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Politik

Demokratie in den letzten 200 Jahren

Die Historikerin Hedwig Richter polarisiert mit ihrer Sicht der Geschichte die Fachwelt. Auf den Bestseller reagieren viele ihrer Kollegen empört

Dirk Klose
22.05.2021

Von der Parteien Gunst und Hass verwirrt – Schillers Diktum über Wallenstein trifft auch auf das Demokratiebuch von Hedwig Richter zu: In kürzester Zeit erreichte es Platz 1 der „Spiegel“-Bestsellerliste; zugleich aber wurde es von mehreren Fachhistorikern geradezu gnadenlos zerrissen, was wiederum von anderen empört zurückgewiesen wurde. Lange hat kein Buch so aufgeregt.

Die so sympathisch jugendlich und unbekümmert wirkende Autorin – sie ist Professorin an der Bundeswehrhochschule München – hat längst in den sozialen Medien eine treue Gemeinde. Ihr Buch über die „deutsche Affäre“ ist in einem vergleichsweise heiteren und optimistischen Ton geschrieben. Verkürzt gesagt ist die Demokratie nach Richters Auffassung seit 1800 immer vorangekommen, und heute können wir alles in allem rundweg zufrieden sein: „Demokratie ist eine wunderbare und wunderliche Geschichte. Sie ist eine Affäre voller Krisen, aber auch voller Glück und Neuanfang, gerade für die Deutschen.“

Letztlich rekapituliert die Autorin die deutsche Geschichte der letzten 200 Jahre unter diesem Aspekt. Wie ein Pfadfinder entdeckt sie Wege demokratischen Gedankenguts: im Mitleid für Arme und Kranke, was zumal Frauen in die Politik trieb; in den Kriegen von 1813; im Paulskirchenparlament von 1848/49; in der wachsenden Proletarisierung ab den 1870er Jahren; im 20. Jahrhundert in den Schrecken der Weltkriege; in den Jahrzehnten nach 1945, als ein „Konsenskapitalismus“ die Deutschen, „Konservative und Linke und Liberale, Alte und Junge“ einte.

Immer wieder kommt sie, was etwas befremdlich wirkt, auf die „Befreiung des Körpers“ zu sprechen. Das steht symbolisch für die Abschaffung der Sklaverei in Europa, für die allmähliche rechtliche Gleichstellung der Bauern, für den Schutz der Kinder vor zu früher Arbeit und vor allem für die langsame, aber unaufhaltsame Emanzipation der Frau. Nicht von ungefähr wirken diese Passagen mit besonderem Nachdruck geschrieben.

Es ist ein Buch, das man in ständigem Pro und Contra liest, denn nicht alles überzeugt, aber das kennzeichnet ein gutes Buch. Das Buch sei ein „veritables Ärgernis“ urteilte der renommierte Münchner Historiker Andreas Wirsching; sein Trierer Kollege Christian Jansen konstatierte „fragwürdige Kategorien und Bewertungen“. Was also tun? Da hilft nur eins: selber lesen! Es liegt bereits die dritte Auflage vor.


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