundsätzlichen politischen Verhältnisse im Lande kaum wandeln werden
Eine merkwürdige Stimmung liegt über Deutschland. Viele empfinden, dass sich gar nicht wenig im Land ändern müsste, wenn es mit ihm gut weitergehen soll. Was zu solchen Einschätzungen führt, reicht von Verlusten an innerer Sicherheit und sozialstaatlicher Verteilungsmasse über die Bedrohung von Arbeitsplätzen bis hin zur Brüchigkeit des jahrzehntelang für selbstverständlich gehaltenen Friedens in und um Europa.
Doch über die Ursachen dessen, was da beschwert, gibt es keine handlungsleitende Einigkeit – und deshalb auch nicht darüber, was Abhilfe schaffen könnte. Ist die selbstermächtigte Zuwanderung nach Deutschland die „Mutter aller Probleme“ – oder ist dies weiterwirkender Rassismus samt Mängeln an Willkommenskultur? Hat wohl die Abwanderung von Unternehmen auch Ursachen in einer Energiepolitik, die besser gemeint als getan war – oder wurde einfach nicht entschlossen genug umgesetzt, was uns andernfalls ein neues Wirtschaftswunder beschert hätte? Bedroht den Frieden zu viel oder zu wenig Rüstung von NATO-Staaten, auch zu viel oder zu wenig Rücksichtnahme auf Russland?
Mangel an ernsthafter Denkarbeit
Zwar bieten Deutschlands Parteien für das alles Positionen zur Auswahl an, die oft in sich stimmig sind und solange überzeugen können, wie man die sie prägenden Wertentscheidungen und Interessenschwerpunkte teilt. Doch vieles von dem, was zu weithin gehegten Werten passt wie unsere gutwillig-weichherzige Migrationspolitik, scheint im Licht jahrelanger Erfahrungen nicht so recht zur Wirklichkeit zu passen.
Anscheinend braucht das Auffinden zielführender Wege zu nachhaltigen Lösungen unserer vordringlichen politischen Probleme deutlich ernsthaftere Denkarbeit, als sie vielen öffentlichen Politikerpositionen zugrunde liegt. Sie verlangt auch ein Ablassen von der gängigen Politiker-, Journalisten- und Akademikersucht, vor allem dasjenige aufzusagen, was etablierten Deutungs- und Handlungsroutinen gerade nicht in die Quere kommt. Eben das prägt die Politikdebatten etablierter Medien und lässt immer mehr politisch Interessierte nach alternativen Debattenorten lechzen. Dort freilich erreicht nicht jeder Kontrapunkt das Niveau auch einer mittelmäßigen Melodie, zu welcher er eine hörenswerte Gegenstimme zu sein behauptet. Allenthalben fühlt man, dass sich Problemdiskussionen nicht auf der Höhe ihrer Gegenstände befinden. Davon ansatzweise verunsichert zu sein, lässt viele sich zum gefühlsmäßigen Selbstschutz verengen und verhärten.
Obendrein wird verspürt, dass auch die kommende Wahl am deutschen Trudeln hin zum Abgrund nichts ändern wird. Viele politische Positionen von Sozial- und Christdemokraten, von Grünen und Freidemokraten, auch von Linken und AfDlern unterscheiden sich zwar auf eine Weise, die eine alternative Bundestagsmehrheit herbeiwählbar machte. Dennoch fühlt fast jeder, dass wir ab dem Frühjahr erneut jene Koalition zwischen Christ- und Sozialdemokratien haben werden, deren Politik die gegenwärtigen Schwierigkeiten doch herbeigeführt hat, oder eine schwarz-grüne Koalition, deren massenmediale Erwünschtheit viele blind dafür macht, dass dieses Bündnis erst recht den fatalen Kurs einer vergrünten Unionspolitik fortzusetzen versuchte. An dessen Kollision mit der Wirklichkeit scheiterte aber soeben die ihn mit schärferer Gangart fortsetzende Ampelregierung.
Wen die Leichtfertigkeit des letzten Politikjahrzehnts jetzt schon zum Verzweifeln an Deutschlands Regierungspolitik brachte, dem bietet auch die kommende Bundestagswahl keine Hoffnung. Für die so lange unserem Land nutzende Allianz von Christ- und Freidemokraten wird es selbst dann nicht reichen, wenn die einst von Angela Merkel politisch ausgehungerte FDP die Fünf-Prozent-Hürde überspringen sollte, ihrerseits nun vom verlassenen SPD-Partner Scholz noch vernichtender beschimpft als ehedem von den ebenfalls FDP-verlassenen Kanzlern Kiesinger und Schmidt. Die erforderliche Politikwende wäre allenfalls dann in Sichtweite, wenn eine die 30 Prozent kaum überschreitende Union mit einer weiterhin schwachen SPD und einer wundersam wieder in den Bundestag gelangten FDP koalieren könnte.
Der Politikwechsel bleibt aus
Natürlich käme es zu einer Politikwende, falls die zu erwartende Mandatsmehrheit für Union und AfD zu einer Koalition dieser einander noch verachtenden Parteien führen würde. Doch obwohl ein solches Bündnis nicht an tagespolitisch unüberbrückbaren programmatischen Differenzen scheitern müsste, wird es doch unmöglich gemacht durch eidesgleiche Absagen der Union sowie das mit Sicherheit zu erwartende massenmediale Sperrfeuer. Und ob eine aus purer politischer Not geborene Zusammenarbeit von Union und AfD lange durchzuhalten wäre, ist angesichts von skandalisierungsträchtigen AfD-Politikern und in üble Kreise reichenden AfD-Netzwerken durchaus zu bezweifeln. Es wird also die kommende Bundestagswahl fürs erste keinen Politikwechsel bringen.
Den bräuchte unser Land zwar. Doch weil weder über zielführende Reformen Einigkeit besteht noch es Chancen auf eine baldige Mitte-rechts-Regierung gibt, werden auf den jetzigen „Winter des Missvergnügens“ noch weitere solche Winter folgen. Von Argentinien wissen wir, wie weit ein einst reiches Land anscheinend fallen muss, bevor seine Politikerschaft, Öffentlichkeit und Bevölkerung einen – dann freilich radikal ausfallenden – Erneuerungskurs hinzunehmen bereit sind. Wie in Deutschland versuchte man es dort mit immer höheren Dosierungen bislang unwirksamer Heilmittel. Also werden wir wohl Sprünge weiterer Staatsverschuldung samt bürokratischer Erstickung wirtschaftlicher Selbstbefreiungsversuche erleben müssen, bevor unsere politisch-mediale Klasse vielleicht doch noch programmatisch oder bündnispolitisch zur Einsicht kommt.
Doch die schmerzliche Haftung breiter Bevölkerungskreise für fatal kurzsichtige Wahlentscheidungen ist in Demokratien nun einmal Teil der eigenen politischen Verantwortlichkeit. Schade nur für die ortsgebundenen „somewheres“, wenn sie leidend auszulöffeln haben, was international bewegliche „anywheres“ als von den eigenen Lieblingsideologemen verführte Verführer ihnen eingebrockt haben. Doch das ist nichts Neues in der Doppelgeschichte gefälliger politischer Ideen und ins Elend führender politischer Praxis. Zu bedauern sind allerdings jene Generationen, die fortan fühlen müssen, wovon man zuvor nichts hören wollte.
Festhalten an altbekanntem Personal
Denn gewarnt wurde sehr wohl vor üblen Folgen fahrlässiger Migrationspolitik oder verblendeter Entscheidungen wie einst zum Ausstieg aus der friedlichen Nutzung der Kernenergie und später zur Abschaltung der letzten Atomkraftwerke, desgleichen vor dem Verlotternlassen unseres Bildungswesens und der politisch herbeigeführten Einsatzunfähigkeit unserer Bundeswehr.
Gegen diese Folgen falscher Politik revoltiert nunmehr ein nicht gerade kleiner Teil der zumal – doch nicht nur – ostdeutschen Wählerschaft. Aber gerade so, als wären nicht sie selbst schuld an Deutschlands Niedergang, bieten die bislang regierenden Parteien weiterhin das gleiche Personal für Führungspositionen an, das sich – damals zumindest in zweiter Reihe tätig – mittlerweile als unwillig oder unfähig erwiesen hat, zumindest Schaden von den „länger schon im Lande Lebenden“ zu wenden, wenn es ihnen schon nicht gelang, deren Nutzen zu mehren.
Allerdings muss man trotzdem nicht an unserer Demokratie verzweifeln. Zwar werden einige ihrer Institutionen – derzeit etwa die Ämter für Verfassungsschutz oder die Anklagebehörden für Politikerbeleidigungen – durchaus auch missbräuchlich eingesetzt. Doch in jener Repräsentationslücke, welche – dazu getrieben von linksgrünen Politikern, Journalisten und Akademikern – die Union einst im rechten politischen Bereich aufreißen ließ, ist dank freier Wahlen inzwischen eine neue, im Osten sogar oft stärkste Partei entstanden.
„Brandmauern“ und deren Folgen
Die muss man nicht mögen. Doch noch weniger sollte man sich mit den Folgen ihres Auftretens abfinden. Allein schon durch ihre fast ganz Deutschland abdeckende parlamentarische Präsenz verändert diese Partei nämlich die Koalitionsmöglichkeiten von bislang unbelehrbaren politischen Kräften, indem sie alle Parteien zwischen der Mitte und der äußersten Linken in Anti-AfD-Bündnisse zwingt. Doch befördert wird dadurch bloß das Aufkommen eines nachgerade Zwei-Parteien-Systems, in dem die AfD zum eigenen Vorteil allen anderen Parteien gegenübersteht, die sich selbst – mit durchaus nicht wachsender Glaubwürdigkeit – als „exklusiv demokratisch“ bezeichnen.
„Brandmauern“ haben diesen Prozess nur kanalisiert, nicht verhindert. Die Vordeiche, mit denen man auf kommunaler Ebene den Zustrom zur AfD sowie deren Einfluss auf die Politik vor Ort verhindern wollte, wurden von der Wählerschaft inzwischen vielfach überspült. Und jene Dämme, auf denen die parlamentarischen Abwehrwälle gegen die AfD stehen, finden sich mehr und mehr unterspült. Solange die selbsternannten Verteidiger unserer Deiche und Dämme nicht begreifen, dass nicht gemeinsames Feldgeschrei, sondern nur eine veränderte Politik das Anstürmen immer neuer Problemwogen abebben lassen kann, wird der bisherige Siegeszug der AfD allenfalls an der bisherigen Unfähigkeit dieser Partei scheitern, skandalträchtige Anführer nicht großwerden zu lassen und skandalisierbares Verhalten beim Reden, Schreiben oder Tun zu unterlassen.
Letzteres steht derzeit ebenso wenig in Aussicht wie wachsende Einsicht der Union dahingehend, dass ihre Zusammenarbeit mit einer AfD, die sich dank konditionierter Kooperationsangebote in den meisten Parteigliederungen normalisierte, viel mehr vom Unionsprogramm politisch umzusetzen erlaubte, als das in einem jeden Bündnis mit SPD oder Grünen möglich wäre.
Zwar wird das Funktionieren unseres demokratischen Wahlmechanismus eines Tages in der AfD doch noch die Realos an die Macht, bei SPD und Grünen die politische Vernunft wieder zur Geltung und die Union erneut auf einen Mitte-rechts-Kurs bringen. Doch das ist nicht schon für die Zwischenwahl vom kommenden Februar zu erwarten, sondern erst als Ergebnis einer weiteren Legislaturperiode, in der allzu wenig von dem geschieht, das Deutschland sanieren könnte.
Prof. Dr. Werner J. Patzelt war von 1991 bis 2019 Inhaber des Lehrstuhls für Politische Systeme und Systemvergleich an der TU Dresden und ist derzeit Forschungs- direktor des Mathias Corvinus Collegiums in Brüssel. Zu seinen Werken gehören „CDU, AfD und noch mehr politische Torheiten. Neue Analysen, Interviews und Kommentare 2019–2024“ (Weltbuch 2024) sowie „Ungarn verstehen“ (Langen Müller 2023). www.wjpatzelt.de
sitra achra am 05.01.25, 16:48 Uhr
Ihrer Generalabrechnung mit diesem amerikanisierten Kapitalismushybrid, das sich fälschlicherweise "Deutschland" nennt, obwohl dieses wundervolle Land, dem meine Sehnsucht gilt, am Ende des zweiten antideutschen Vernichtungskriegs, als "Weltkrieg" getarnt, untergegangen ist, kann ich uneingeschränkt zustimmen.
Doch was ist zu tun? Es ist verständlich, dass Sie fatalistisch die Daumen kreuzen und auf Godot warten. Mir geht es selbst nicht anders, ich drehe mich auch im Kreis und habe schon verschiedene Ansätze verworfen. Mein Bauchgefühl favorisiert die eurasische Union unter Führung Russlands unter konsequentem Ausschluss der Anglosphäre, aber das ist mit Putins korruptem System derzeit wohl auszuschließen.
Also die Füße stillhalten und in Dämmerschlaf verfallen. Das Erwachen daraus wird alles andere als angenehm sein.
Insch'Allah!
An Bismarcks Befreiungsschlag mit der Blut- und Eisenrede
kann der deutsche Wichtel wohl nicht anknüpfen. Dazu fehlt ihm der Mumm.
Peter Faethe am 05.01.25, 16:06 Uhr
Masch´allah !
Sonst träte der Erste Hauptsatz der "modernen Demokratien" in Kraft:
Eine jede Veränderung ist eine Verschlechterung.