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Kur- und Badeort Swinemünde zog nicht nur gekrönte Häupter an – Schon damals funktionierte Marketing
Im Ostseebad Swinemünde [Swinoujście] gibt es für die Einwohner sowie für die „alten“ Swinemünder wieder etwas zu feiern: Vor zwei Jahrhunderten, als das Baden im Meer in Mode kam, wurde hier die erste offizielle Badesaison eines pommerschen Ostseebades eröffnet. Unter dem Motto „200 Jahre Swinemünde als Kurort“ gibt es in diesem Jahr in der Stadt zahlreiche Veranstaltungen und Ausstellungen.
Einer der Väter des neu gegründeten pommerschen Ostseebades war der Sachse Richard Kind, einst Kreisphysikus, Arzt, Stadtverordneter und Magistratsmitglied in Swinemünde. Er erkannte frühzeitig die heilende Wirkung von Badekuren an der See sowie der Salinen bei vielfältigen Leiden. Das britische Seebad Brighton sowie Heiligendamm und Putbus hatten ihm den Weg gewiesen.
Spektakuläres Badevergnügen
Seine Erkenntnisse verbreitete Kind mit großem Eifer nicht nur in Preußen, sondern auch in den anderen deutschen Ländern. Dabei betrieb er unermüdlich – nach heutigem Sprachgebrauch – Marketing für das neu entstehende Ostseebad. So hatte er auch in Berliner und Stettiner Zeitungen für den Besuch des Seebades Swinemünde geworben. Als werbewirksam erwies sich auch sein etwas später erschienenes Buch mit dem Titel „Das Seebad in Swinemünde“.
Eine Stettinerin war seinerzeit ins Schwärmen geraten: „Das Schönste in Swinemünde war natürlich das Baden, das wir alle unaussprechlich liebten.“ Ein anderer Zeitgenosse, Heinrich Laube, hatte über das neue Bad geschrieben: „Auf hölzernen Stegen findet sich ein Quantum Kammern zum Auskleiden, und offene Stege führen etwas weiter ins Meer hinein; in weiße Tempelherrnmäntel gehüllt wandeln die Entkleideten da umher, bis ihnen der Moment kommt, hineinzuspringen. Kränkere, oder die sich sonst mehr separieren wollen, finden zwei große Badekutschen, das heißt mit Leinwand überzogene, auf vier Rädern stehende Kästen; diese sind schon so weit hineingeschoben in die See, dass man von ihnen aus gleich in genügende Tiefe des Wassers steigen kann.“
Ein Muss war die strenge Trennung der Geschlechter beim Baden. Aus diesem Grunde hatte man den Strand in fünf Bereiche aufgeteilt. Ganz im Westen, nahe Albeck, befand sich das separate Bad für die Swinemünder holde Weiblichkeit. Hier soll es stets am lustigsten und am lautesten zugegangen sein. Östlich davon schlossen sich das Damenbad und das Herrenbad für die zahlenden Badegäste an. Die männlichen Einwohner der Stadt badeten nahe der Swine.
Heute komisch: Zwickelerlass
Zur Wahrung der guten Sitten wurde zwischen den Strandabschnitten für die Damen und jenen für die Herren ein mehrere hundert Meter breites Niemandsland frei gelassen. Eine solche Aufteilung des Strandes brachte es jedoch mit sich, dass Familien beim Strandbesuch getrennt werden konnten. Erst das viel später eingerichtete Familienbad schuf hier Abhilfe.
Das freie Baden vom Strandkorb aus war in Preußen erst ein Jahrhundert später möglich. Es gab auch hier einen Wermutstropfen: Der sogenannte preußische „Zwickelerlass“ schrieb die Beschaffenheit der Badebekleidung, einschließlich des Zwickels, exakt vor.
Zum Strand, von der Stadt etwa tausend Meter entfernt, gelangte man sehr mühsam auf zwei über die Dünen führenden sandigen Pfaden oder man nahm die Dienste eines Kutschers in Anspruch. Der Swinemünder Chronist Robert Burkhardt schreibt, dass unter den ersten Gästen Prinzen und Prinzessinnen, Minister, hohe Offiziere, Landräte und Künstler von Ruf waren. Und er fügt hinzu, dass die wenigen mittleren Beamten, Pastoren, Lehrer oder Kaufleute aus der näheren Umgebung deren feudalen Ton kaum zu stören vermochten.
Neues Kurviertel entstand
Aber die Konkurrenz schlief nicht. In Heringsdorf und Misdroy befanden sich die Hotels und Pensionen in unmittelbarer Strandnähe. Viele Gäste Swinemündes blieben daher aus, und die Stadtväter mussten handeln. Ab 1880 erwuchs sukzessive mit dem Villenviertel „Swinemünde-Strand“ beziehungsweise „Swinemünde-Bad“ das neue, heute zum Schatz der Bäderarchitektur zählende Kurviertel, das einen Großteil des Swinemünder Charmes ausmacht. In relativ kurzer Zeit waren in Strandnähe von Berliner und Stettiner und schließlich auch von Swinemünder Investoren mehr als 300 zwei bis vierstöckige, zumeist weiße Hotels und Pensionen neu erbaut worden.
Lenné schuf den Kurpark
Um 1900 war Swinemünde, auch Nizza des Nordens genannt, wieder Primus unter den Ostseebädern. Die Gäste setzten mit dem Wasserflugzeug auf der Swine auf, landeten auf dem Flugplatz Swinemünde (Garz) oder reisten mit dem Schiff, der Eisenbahn und später mit dem Pkw an. Das See- und Solbad Swinemünde warb nicht nur mit dem breitesten und schönsten Strand der Sonneninsel Usedom, sondern auch mit seinen exklusiven Hotels und Pensionen, dem prachtvollen Kurhaus, einem Theater und seinem Spielcasino. Unter den Honoratioren der Stadt, die im Casino eifrig dem Glücksspiel frönten, war der Swinemünder Apotheker Louis Henri Fontane, der Vater Theodor Fontanes, einer der eifrigsten.
Der zehn Hektar große wunderschöne Kurpark war nach den Plänen des berühmtesten Gartenkünstler Deutschlands, des Generaldirektors der Königlichen Gärten in Preußen, Peter Joseph Lenné gestaltet worden. Die mit großem finanziellen Aufwand im Jahr 1898 errichtete Kaiser-Friedrich-Seebrücke wurde leider bereits nach zwei Jahrzehnten wieder abgebaut, übrig blieb ein Seesteg.
Illustre Gäste
Für die in Ahlbeck geborene bekannte Publizistin Carola Stern, Absolventin der Fontane-Schule in Swinemünde, Mitbegründerin und lange Zeit Vorsitzende der deutschen Sektion von Amnesty International, war Swinemünde „der Inbegriff von Welt“. Die Stadt bot ihres Erachtens jedem etwas. Sie sei als See- und Solbad eleganter als Heringsdorf und Bansin, würde als Hafen in einem Atemzug genannt mit Pillau oder Kiel, sei Flottenstützpunkt und Standort hoher Offiziere. Der Aufenthalt des deutschen und des österreichischen Kaisers, des russischen Zaren Nikolaus, der Zarin Alexandra Fjodorowna, gebürtige Prinzessin Charlotte von Preußen, sowie des Königs von Portugal, des Königs von Dänemark und des Königs von Sachsen in Swinemünde bestätigen einst das Urteil Carola Sterns.
Noch im Jahr 1940 zählte man 54.000 Besucher und 295.000 Übernachtungen. Der Krieg setzte dem deutschen Ostseebad Swinemünde ein Ende. Am 12. März 1945 wurden alle Hotels und Pensionen östlich des Kurhauses durch die Flugzeuge der 8. US-Flotte zerbombt.
In den Jahren von 1945 bis 1950 wohnten in Swinemünde Deutsche, Polen und Russen, deren Verhältnis in hohem Maße durch die jüngste Geschichte belastet war. Das Kurviertel war von der Roten Armee besetzt worden. In den dortigen Villen erholten sich sowjetische Offiziere und ihre Ehefrauen. Das Kaiser-Friedrich-Warmbad nutzten sie als Banja.
Endlich wieder Kurbetrieb
Jahrelang hatte die polnische Verwaltung Swinemündes vergeblich die Rückgabe des Kurviertels gefordert. Erst Gespräche auf höchster politischer Ebene brachten die Lösung. Im Jahr 1957 wurde zwischen der Volksrepublik Polen und der UdSSR ein Abkommen über die Rückgabe des Swinemünder Kurviertels an die Stadt geschlossen. Bis Ende 1959 sollte hiernach die sowjetische Garnison das Areal verlassen haben. Der Umzug wurde jedoch erst drei Jahre später vollständig beendet. Die kaiserlichen Swinemünder Kasernen nutzten die Russen gar bis zu ihrem Abzug aus der Stadt im Jahr 1992.
Ab 1960 wurden in das Kurviertel
300 Millionen Złoty investiert. Im selben Jahr konnten die ersten 374 polnischen Gäste das Kurviertel und den Strand nutzen. In kurzer Zeit entstanden 60 sozialistische Betriebsferienheime. Im Jahr 1965 zählte man 9000 Kurgäste.
Aufschwung seit Schengen
Heute hat die Zahl der jährlichen Übernachtungen längst die Millionengrenze überschritten. Die Stadt zählt mit ihren neuen, recht großen Hotels, neben Kolberg [Kołobrzeg], Zoppot [Sopot] und Misdroy [Międzyzdroje] zu den bekanntesten und beliebtesten Badeorten an der polnischen Ostseeküste. Die seit 1945 bestehende Randlage Swinemündes ist heute passé. Die Stadt ist mit dem Ostseebad Heringsdorf durch die längste Strandpromenade Europas und mit Misdroy seit 2023 durch einen Straßentunnel unter der Swine verbunden.
Seit dem Beitritt Polens zum Schengener Abkommen im Jahr 2007 gibt es zwischen Swinemünde und dem benachbarten Ostseebad Heringsdorf einen Kooperationsvertrag von dem beide Seiten profitieren. Die Grenznähe bringt für Heringsdorf und für Swinemünde Vorteile: Während für den Kurbetrieb in Heringsdorf die fleißigen polnischen Fachkräfte von existentieller Bedeutung sind, so sind für Swinemünde die deutschen Kur- und Tagesgäste unverzichtbar.