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Debatte

Denunziation als Führungsmittel?

Das Kommando Spezialkräfte im Verriss

Richard Drexl
03.07.2020

Die Bundeswehr ist in einer höchst schwierigen Phase. Jahrzehntelanger Abbau von Personal und Material zur Befriedigung der Sparorgien, eine ausgeuferte Struktur mit zahllosen Stäben, Kommandobehörden und Sonderorganisationen und nicht zuletzt ein kopflastiges Personaltableau, in dem inzwischen jeder vierte Soldat als Offizier bezahlt wird. Es ist eine Herkulesaufgabe, die Armee in eine wieder einsetzbare Form zurück zu wandeln.

Die Bundeswehr hat es aber auch nicht leicht als Armee in einer grundpazifistischen Gesellschaft. Der potentielle Einsatz von Gewalt ist Bürgern und Politik gleichermaßen suspekt, sie lösen ihre Probleme lieber im Stuhlkreis mit schönen Formulierungen. Wer mit Waffen und Munition hantiert, dem wird nahezu automatisch der rechte Dunstkreis umgehängt: Die Linken sind friedliebend und gewaltfrei, alle Rechten sind Extremisten. So geht – arg verkürzt – die Mär in unserem Lande.

Die vermeintliche Gefahr von rechts

Bei dieser Ausgangslage verwundert es nicht, dass hinter jedem entdeckten Extremisten in Uniform staatsgefährdende Strukturen vermutet werden. Dabei mussten zwischen 2008 und 2018 gerade einmal 199 Rechtsextreme entlassen werden. Auch wurden 32 Islamisten und 14 Linksextreme identifiziert. Nicht anders stellt sich die Lage im Jahre 2019 dar, trotz der von Bundesregierung, Militärischem Abschirmdienst (MAD) und Medien ausgerufenen rechten Gefahr. 14 Extremisten konnten enttarnt werden, darunter acht Rechtsextremisten, vier Islamisten und zwei sogenannte Reichsbürger. Die Bundeswehr als Ganzes ist davon völlig ungefährdet, ein seit Jahrzehnten stabiler und staatstreuer Faktor – in einem politisch zerrissenen Land.

Unzweifelhaft ist dennoch jeder (Rechts-)Radikale einer zu viel. Gemessen an der Größe der Bundeswehr sind ca. 200 in zehn Jahren oder acht in einem Jahr allerdings eine überschaubare Zahl. Die Gesamtheit der Soldaten auf dieser Basis unter Generalverdacht zu stellen, ist ein durchsichtiges Schurkenstück, gegen das sich allerdings inzwischen auch liberale und konservative Parteien nicht mehr wehren. Das mediale Trommelfeuer verrichtet seine zerstörerische Wirkung.

Druck auf eine Eliteeinheit

Seit einiger Zeit steht diesbezüglich das Kommando Spezialkräfte (KSK) im Mittelpunkt des Argwohns. Ein einzelner Hitlergruß bei einer Abschiedsfeier oder ein Soldat, bei dem ein Waffendepot ausgehoben wurde, reicht aus, die Republik in Gefahr zu beschwören. Der MAD will 20 mutmaßliche Rechtsextremisten identifiziert haben. In der Vergangenheit haben sich allerdings oft genug vermutete Fälle in Wohlgefallen aufgelöst. Wenn dann noch ein KSK-Offizier mit einem mehrseitigen Schreiben an die Verteidigungsministerin als Kronzeuge auftritt und rechtsextreme Tendenzen in Verbindung mit Kadavergehorsam behauptet, brechen alle Dämme. Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer setzt eine Arbeitsgruppe ein, der Generalinspekteur und der Wehrbeauftragte lassen sich als Handlanger einteilen, um den rechten Dämon zu fassen zu kriegen.

Beklagt wird ein Korpsgeist und die toxische Führungskultur Einzelner. Tausende Schuss Munition und 62 Kilogramm Sprengstoffe würden fehlen. Der seit zwei Jahren amtierende Kommandeur war offenbar nicht in der Lage, diese Defizite abzustellen und für eine akzeptable Führungskultur zu sorgen. Dafür durfte er in der Arbeitsgruppe der Ministerin mitwirken und genießt weiterhin ihr Vertrauen. Seltsame Wege scheinen dies, entdeckte Ungereimtheiten zu beseitigen.

Apropos Korpsgeist: Eine Elitetruppe, die sich für extreme militärische Aufgaben vorzubereiten hat, kommt ohne Korpsgeist nicht aus. Ohne wohlverstandenen Gemeinschaftssinn geht es im Militär nicht, in dieser extrem geforderten Truppe schon gleich gar nicht. In gefährlichen Situationen sich blindlings auf den Anderen verlassen zu können, ist das Ziel der Übung. Dass dabei nationalsozialistische Symbole und Denkweisen nichts verloren haben, ist unbenommen.

Das Klageschreiben des Hauptmann J.

Schauen wir uns das Schreiben dieses KSK-Hauptmanns J., das nun zu den Bestrebungen der Ministerin geführt hat, die gesamte Einheit auf den Prüfstand zu stellen, etwas genauer an, es kursiert inzwischen im Netz. Das Traktat umfasst zwölf Seiten und ist unter Umgehung des Dienstweges direkt an die Ministerin gerichtet. Es wimmelt darin hochgestochen an Behauptungen von Verstößen gegen die Prinzipien der Inneren Führung, einer Kultur der Widerspruchslosigkeit und „eine(m) bislang nicht austrockenbaren Sumpf von der Zivilgesellschaft und der FDGO (Anm.: gemeint ist vermutlich die Freiheitlich-demokratische Grundordnung) entrückten Ansichten im KSK“. Eine „Unterwanderung und Prägung des Bereichs Ausbildung durch Kräfte des rechten Spektrums“ wird beklagt. Das „Leitbild des Staatsbürgers in Uniform“ werde mit Füßen getreten. Mit der Einstufung einer „charakterlichen Nichteignung zum Kommandosoldat“ würden missliebige Auszubildende abgelöst. Oberstleutnant O. und ein paar Andere treffen demnach ihre Entscheidungen nach Nasenfaktor und Gesinnung.

Soweit so schlecht, den – zunächst als Behauptung zu wertenden – Aussagen des Hauptmanns ist selbstverständlich nachzugehen. Diesen ist auch dann nachzugehen, wenn sich wie im vorliegenden Fall der – profilneurotische – Eindruck aufdrängt, es gehe dem Soldaten in der Hauptsache darum, die eigene Haut zu retten und seine Ablösung zu verhindern. Dass dabei auch finanzielle Interessen eine Rolle spielen, wird nicht mal verschwiegen. Es ist von 26.000 Euro Zulagen- und Boni-Verlust die Rede.

In über der Hälfte des zwölfseitigen Schreibens beklagt sich der Petent wortreich über drei Einzelfälle, dabei steht sein Casus über weite Strecken im Mittelpunkt. Im Kern ist der Soldat mit der von der Ausbildungsleitung betriebenen Ablösung vom KSK wegen „charakterlicher Nichteignung“ nicht einverstanden.

Auf dem Weg zum linientreuen Soldatendarsteller

Wenn Menschen über Menschen urteilen, können Fehlurteile zustande kommen. Ob das in diesem Fall so ist, bedarf der Bewertung Unabhängiger. Dafür gibt es – wenn man den eigenen Vorgesetzten nicht traut – in der Bundeswehr das prinzipiell bewährte Instrument des Wehrbeauftragten, der jährlich tausenden Eingaben nachgeht und ein neutrales Urteil zu fällen imstande ist.

Sich an den Vorgesetzten und dem Wehrbeauftragten vorbei direkt an die Leitung BMVg zu wenden, ist eine seit Ministerin von der Leyen sich verbreitende Unsitte, die geeignet ist, die Vorgesetztenverordnung auszuhebeln. Welcher Einheitsführer und Kommandeur geht noch schwierigen Einzelfällen nach, wenn ihm latent die Übersteuerung aus der Teppichetage droht? Ein Grund unter mehreren, weshalb es in der Bundeswehr Monate und Jahre dauert, bis Disziplinarverfahren zum Abschluss zu kommen.

Im vorliegenden Fall greift der Hauptmann – so ist zu unterstellen – aus egoistischen Motiven zur Extremismuskeule. Ein messerscharfes Schwert, dass immerhin für genügend Aufmerksamkeit sorgt. Wenn dieser Soldat nach den Worten der Ministerin daraufhin bei der praktischen Umsetzung der Neustrukturierung des KSK mithelfen soll, wird der Denunziant für sein Tun auch noch geadelt. In der Folge nimmt das gegenseitige Misstrauen unter den Soldaten zu, der Korpsgeist hingegen ab. Im berechtigten Bestreben, Extremismus in der Bundeswehr zu minimieren, wird die Gesinnungsprüfung so zu einheitlich ausgerichteten Soldatendarstellern führen. Ein Bärendienst für unsere Armee.

• Richard Drexl ist Oberst a. D. der Luftwaffe und Autor. Seit 2014 ist er Präsident des Bayerischen Soldatenbundes 1874 e.V. 2019 erschien das von ihm und Josef Kraus verfasste Buch „Nicht einmal bedingt abwehrbereit. Die Bundeswehr zwischen Elitetruppe und Reformruine“ (Finanzbuch-Verlag).


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Kommentare

Lutz Gerke am 14.07.20, 06:30 Uhr

Meines Erachtens ist das Schwert so scharf, weil wir uns falsch wehren.

Die meisten Zeitungen sind ein Sumpfgebiet. Die NZZ oder den Spiegel zu lesen, das ist, als würde man einsacken.
Die wissen selber nicht, wofür die stehen. Woher wollen andere das wissen?

Leider finde ich das Zitat nicht wieder, aber Jonathan Swift hat es erkannt, er sagte in etwa: Ideen fänden ihre Nachfolger, wenn sie nur genügend unklar wären.

Katzengebet dringt nicht in den Himmel. dt. Sprichwort

Siegfried Hermann am 05.07.20, 09:00 Uhr

Denunziation als Führungsmittel!

Natürlich! Schon Lenin sagte, Terror ist gut für bunt-faschistische regieren.

sitra achra am 04.07.20, 11:53 Uhr

Wer will diese Demokratie mit falschem Bart, dieses überaus toxische System schon mit seinem Leben verteidigen?
Der Großteil der Uniformträger ging doch nur zur Bw, weil ihnen wegen mangelnder Qualifikation nichts Besseres einfiel. Die Bw dient lediglich als Auffangbecken für Unterqualifizierte.
Eine Ausnahme bilden vielleicht die KSK, die aber durch die häßliche Krähe für alle Zeiten lädiert wurden.
Glauben die Wähler denn, dass eine solche fragwürdige Truppe wie die real existierende Bw sie vor politischer Erpressung und militärischer Bedrohung retten kann?
Es dürfte klar sein, dass die Aussichten dazu äußerst trübe sind.
Und so dämmern sie sorglos in ihrer treuherzigen Unbedarftheit dahin.

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