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Eine typische Waffe des Volkssturms waren Panzerfäuste: Volkssturmparade in Posen
Foto: Wikimedia/Republik PolenEine typische Waffe des Volkssturms waren Panzerfäuste: Volkssturmparade in Posen

Zweiter Weltkrieg

Das letzte Aufgebot des Dritten Reiches

Das Reichsgesetzblatt veröffentlichte vor 80 Jahren den „Erlaß des Führers über die Bildung des Deutschen Volkssturms“

Wolfgang Kaufmann
21.09.2024

Am 12. September 1944 überschritten erstmals US-amerikanische Truppenverbände die deutsche Reichsgrenze bei Aachen. In dieser Situation beschloss Adolf Hitler, „alle waffenfähigen deutschen Männer zum Kampfeinsatz“ heranzuziehen und einen Erlass „über die Bildung des Deutschen Volkssturms“ zu unterschreiben, der auf den 25. September 1944 datiert war. Am 18. Oktober gab die NS-Propaganda die Bildung des Volkssturms offiziell bekannt. An diesem Tag jährte sich der Sieg in der Völkerschlacht bei Leipzig im Zuge der Befreiungskriege gegen Napoleon zum 131. Mal.

Das Ziel der Massenmobilisierung sollte darin bestehen, den Feind „zurückzuwerfen und solange vom Reich abzuhalten, bis ein die Zukunft Deutschlands, seiner Verbündeten und damit Europas sichernder Friede gewährleistet ist“. Dabei setzte Hitler offenbar auf die psychologische Ermattung des Gegners angesichts steigender Eigenverluste infolge des „totalen Einsatzes“ sämtlicher deutschen Männer. Denn theoretisch waren immerhin sechs Millionen „Volksgenossen“ volkssturmpflichtig.
Dem standen allerdings die Erfordernisse der Kriegswirtschaft entgegen. Deswegen blieben am Ende sehr viel weniger Kämpfer als erhofft übrig. Nach einer Schätzung von Generalmajor Hans Kissel, dem Chef des Volkssturm-Führungsstabes, lag deren Zahl zwischen 500.000 und 700.000.

500.000 bis 700.000 Mann
Hinsichtlich des völker- und kriegsrechtlichen Status hieß es in Ausführungsbestimmungen zum Führererlass vom 27. September 1944: „Die Angehörigen des Deutschen Volkssturms gelten im Sinne der Haager Landkriegsordnung als Kombattanten.“ Daher mussten die Volkssturmmänner in eine formelle Kommandostruktur eingebunden sein, ihre Waffen offen führen und an ihrer Kleidung entsprechende Erkennungsabzeichen tragen. Bei der Verantwortlichkeit für den Volkssturm gab es jedoch ein Kompetenzwirrwarr. Die militärische Organisation, Ausbildung und Bewaffnung oblag dem Reichsführer SS, Heinrich Himmler, in seiner Eigenschaft als Befehlshaber des Ersatzheeres. Dahingegen wurde den NSDAP-Gauleitern die Zuständigkeit für die Aufstellung und Führung der Volkssturm-Bataillone übertragen. Und beim Kampfeinsatz hatte dann auch die Wehrmacht noch ein entscheidendes Wort mitzureden.

Der Volkssturm verfügte nur über relativ wenige Waffen, da die Wehrmacht sich weigerte, welche abzugeben. Aus einer Aufstellung Kissels geht hervor, dass in den vom Feind bedrohten Gauen 1,3 Millionen Handfeuerwaffen und 75.000 Maschinengewehre nötig gewesen wären. Vorhanden waren aber nur 18.575 beziehungsweise 181. Vielfach standen nur alte italienische, dänische, belgische oder französische Beutewaffen zur Verfügung. Den größten Kampfwert hatten die millionenfach produzierten und auch an den Volkssturm ausgelieferten Panzerfäuste.

Was die Kennzeichnung als Kombattanten betraf, so trugen die Angehörigen des letzten Aufgebots des Dritten Reiches im Regelfall Armbinden in den Staatsfarben Schwarz, Weiß und Rot mit der Aufschrift „Deutscher Volkssturm“ und „Wehrmacht“ sowie dem Hoheitsadler. Da selbst diese Binden manchmal knapp waren, kamen daneben auch gebastelte Provisorien zum Einsatz.

Um auch ansonsten sicherzustellen, dass der Gegner den kriegsrechtlichen Status der Volkssturmmänner anerkennt, informierte das Auswärtige Amt die Alliierten unter Nutzung diplomatischer Kanäle über die Bildung der Miliz. Die Westmächte akzeptierten die Angehörigen des Volkssturms daraufhin offiziell als Kombattanten, während die Sowjetunion dies nicht tat. Deshalb wurden im Osten später sehr viel mehr Volkssturmkämpfer als „Partisanen“ erschossen als im Westen.

Und auch in anderer Hinsicht gab es gravierende Unterschiede zwischen der Ost- und der Westfront. An der Letzteren blieben oft mehr als zwei Drittel der Rekrutierten dem Dienst fern, während der Rest zumeist bei der erstbesten Gelegenheit die Waffen streckte. Dahingegen lag die Einsatzbereitschaft im Osten deutlich höher.

175.000 als vermisst gemeldet
Dort begann der Volkssturm im Oktober 1944 mit Schanzarbeiten und dem Ausbau der rückwärtigen Stellungen. So unter anderem im Raum der ostpreußischen Ortschaften Gumbinnen, Goldap und Angerapp. Einen Monat später standen im Bereich der 170. Infanterie-Division in Ostpreußen acht Volkssturm-Bataillone bereit. Die verbissensten Kämpfe mit dem Gegner focht die Miliz aus zwangsrekrutierten, aber auch freiwillig angetretenen Zivilisten ab Januar 1945 bei der Verteidigung von Breslau, Posen, Küstrin, Kolberg und Königsberg aus. Zu diesem Zeitpunkt wurden auch 20 relativ gut ausgebildete und ausgerüstete Volksturm-Bataillone „zur besonderen Verwendung“ aus weiter westlich gelegenen Gauen an die Ostfront beordert. In Breslau kämpften am Ende um die 15.000 Volkssturmmänner, die 26 Front-, zehn Bau- und zwei Ersatz-Bataillonen angehörten und dem Feind gemeinsam mit etwa 30.000 Soldaten der Wehrmacht und der Waffen-SS bis zum 6. Mai 1945 standhielten.

Eine nicht unwesentliche Rolle spielte der Volkssturm auch bei der Verteidigung der eingeschlossenen ostpreußischen Provinzhauptstadt Königsberg ab Anfang Februar 1945. Besonders hervorzuheben ist hier das Volkssturm-Bataillon 25/82, dem lediglich 260 Mann angehörten und das im Nordwestsektor des Belagerungsringes operierte. Dessen Kommandeur Ernst Tiburzy schoss am 10. Februar im Einzelgefecht mehrere russische T-34-Panzer ab, wofür er als erster von insgesamt vier Angehörigen des Volkssturmes das Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes erhielt.

Einige der im März 1945 neu aufgestellten Volkssturm-Eliteverbände wie das Freikorps Adolf Hitler sowie die Panzerjagdverbände Döberitz und Munster kämpften noch bis zur deutschen Kapitulation am 8. Mai 1945 im Verbund der 12. Armee im Raum westlich von Berlin. Wie viele Volkssturmmänner in all den Gefechten und Schlachten oder nach ihrer Gefangennahme den Tod fanden, ist unbekannt, weil hierzu keinerlei Statistiken existieren. Fest steht nur, dass die meisten der 175.000 als vermisst gemeldeten Angehörigen des Volkssturms nicht nach Hause zurückkehrten.


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