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Seit 63 Jahren werden Wurst, Brezel, Polka und viel „German Gemütlichkeit“ zelebriert – Im letzten Jahr kamen 240.000 Besucher
Everything's bigger in Texas! So lautet der Slogan des größten US-Bundesstaates im Süden der USA. Und es stimmt tatsächlich – hier im Land der Cowboys, Weiden, Rinderfarmen, Ölpumpen und -felder sowie der schier unendlichen Weiten scheint wirklich alles größer als woanders zu sein. Die größten Donuts, die größten Steaks, die dicksten Trucks, die fettesten Burger, und das größte Rathaus haben sie hier auch. Das texanische Capitol in der Hauptstadt Austin ist s0gar größer als das in Washington. Darauf sind die Texaner besonders stolz.
Und noch etwas haben sie hier, das größer ist: das größte deutsche Fest außerhalb der Bundesrepublik. Nämlich das „Wurstfest“ in New Braunfels, einem kleinen – jedenfalls für amerikanische Verhältnisse – von deutschen Immigranten im Jahr 1845 gegründetes Städtchen nördlich von San Antonio und südlich von Austin gelegen. Gut 100.000 Einwohner zählt die City mit dem erkennbar deutschen Namen (Neu Braunfels). Hier geht es an sich recht beschaulich, eher etwas ruhiger zu. Doch genau das ändert sich schlagartig zu Beginn eines jeden Novembers – jedes Jahr seit 1961. Dann geht's hier rund. Dann ist Stimmung total angesagt und die ganze Stadt bebt regelrecht vor Feierlaune, oder wie es zu dieser Zeit hier heißt: „Ein Prosit auf die German Gemütlichkeit“ – das Ganze natürlich mit „rollendem R“ und amerikanischem Akzent. Und da ja in Texas, wie erfahren, alles „bigger“ ist, klingen auch die Worte „Prosit“ und „German Gemütlichkeit“ nochmal breiter und extra derb-amerikanischer.
Seit 1961 im Glanz der Wurst
In den beschaulichen Anfängen zu Beginn der 1960er Jahre verirrten sich nur wenige Menschen in eine zeltähnliche Markthalle. Das Wurst-Event diente nämlich 1961 ursprünglich nur einen Zweck: Es ging sprichwörtlich um die Wurst und war ein Wirtschaftstreffen der ortsansässigen Schlachter und der Vertreter der lokalen fleischverarbeitenden Industrie. Initiator war der Boss der Fleisch-Lobby, Edgar
Alfred „Ed“ Grist, der als promovierter Veterinär nicht nur erster seiner Fakultät in Stadt und Gemeinde war, sondern nach dem Zweiten Weltkrieg auch für die Reinheit und Qualität des Fleisches zuständig. Und bei diesem Treffen boten die Metzger und Fabrikanten halt so ganz nebenbei ihre Waren und Produkte an.
Bereits 1967 zog man aufgrund der immer positiveren Resonanz in die Wursthalle auf dem Lana Park-Gelände. In nur fünf Jahren war auf einmal aus einem unspektakulären Wursttreffen ein fröhliches Volksfest geworden. Zudem erinnerte man sich an die eigenen deutschen Wurzeln der Stadt. Was also lag näher, als der Festivität einen deutschen Anstrich zu verpassen? Neben der besagten Wurst, ein Lebensmittel, das nach Ansicht der meisten Amerikaner kaum deutscher als deutsch sein kann, wurden fortan ebenso Rouladen, Schnitzel, Schinken sowie literweise Bier angeboten und ausgeschenkt. Tataaa! Eine Institution war geboren. Und so wurde das Wurstfest über die Jahre hinweg zum größten deutschen Volksfest in den USA. Betonung auf „das größte ...“, denn bekanntermaßen ist ja alles in Texas größer – somit auch die Volksfeste.
Im vergangenen Jahr besuchten rund 240.000 Menschen die Festivität, die sich auch in diesem Jahr vom ersten bis zum 10. November wieder auf die ebenso hungrige wie durstige Besuchermeute freut. „Wir können es kaum noch erwarten, bis es endlich wieder losgeht!“, lacht Scott Krueger, selbstständiger Innendesigner aus dem 30 Fahrminuten entfernten San Antonio. Scott und seine Frau Nellie kommen schon seit Jahren im November ins niedliche New Braunfels. „Das Bier schmeckt lecker, die Würste sowieso und dazu herrscht hier eine großartige Stimmung. Die Musik ist so lustig, die Tänze auch, und alle sind gut drauf. In Deutschland muss es wunderbar sein, wenn die Menschen so feiern können wie hier auf dem Wurstfest“, lacht er und winkt mit einem Stapel Getränkemarken. Die muss man nämlich beim Eintritt extra kaufen, weil an den Ausschankstellen kein Geld oder Kreditkarten angenommen werden.
Nur die „Fressalien“ zahlt man gleich und bar vor Ort. Und damit das Kleingeld niemals ausgeht, sind an gefühlt jeder Ecke auf dem Gelände ausreichend viele Geldautomaten aufgestellt worden. Der Eintritt und damit Zutritt zum Gelände kostet aktuell zwischen 18 und 25 Dollar für ein Tagesticket, je nachdem, wann man mitfeiern will. Sonnabends ist es mit 25 Dollar am teuersten, weil dann auch am meisten los ist und die Bands es auf den vielen Bühnen so richtig krachen lassen.
Stimmungsland Deutschland
Ja, es sind viele deutsche Töne auf dem Wurstfest zu hören. Die meisten an diversen Verkaufsständen, wo so mancher Auswanderer typisch deutsche Waren anbietet. Von der echten, originalen Kuckucksuhr (manche auch mit „Made in China“-Etikett) über Spitzen- und Klöppeldecken bis hin zur Trachtenlederhose, Hüte, Mützen, Hosenträger oder anderer Souvenir-Schnickschnack.
Auch immer mehr deutsche Touristen kommen in den vergangenen Jahren in den Lana Park, der mittlerweile von den Organisatoren fest gepachtet ist, selbst wenn im restlichen Jahr auf dem Gelände, an dem ein kleines Flüsschen vorbeizieht, nichts los ist. Der Lana Park ist fest in Wurstfesthand und nur dafür da, um hier an zehn Tagen im Jahr – man muss es so sagen – die Sau rauszulassen. Die „German Gemütlichkeit“ zieht wie ein Magnet Menschen fast aus aller Welt an, wenn auch etwas verklärend wie bei Scott. Als ihm erklärt wird, dass in Deutschland wegen grüner Ideologie, die von der Presse kräftig unterstützt wird, immer weniger Fleisch verzehrt wird, dafür aber Hafermilch, vegane Kost und Fleischersatzprodukte auf dem Vormarsch sind, kann er es kaum fassen. „Aber das ist doch so schön und macht so viel Spaß!“, entgegnet er kopfschüttelnd und fügt lachend hinzu: „Und schmecken tut es außerdem auch. Gibt's denn wenigstens noch Sauerkraut?“ Ist nicht mehr so richtig bei jungen Deutschen in Mode, wird ihm mitgeteilt, was er fast nicht glauben will.
Polka-Truppe aus Schlesien
Für Spaß wird auf dem Wurstfest gleich massenhaft gesorgt. Und da die Amis Klischees lieben, wird ihr ohnehin kurioses Bild von den Deutschen und Deutschland per se gleich noch weiter gefestigt. Schwarzwaldhütchen, Dirndlkleid, Lederhose – so oder so ähnlich sieht für den Durchschnittsamerikaner im Hinterkopf ein durchschnittlicher Deutscher aus – vom Bodensee bis ins tiefste Preußen. Deshalb dominieren auch weiß-blaue Farben (von den üblichen Stars-and-Stripes-Flaggen einmal abgesehen), die für auffallend bayerisches Ambiente sorgen, dazu Sepplhüte, viele karierte Hemden sowie fesche Dirndl. Nur das Bier wird noch am liebsten in amerikanischer Sitte aus dem Pitcher getrunken. Das ist ein Krug mit Ausguss, der knapp zwei Liter Bier oder eine halbe amerikanische Gallone fasst. Wer braucht da schon einen kleinen Ein-Liter-Humpen? An dieser Stelle sei daher noch einmal an den Slogan erinnert: Everything's bigger in Texas – auch die Humpen als Pitcher!
Und wer genug Gerstensaft intus hat, der macht dann in einem der vielen großen Bierhallen und -Zelte so richtig Rabatz. Auf dem Tanzparkett zu Schunkelmusik, schmissigen Blaskapellenliedern und dem allgemein bekannten deutschen Stimmungsliedgut. Zwischendurch erschallt immer wieder der Ruf „Zickezacke, zickezacke, hoy, hoy, hoy! Hoch die Tassen!“ Und schon wandern Humpen, Pitcher oder Plastikbecher an die bierfeuchten Lippen. Klar, gejodelt wird auch zwischendurch – original natürlich – mit frisch importierten Kehlkopfkünstlern aus Bayern oder Österreich (Achtung! Gefühlt gehört die Alpenrepublik für den schlichten Ami eher zu Bayern).
Auch die Blasmusik ist original, teilweise sogar Wiesn-erfahren vom Oktoberfest in München. Quasi zur Abkühlung treten zwischendurch auch mal ein paar Texasbands auf, die ein bisschen Southern Rock oder flotten Country zum Besten geben. Sonst die Renner und Reißer, müssen sie sich aber diesmal mit der zweiten Reihe begnügen, denn die unangefochtenen Stars sind eben Bläser, Schuhplattler und andere Volksmusikanten „Made in Germany“. Selbst so manche Polka-Truppe aus Böhmen und aus Schlesien enterte schon die texanische Bühne unter Jubel und Gejohle. Alles, was deutsch klingt, schmeckt und duftet ist an den Tagen des Wurstfestes halt ein Hit. Und weil es auf dem Wurstfest um die Wurst geht, ist die auch in allen Variationen zu haben – vom Grill, vom Rost, gebrüht, gebraten, gegrillt, mit Käse, mit Kräutern, mit Knoblauch, mit Speck, mit ... die Auswahl ist schier grenzenlos. Und der Genuss daran ebenso, wie die T-Shirt-Aufschrift eines Wurstfest-Besuchers dokumentiert, auf dessen Brust zu lesen steht: Jesus loves me – and my Wurst! Na, dann kann ja nichts mehr passieren. „Ich weiß gar nicht, wie viele Wurstsorten und Fleischgerichte wir auf dem Wurstfest im Angebot haben. Gute Frage, dass muss ich einmal in Erfahrung bringen“, gesteht New Braunfels' Bürgermeister Neal Linnartz und beißt voller Genuss in ein perfekt geröstetes Prachtwurstexemplar, eine Mischung aus Schwein, Rind und ganz viel Speck. Und dazu gibt's natürlich „Pretzels“. Das sind die amerikanischen Verwandten der süddeutschen Brezel aus Laugenteig. An Wurstfesttagen ein kulinarischer Renner.
Wenn „Danish“ deutsch ist
Apropos Renner – so einen hat Scott jetzt auf dem Kopf. Denn Seppl-Hüte mit künstlichem Gamsbart sind schwer angesagt bei den Amerikanern, die sonst lieber ihre Baseballkappen tragen. Nein, heute ist „Sepplhut-Day“ – und die am liebsten mit witzigen Pins am Hutband verziert. Darauf zu sehen ist alles, was auch nur mit Deutschland und dem Oktoberfest im Entferntesten Ähnlichkeit haben könnte. Bierkrüge, Edelweiß, Berglandschaften, deutsche Fahnen – ja, die sieht man hier in einer großen Anzahl, wie sie in Deutschland selbst am 3. Oktober nicht aufgehängt werden. In Texas mag man eben alles Deutsche. Wenngleich die Kuchenstücke nichts mit deutscher Backkunst zu tun haben. Auch wenn die Festtagsbude „Deutsche Bäckerei“ heißt. Gut gedacht, weniger gut gemacht. Denn verkauft werden „Danish“-Teile. Wie es der Name schon selbst sagt: „Dänisch“ und Dänemark gehört nun mal nicht zu Deutschland. Als das Verkäuferin Lizzy erklärt wird, kommt als Antwort ein Lachen und „Schmecken aber trotzdem gut!“. Stimmt, denn der herzhafte Biss in den süßen Kopenhagener unterstreicht den Aussagewahrheitsgehalt der lustigen Bäckersfrau.
Schnitzel on a stick, Jumbo-Burger und Corn Dogs – all diese typisch amerikanische Speisen stehen auf dem Wurstfest ebenso zur Auswahl. Und so beschleicht einen fast unfreiwillig das Gefühl, dass es sich bei diesem gigantischen Volksfest um eine Art Oktoberfest mit amerikanischer Attitüde handelt. Der Mix macht's eben.
Ob in den Zelten oder draußen an den zahlreichen Biertischgarnituren – die Texaner und alle Gäste von New Braunfels haben Spaß. Da wird das Maßkrugstemmen beinahe zum Kinderspiel. Stramme Kerle und echte Cowboys halten am ausgestreckten Arm einen vollen Maßkrug vor sich. Wer es am längsten aushält, hat gewonnen. Und bei so manchem verzieht sich das Gesicht schon zunehmend schmerzerfüllt und überanstrengt nach bereits wenigen Sekunden. Ja, so ein voller Bierhumpen ist schwer. Aber was tut man nicht alles für die verlockende Aussicht, den Rest des Tages mit ordentlich Freibier feiern zu können.
Der perfekte Mix aus amerikanischer Coolness, Freundlichkeit und Lebensspaß gemixt mit deutscher Tradition, Qualität und Gaumenfreuden, dabei kann doch nur etwas Großartiges herauskommen. Etwas, das so groß ist wie das Wurstfest
Emil Alfter am 24.11.24, 13:24 Uhr
Als die Grünen in die Regierung kamen seinerzeit, schrieb ich an meine Frau, sie war in Kopenhagen (Sie ist Dänin) :...und sie werden ein freudloses, von Idiologie und religösem Klimawahn verwüstetes Land zurücklassen.
So ein tristes Deutschland werden wir noch nie erlebt haben". Und so ist es heute. Da täuscht auch der rheinische Karneval nicht drüber hinweg.
Mit freundlichen Grüßen, Emil Alfter
Gregor Scharf am 05.11.24, 16:09 Uhr
Das mit der grünen Ideologie ist im negativen Sinne rekordverdächtig. Welches Volk lässt sich innerhalb eines Jahrhunderts gleich dreimal in ein ideologisches Gefängnis sperren und hält sich obendrein noch für intelligent?