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Östlich von Oder und Neiße

„Das konnte nur hier passieren“

Der Riesengebirgspreis für Schriftsteller führt deutsche und polnische Literaturkenner zusammen

Chris W. Wagner
16.12.2021

Wenn der Berg ruft, muss man ihm folgen. Am 12. Dezember rief die Schneekoppe Literaturfreunde von diesseits und jenseits der Lausitzer Neiße ins verschneite Hirschberg [Jelenia Góra]. Grund dafür war die Verleihung des deutsch-polnischen Riesengebirgspreises für Literatur. Ins Leben gerufen haben ihn Christopher Schmidt-Münzberg und seine Mitstreiter im Verein zur Pflege schlesischer Kunst und Kultur. „Das Hirschberger Tal und das Riesengebirge sind bis zum heutigen Tag mit Künstlern und Schriftstellern durchsetzt. Man muss sich ja nur Gerhart Hauptmann als Flaggschiff vor Augen führen. Aber es gibt auch Hermann Stehr oder Fedor Sommer, die weniger bekannt sind und doch auch eine wichtige Rolle gespielt haben“, so der aus Bremen stammende Architekt mit schlesischen Wurzeln, der seinen Lebensmittelpunkt ins Hirschberger Tal verlegt hat. Mit dem Preis werden Schriftsteller gewürdigt, die ihre Verbindung mit dem Riesengebirge und Schlesien in ihrem literarischen Schaffen verarbeiten, so wie es Joanna Bator tut.

Bis zum Abitur lebte Bator in Waldenburg [Wałbrzych], zum Studieren der Kulturwissenschaften und Philosophie wählte sie Breslau, für die Promotion ging sie nach Warschau, wo sie heute lebt. Bator ist in Polen längst eine etablierte Schriftstellerin. Einige ihrer Werke, wie „Sandberg“, „Dunkel, fast Nacht“ und „Wolkenfern“ wurden auch ins Deutsche übersetzt und in der Bundesrepublik verlegt.

Pflege schlesischer Kunst und Kultur

„Mein Lieblingsbuch ist der berühmte ‚Sandberg', in dem so prägnant die wertvollen, aber auch die wundersamen Eigenheiten unserer heutigen niederschlesischen Identität zum Vorschein kommen“, so Józef Zaprucki, Dozent an der Fakultät für Humanistische Wissenschaften der Riesengebirgshochschule in Hirschberg und Jurymitglied des Riesengebirgspreises. Der Kenner schlesischer Literatur entdeckt im Werk von Bator Parallelen zu seinen Lieblingsschriftstellern Günter Grass und Horst Bienek „Der eine beschrieb Danzig [Gdańsk], der andere Gleiwitz [Gliwice] – auch eine schlesische Stadt, die eben nur weiter östlich liegt. Beide schrieben über die ‚verlorene Heimat'“, so Zaprucki in seiner Laudatio. Er zitierte Joseph Roth: „Erst die verlorenen Provinzen werden zu literarischen Provinzen“. Bei Bator, so Zaprucki, „wird eine gewonnene Provinz zu einer par exellance literarischen“.

Das Riesengebirge und seine Umgebung für sich gewonnen, das hat auch vor zwölf Jahren der Warschauer Marcin Wawrzyńczak. Er wollte aus der „grauen Plattenbaulandschaft“ der polnischen Hauptstadt ausbrechen und fand im Isergebirge all das, was er vermisste – eine Natur- und Kulturlandschaft, die ihn fesselte. Um seine „gewonnene Heimat“ besser zu verstehen, lernte er deutsch. Und all das, was er ergründete, übersetzte er ins Polnische. „Die Sprache seiner Texte begeisterten mich. Ein leichtes, angenehmes ‚Fließen' der Worte, ein schönes, nicht gekünsteltes Polnisch, angepasst an den Rhythmus der alten Texte des 18. und 19. Jahrhunderts“, umschreibt Agnieszka Bormann, Kulturreferentin für Schlesien am Schlesischen Museum Görlitz, sein Schaffen.

Das Isergebirge und sein Vorland hat Małgorzata Lutowska in ihr erstes Buch eingebettet. Ihr weiteres „Der anvertraute Schlüssel“ über das Schicksal niederschlesischer Protestanten wurde ein lokaler Bestseller. Ihr letztes Werk „Schlesische Fälle“ trägt den Untertitel: „Das konnte nur hier passieren“. Die Fremdenführerin und pensionierte Deutschlehrerin wecke unterschiedliche Leidenschaften bei ihren Lesern, sagt ihre Verlegerin Regina Chrześcijańska (Verlag AD REM). So habe eine Leserin damit begonnen, „deutsche Hinterlassenschaften“ zu sammeln, also Gegenstände mit deutschen Schriftzügen, die in alten Häusern gefunden wurden.

Andere suchen Lutowska auf, weil sie ihre Familiengeschichten vor dem Vergessen retten wollen. Ihr Jugendbuch „Schätze der Bäume – eine Schatzsuche in Hirschberg“ wurde in Grundschulen der Stadt als Pflichtlektüre behandelt. Und als Lutows-ka in den Klassenzimmern zum Gespräch erschien, waren manche erstaunt, dass eine Autorin, die sie im Unterricht behandelten, noch lebendig ist. Sie ist nicht nur lebendig, sondern auch leidenschaftlich am Thema dran, denn ihr nächstes Projekt wartet bereits – das Übersetzen ihrer Bücher ins Deutsche.


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Kommentare

sitra achra am 18.12.21, 12:40 Uhr

Dieses engagierte Interesse für eine fremde Kultur beweist mal wieder die Sensibilität und die unvoreingenomme Einstellung eines wahrhaften Kulturvolks.

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