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Krise bei der Stromversorgung erzwingt die abrupte Vollbremsung bei der Entwicklung einer Stadt
Die nördlich von Berlin gelegene Stadt Oranienburg macht als Beispiel für schlechte Planung in der Energiewende bundesweit Schlagzeilen. Für die Bürger überraschend hatten die Stadtwerke am 10. April mitgeteilt: „Um das Stromnetz in Oranienburg weiter stabil zu halten, können die Stadtwerke ab sofort keine Neuanmeldungen oder Leistungserhöhungen von Hausanschlüssen mehr genehmigen.“
Von der Maßnahme betroffen sind auch Anschlüsse für Wärmepumpen und Autoladesäulen sowie neu geplante Gewerbe- und Industrieflächen. Wie es in der Pressemitteilung der Stadt heißt, hat sich der Strombedarf „unserer wachsenden Stadt“ enorm entwickelt, „schneller, als es in der Vergangenheit vorausgesehen wurde“. Anteil am gestiegenen Strombedarf hatte nach Angaben der Stadt neben dem Zuzug von Neubürgern und dem starken wirtschaftlichen Wachstum auch der verstärkte Einbau von Wärmepumpen.
Stadtwerke haben geschlafen
Die im Kreistag Oberhavel und im Kommunalparlament von Oranienburg vertretene Piratenpartei Brandenburg bestreitet dagegen, dass sich der Strombedarf der Stadt schneller entwickelt habe als prognostiziert wurde. Die Partei sieht im Fall Oranienburgs vielmehr ein „Problem mit Ansage“. Demnach soll bereits im Jahr 2017 der übergeordnete Netzbetreiber EDIS die Stadtwerke Oranienburg darauf aufmerksam gemacht haben, dass ein bestehendes Umspannwerk an seine Leistungsgrenze komme und zusätzliche Kapazitäten benötigt würden. Nach Darstellung der Piratenpartei soll allerdings der inzwischen entlassene Stadtwerkechef Alireza Assadi trotz mehrmaliger Aufforderung nicht reagiert haben, um ausreichende Kapazitäten zu sichern.
„Es steht der Verdacht im Raum, dass die notwendigen Investitionen in die Infrastruktur zugunsten eines höheren Gewinns der Stadtwerke bewusst nicht vorgenommen wurden“, so die Partei in einer Mitteilung. Erst nachdem im Jahr 2023 der aktuelle Chef der Stadtwerke ins Amt gekommen sei, habe er „im Eiltempo“ dafür gesorgt, dass ein neues Umspannwerk in Auftrag gegeben wurde, so die Darstellung der Piratenpartei. Gegenüber der Lokalzeitung „MAZ“ räumte Oranienburgs parteiloser Bürgermeister Alexander Laesicke inzwischen tatsächlich ein, dass die neue Schnittstelle zum Hochspannungsnetz viel zu spät geplant worden sei. Zugleich kündigte er an: „Das werden wir aufarbeiten.“
Auch die Bundesnetzagentur will den Stromengpass in Oranienburg untersuchen. Die Behörde mahnte zudem, Netzbetreiber seien gesetzlich verpflichtet, das Stromnetz rechtzeitig und vorausschauend zu ertüchtigen. Klaus Müller, Chef der Agentur, fordert wegen der Stromengpässe in Oranienburg auch eine „schnelle Abhilfe“. Sollte es diese nicht geben, „dann werden wir uns aufsichtsrechtliche Konsequenzen vorbehalten“. Sogar das Bundeswirtschaftsministerium hat sich mittlerweile in den Fall eingeschaltet. Minister Habecks Parlamentarischer Staatssekretär Michael Kellner sagte, es sei absolut inakzeptabel, dass Privathaushalte und Unternehmen in Oranienburg nicht mehr ans Stromnetz angeschlossen werden könnten. Der Grünen-Politiker erklärte, deutschlandweit wisse er von keinem weiteren Fall.
Oranienburg sucht derzeit nach Zwischenlösungen, die das Stromproblem kurzfristig lösen sollen. Mit dem Bau des neuen Umspannwerkes wurde zwar vergangenes Jahr begonnen, bereitstehen wird es voraussichtlich aber erst im Jahr 2026. Nachgedacht wird nun darüber, als Zwischenlösung ein kleineres Umspannwerk zu nutzen, das schnell errichtet werden kann.
Warnung für ganz Deutschland
Ungeachtet der Versäumnisse der Lokalpolitik kann der Stromengpass in Oranienburg durchaus als Denkanstoß und Warnsignal für ganz Deutschland gelten. Sehr deutlich wird am Beispiel der Stadt, welche Rückwirkungen eine stark wachsende Bevölkerungszahl auf die Infrastruktur hat. Die Stadt mit derzeit rund 47.000 Bürgern zählte um die Jahrtausendwende nur knapp 30.000 Einwohner. Deutschland hat nun innerhalb kurzer Zeit noch über eine Million Flüchtlinge aus der Ukraine aufgenommen, dies, nachdem schon seit 2015 eine große Asylsucher- und Einwandererwelle zu verkraften war. Auch dies zieht einen massiven Investitionsbedarf nach sich, der sich immer mehr bemerkbar macht.
Oranienburg zeigt zudem auf, welches Risiko in einer Fokussierung auf einen einzigen Energieträger steckt. Die von der Bundesregierung und der EU vorangetrieben Dekarbonisierung aller Lebensbereiche führt zwangsläufig zu einem drastisch steigenden Strombedarf. Die vier großen deutschen Netzbetreiber gehen bis zum Jahr 2045 von einer Verdoppelung des Strombedarfs aus. Dieser steigende Bedarf und die zunehmende Dezentralisierung der Stromerzeugung machen hohe Milliardeninvestitionen in den Ausbau der Stromnetze erforderlich.