Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung
Wohnraummangel droht sich weiter zu verschärfen: Ist Berlin auf dem Weg zu Londoner Verhältnissen?
Geht es um bezahlbare Wohnungsmieten, dann gilt Großbritanniens Hauptstadt aus Sicht der Mieter als Albtraum schlechthin. Kaltmieten von umgerechnet 1600 Euro für eine durchschnittliche Wohnung und mehr sind in London mittlerweile keine Seltenheit mehr. Selbst Olaf Scholz warnte noch zu seiner Amtszeit als Bundesfinanzminister vor Zuständen wie auf dem Wohnungsmarkt in Britanniens Hauptstadt: „Wenn wir nicht Verhältnisse wie in London wollen, wo selbst Anwälte und Ärzte in Wohngemeinschaften leben, weil sie sich keine eigene Wohnung leisten können, müssen wir dagegen etwas unternehmen.“
Tatsächlich zählen die Wohnungsmieten an der Themse zu den höchsten in der Welt. Als Folge des hohen Mietpreisniveaus mussten in einigen Vierteln Londons sogar schon Schulen schließen, weil sich kaum noch Familien mit Kindern das Wohnen in einigen Innenstadtvierteln leisten können.
Das Immobilien-Beratungsunternehmen Catella stellte bei einem europaweiten Vergleich fest, dass Interessenten für Mietwohnungen in London eine durchschnittliche Kaltmiete von 33,10 Euro pro Quadratmeter zahlen müssen. Bei den deutschen Metropolen führte München mit 21,50 Euro je Quadratmeter. Für Berlin ermittelte das Beratungsunternehmen eine durchschnittliche Kaltmiete von 16 Euro bei Neuvermietungen.
Weniger Baugenehmigungen
Noch also ist der Unterschied bei den Mietpreisen zwischen London und Berlin beträchtlich. Allerdings sind auch in Berlin Entwicklungen erkennbar, die den Mietmarkt in London zu einem der teuersten der Welt gemacht haben. Beide Metropolen haben es trotz massiven Zuzugs beispielsweise nicht geschafft, in ausreichendem Maß Wohnungen, insbesondere für die Mittelschicht und Geringverdiener, zu bauen.
Wie der Bund hat auch das Land Berlin im Jahr 2023 erneut seine Wohnungsbauziele verfehlt. Vorgenommen hatte sich der Berliner Senat im vergangenen Jahr, dass in der Hauptstadt 20.000 neue Wohnungen gebaut werden sollten. Tatsächlich entstanden sind aber nur rund 16.000 Einheiten. Diese Zahl ist noch alarmierender, als es auf den ersten Blick scheint: Bis Projekte entwickelt sind und Baugenehmigungen vorliegen, vergehen drei bis fünf Jahre. Dies bedeutet, dass die 2023 entstandenen Wohnungen noch zu Zeiten geplant wurden, als die Rahmenbedingungen wesentlich besser waren als derzeit.
Vor diesem Hintergrund ist zu befürchten, dass sich die aktuelle Krise in der Wohnungsbaubranche erst in einigen Jahren mit ganzer Wucht bemerkbar machen wird. Schon jetzt befindet sich die Zahl der Baugenehmigungen für Wohnungen quasi im freien Fall. Nach Angaben des Statistischen Bundesamts lag die Anzahl genehmigter Wohnungen von Januar bis Oktober 2023 um 26,7 Prozent niedriger als im Vorjahreszeitraum. Die im vergangenen Jahr von Bundesregierung und Berliner Senat verfehlten Neubauzahlen sind damit nur ein Vorgeschmack auf die Lage auf dem Wohnungsmarkt, die in einigen Jahren droht.
Aus Berlin und Potsdam wird inzwischen über eine weitere alarmierende Entwicklung berichtet. In beiden Städten steht wegen der hohen Nachfrage nach Wohnraum immer weniger Wohnraum leer. In begrenztem Maß ist Leerstand aber notwendig, damit interessierte Mieter überhaupt umziehen können – sei es wegen der Miethöhe, der Wohnungsgröße oder weil sie zuziehen wollen.
In der Branche gilt daher eine Leerstandsquote von drei Prozent als wünschenswerte sogenannte Mobilitätsreserve. Schon Ende 2022 wurden allerdings aus Berlin und Potsdam Quoten gemeldet, die nur noch eine Null vor dem Komma hatten. In beiden Großstädten ist damit der Markt für Mietwohnungen aus Sicht von Experten nahezu eingefroren, da kaum noch Umzüge stattfinden.
Das Umland wirbt um Zuzügler
Ventil in dieser Lage auf dem Wohnungsmarkt ist für immer mehr Mieter das Ausweichen ins Umland oder sogar in den entlegeneren ländlichen Raum. Aus Berlin sind 2022 mehr als 33.000 Menschen ins Umland gezogen. Der Städte- und Gemeindebund hatte bereits im vergangenen Jahr darauf aufmerksam gemacht, dass „über 1,3 Millionen marktfähige Wohnungen, insbesondere in ländlichen Regionen, leer stehen“. Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebunds, regte in diesem Zusammenhang an, „Regionen mit guten Verkehrsverbindungen, etwa durch neue oder reaktivierte Bahnstrecken, besser zu erschließen, damit die Menschen dort gut und preiswert wohnen und leben können“.
Eine Stadt, die mit günstigen Mieten und einer guten Bahnanbindung bereits seit Jahren für sich wirbt, ist das brandenburgische Wittenberge. Die Elbestadt an der Eisenbahnlinie Berlin–Hamburg hat im November im Rahmen einer „Brandenburger Zuzugswoche“ auch in diesem Jahr Interessenten eingeladen, „die Prignitz auf Probe“ kennenzulernen. Ähnliche Aktionen haben Calau in der Niederlausitz, die Neißestadt Guben und der Landkreis Märkisch-Oderland organisiert.