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Politik

Das politische Versagen kommt nicht von ungefähr

Im gegenwärtigen Impfstoff-Drama offenbart sich wieder einmal die eklatante Führungsschwäche der Bundeskanzlerin. Die Folgen sind gravierend

René Nehring
03.03.2021

Rund zehn Wochen nach der Zulassung des ersten Corona-Impfstoffs in der Europäischen Union lässt sich das Versagen der politischen Führung in Berlin und Brüssel nicht mehr kaschieren. Während Israel, die USA und Großbritannien weite Teile der Bevölkerung gegen das Virus immunisiert haben, sind in Deutschland gerade einmal vier Prozent der Bürger geimpft.

Anstatt wie Benjamin Netanjahu, Donald Trump oder Boris Johnson unbürokratisch den rettenden Impfstoff zu sichern, übergab die Bundesregierung die Beschaffung an eine Instanz, die im Laufe der Pandemie keinen einzigen Beitrag zur Lösung beigetragen hatte – die EU-Kommission. Die Konsequenz ist eine Fortsetzung des Lockdown auf unbestimmte Zeit.

Das Scheitern eines Politikstils

Seit ihrem Amtsantritt wurde Angela Merkel von Kommentatoren oft attestiert, Probleme „vom Ende her“ zu denken; also alle Optionen abzuwägen, bevor sie sich in einer Angelegenheit festlegt. Doch immer mehr zeigt sich, dass ihr Zögern in wesentlichen Fragen kein strategisches Abwägen ist, sondern ein taktisches Zaudern, bei dem es vor allem darauf ankommt, dass ihr eigenes Image keinen Schaden nimmt.

Seit die damalige Oppositionsführerin mit einem wirtschaftsliberalen Kurs bei der Bundestagswahl 2005 fast gescheitert wäre, vermeidet die geschickte Taktiererin in gravierenden Fragen voreilige Festlegungen und inhaltliche Führung.

Als die SPD in der ersten Großen Koalition die teilweise Rücknahme der Hartz-Reformen forderte, gewährte Merkel den Genossen, was diese wollten – vermied sie damit doch, erneut als kaltherzig dazustehen. Als im März 2011 ein Tsunami zur Reaktorkatastrophe von Fukushima führte, verkündete Merkel aus Angst, die CDU könnte die anstehenden Landtagswahlen in Baden-Württemberg verlieren, den beschleunigten Ausstieg aus der Atomenergie, obwohl Rot-Grün Jahre zuvor bereits mit der Energiewirtschaft das mittelfristige Abschalten der deutschen Kernkraftwerke vereinbart hatte. Und als die Führung der Bundespolizei im Sommer 2015 nicht ausschließen konnte, dass eine Sicherung der Grenzen zu „unschönen Bildern“ führen und es gar zum Einsatz von Schusswaffen kommen könnte, ließ Merkel die nach Deutschland strömenden Migranten ungehindert ins Land ziehen.

Das Ausmaß der Führungsschwäche zeigt sich zumal im Vergleich zu Merkels Vorgängern. Gerhard Schröder nahm für die Agenda 2010 historische Mitglieder- und Stimmenverluste für die SPD in Kauf. Helmut Kohl verhandelte in weniger als zwölf Monaten nach dem Fall der Berliner Mauer gegen zahlreiche Widerstände im In- und Ausland die staatliche Einheit zwischen Bundesrepublik und DDR. Und Helmut Schmidt schickte, als im Herbst 1977 die Lufthansa-Maschine „Landshut“ entführt wurde, die GSG 9 nach Mogadischu, um dem Terror ein Ende zu bereiten – dabei in Kauf nehmend, dass es auch zivile Opfer geben könnte. Undenkbar, dass Angela Merkel in einer dieser Situationen ähnlich entschlossen gehandelt hätte.

Das Brüsseler Pendant

Nun also das Versagen in der Corona-Krise und das Verstecken hinter „Brüssel“. Dass auch die EU nicht funktioniert, liegt nicht zuletzt an einer alten Merkel-Vertrauten: Kommissionspräsidentin Ursula v. der Leyen. Auch sie eine Politikerin, die in allen bisherigen Ämtern darauf bedacht war, „eine gute Figur zu machen“ und die Übernahme von Verantwortung zu vermeiden. Die meinte, eine unterfinanzierte und zutiefst verunsicherte Armee mit „familiengerechten Arbeitszeiten“ und Schwangerenuniformen reformieren zu können – und anstatt entlassen zu werden an die EU-Spitze befördert wurde.

Das einzige Mal, wo Angela Merkel in einer Krise entschlossen handelte, war 1999, als die damalige CDU-Generalsekretärin in der Spendenaffäre um Altkanzler Kohl forderte, die Partei müsse sich von ihrem Übervater emanzipieren. Damals ging es freilich um die eigene Karriere – und sie konnte sicher sein, die Mehrheit der Medien auf ihrer Seite zu haben.
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Kommentare

Dr. Dr. Hans-Joachim Kucharski am 05.03.21, 09:39 Uhr

Die Vorgaben der Politik zur Kompensation der Coronapandemie werden immer absurder; auf Beispiele dazu verzichte ich. Warum läßt sie nicht jeden sein Gewerbe betreiben, sein Geschäft oder seinen Betrieb öffnen und somit selbst entscheiden, der belegen kann, Vorkehrungen getroffen zu haben, mit denen eine Ansteckung nach menschlichem Ermessen ausgeschlossen ist? Beispielsweise könnte sogar der Betreiber eines Geschäfts für Tintenpatronen, dessen Laden für einen Kundenaufenthalt zu klein ist, sein Geschäft weiter betreiben, indem er seine Kunden draußen vor der Tür bedient. Auch in vielen großen Geschäften herrscht gähnende Leere. Der Berührungskontakt ist dann und dort deutlich geringer als bei einem Friseur, der öffnen darf,
Diese Alternative hat allerdings einen gravierenden Haken: Politiker können sie nicht wollen. Für Politiker ist der Machtverlust, alle Regeln allein bestimmen zu dürfen, nicht hinnehmbar. Deswegen ist für Politiker ihr Verordnungswirrwarr alternativlos und somit fortzusetzen.

Lothar Liedtke am 04.03.21, 19:02 Uhr

Wenn Männer ein Land ruinierten, geschah das meist durch Krieg.
Merkel hat den Beweis erbracht, Frauen können das auch ohne Krieg und sogar noch viel nachhaltiger.

Siegfried Hermann am 03.03.21, 21:43 Uhr

Werter sitra achra,
warum so pessimistisch!?
Die Total-Zerstörung von Land und deutschen Volk ist doch Merkel höchstpersönliche Agenda, der sie alles andere unterordnet. Und das tut sie in der Tat gut.... zerstören.
1998
Das sie sich durchgesetzt hat, hat imho mehr damit zutun, dass sich Wulf, Koch, Wissmann, Bouffier und Schäuble nicht einig waren, wer nun das Rennen macht. Also haben sich die Herren raus gehalten, abgewartet, ob sie krachend scheitern würde. Das war ein Denk-Fehler!

Jan Kerzel am 03.03.21, 16:19 Uhr

Wer 16 Jahre Bundeskanzlerin ist, der ist und kann nicht führungsschwach sein. Taktisch ist sie schlau und sie steuert Synergieeffekte, deshalb gibt es praktisch keine Opposition. Sechs Parteien mit ruhiger Hand schleichend und effektiv zu vereinigen, das ist eine enorme politische Leistung und wird so schnell nicht wieder vorkommen. Von der Steuerung der Medien wollen wir hier erst gar nicht reden, ein Traum. Die staatlichen Rundfunksender , unendlich an der Zahl, überbringen nur noch die frohe Botschaft an die erwartungsfrohe Bevölkerung. Frau Dr. Merkel hat es einfach drauf, das muss man neidlos anerkennen.

89 erlebt Schlömmer am 03.03.21, 15:06 Uhr

Sehr nett geschrieben, aber leider viel zu kurz gesprungen. Aus welchem Holz Merkel geb. Kastner (Kazmirziagk) wirklich ist, war jedem Ossi der Wendezeit klar. Eine "bekennende Christin", die parallel als Agitatorin der FDJ missionierte UND dann noch im Besitz eines DDR Reisepasses (wie ihre FDJ Freundin Karin-Göhring-Eckhardt) war, setzt (e) alles daran, die Bonner Republik zu dem zu machen was sie unter Merkel geworden ist: Ein Abklatsch der DDR.

sitra achra am 03.03.21, 11:45 Uhr

Wieviele Böcke will Merkel denn noch schießen?
Woher kommt diese Lammsgeduld, ihr dies alles durchgehen zu lassen?
Irgendwie habe ich den Eindruck gewonnen, dass Frauen in der Politik besser nichts verloren hätten.

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