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Baden-Württemberg

Das Prunkschloss der Kirchenherren

Prachtvoll bauen und dabei sparen – 300 Jahre Fürstbischöfliche Residenz Bruchsal

Veit-Mario Thiede
05.06.2022

Damian Hugo Philipp von Schönborn-Buchheim (1676–1743) war ab 1719 Fürstbischof von Speyer. Da er die „zanksichtigen Speyerer“ fürchtete, suchte er andernorts nach einem Bauplatz für seine Residenz. Er entschied sich für Bruchsal: „Ich habe mein tag kein schönere situation von allem gesehen.“ Hier legte er am 27. Mai 1722 den Grundstein zu seiner Residenz.

Der Fürstbischof und sein Nachfolger Franz Christoph von Hutten (1706–1770) schufen ein aus zahlreichen Bauwerken bestehendes barockes Meisterwerk. Am 1. März 1945 fiel es in weiten Teilen dem einem Bombenangriff folgenden Feuersturm zum Opfer. Die akribische Rekonstruktion, die 1947 begann und 70 Jahre später mit der Wiedereröffnung der fürstbischöflichen Appartements vollendet wurde, gehört zu den ganz großen Leistungen des Wiederaufbaus.

Den Besucher empfängt ein schmuckes Ensemble von weit über 30 Bauwerken. Die meisten sind an einer einen Kilometer langen und bis zu 350 Meter breiten Achse symmetrisch aufgereiht. Die außergewöhnlich hohe Zahl der Residenzgebäude erklärt sich daraus, dass Fürstbischof Schönborn kein Verwaltungszentrum haben wollte, sondern jeder Behörde einen eigenen Sitz erbauen ließ. Heute residieren in den Gebäuden zum Beispiel das Amtsgericht und das Finanzamt.

Die Hauptgebäude des Residenzviertels gruppieren sich um den Ehrenhof. Den betritt man durch das Tor des Schlosswachthauses, zu dessen Seiten das Hofzahlamt und das Hofkontrollamt stehen. Das Residenzschloss umgrenzt den Ehrenhof mit dem Kirchflügel, dem Kammerflügel und dem Hauptgebäude (Corps de Logis).

Was aus einiger Entfernung wie aufwändiger plastischer Fassadenschmuck wirkt, entpuppt sich beim Näherkommen als schöner Schein. Eine verblüffende Besonderheit der Bauwerke besteht nämlich darin, dass viele Elemente der architektonischen Gliederung nur aufgemalt sind. Selbstverständlich gehörten zur Selbstdarstellung des Kardinals und Fürstbischofs Schönborn repräsentative Bauwerke. Aber er musste und wollte sparsam bauen.

Das erklärt den Einsatz der illusionistischen Architekturmalereien. Für die sorgte Giovanni Francesco Marchini. Die nach seinen Vorbildern rekonstruierten Grisaillemalereien stellen zum Beispiel die nackte Venus in eine ebenfalls gemalte Nische der Fassade des Kammerflügels oder setzen den mit Fass und Laterne ausgerüsteten Philosophen Diogenes an das südliche Orangeriegebäude.

Auch das gemalte Innenleben im Erdgeschoss des Corps de Logis geht auf Marchini zurück. Das Deckenfresko der Eingangshalle feiert den erfolgreichen Kampf des Guten gegen das Böse: Die weiblichen Personifikationen der sieben christlichen Tugenden vertreiben das von einem Drachen und zwei Männern verkörperte Laster. Weiter geht es in einen als Grotte mit Landschaftsausblicken ausgemalte Raum. Steinbänke laden zur Rast ein. Wer auf sie reinfällt, sitzt unweigerlich auf dem Hosenboden. Denn die Bänke sind nichts anderes als illusionistische Wandmalerei.

Von zwei Treppenläufe kann man in die Grotte hinabschauen. Der Entwurf dieser ovalen Treppenanlage stammt vom berühmten Barockbaumeister Balthasar Neumann und gilt wie die Treppe der Würzburger Residenz als eines seiner Meisterwerke.

Rekonstruierte Deckenmalereien

Neumanns originelle Treppenanlage führt uns hoch zur Beletage, deren drei Festsäle den repräsentativen Höhepunkt der Residenz bilden. Denn Fürstbischof von Hutten ließ sie von herausragenden Künstlern prachtvoll ausstatten. Für die üppig vergoldeten Stuckaturen engagierte er Johann Michael Feichtmayr. Die Deckenfresken ließ er von Johann Zick in den 1750er Jahren ausführen.

Dank zahlreich vorhandener Fotografien haben Wolfram Köberl und Karl Mannlinger in den 1960er Jahren getreue Kopien von Zicks Deckenmalereien geschaffen. An der Decke des Kuppelsaals ist das Wirken der göttlichen Vorsehung in der Geschichte des Fürstbistums Speyer zu sehen. Hier treten Schönborn und Hutten als Bauherren auf.

Das Deckenfresko des Fürstensaals stellt Gestalten der antiken Mythologie und christliche Tugenden als Beschützer der fürstbischöflichen Länder dar. An der Decke des Marmorsaals sehen wir die Beschwörung beständigen Wohlergehens des Fürstbistums. Kurios ist dabei der Umgang mit der Glücksgöttin Fortuna. Ein Putto stutzt ihr die Flügel, während Herkules sie an eine Säule fesselt, um sie am Verlassen des Fürstbistums zu hindern. Sie nimmt es lächelnd hin.

In den beiden fürstbischöflichen Appartements werden rund 350 Gemälde und Bildteppiche, Möbel und weitere wertvolle Objekte der originalen Schlosseinrichtung präsentiert. Anlässlich des Residenzjubiläums gesellen sich zu ihnen die Gemälde und Aquarelle einer Sonderschau. Diese aus dem 19. und frühen 20. Jahrhundert stammenden Bilder zeigen Ansichten der Schlossräume vor ihrer Zerstörung im Zweiten Weltkrieg. Zu sehen sind sie in den Räumen, die auf ihnen dargestellt sind.

Auch die beiden im Schloss residierenden Museen – das Städtische Museum und das Deutsche Musikautomaten-Museum – beteiligen sich mit Sonderführungen und Ausstellungsobjekten an den Feierlichkeiten. So präsentiert das Musikautomaten-Museum zum Beispiel die mit einem Flötenwerk ausgerüstete „Elefantenuhr“ (1750), die bereits zur originalen Schlossausstattung gehörte. Nach der Festwoche Ende Mai ist das im Ehrenhof und auf der Gartenterrasse veranstaltete Schlossfestival, dessen acht Freiluft-Konzerte vom 28. Juli bis zum 7. August stattfinden, ein weiterer Höhepunkt der Jubiläumsfeiern.

• Informationen www.schloss-bruchsal.de und www.bruchsal-erleben.de


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