16.04.2025

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Preußenkönig Friedrich der Große war ein schlauer Feldherr – ebenso klug versuchte er die Staatskasse im Plus zu halten. Die rettende Lotto-Idee hatte nicht er, sondern ein berühmter Italiener
Bild: mauritius images / IanDagnall Computing / Alamy Stock Photos; mauritius images / artpartnerPreußenkönig Friedrich der Große war ein schlauer Feldherr – ebenso klug versuchte er die Staatskasse im Plus zu halten. Die rettende Lotto-Idee hatte nicht er, sondern ein berühmter Italiener

Glückssache

Der Alte Fritz als Lotto-King

Der große Preußenkönig brachte das staatliche Glücksspiel nach Preußen - um die Kassen zu füllen

Jens Eichler
13.04.2025

Was haben die Zahlen 193 und 26 Millionen gemeinsam? Auf den ersten Blick nicht sehr viel, auf den zweiten aber umso mehr. Gab es doch im Jahr 2024 immerhin 193 neue Lottomillionäre. Das ist ein wahrer Glücksrekord! Aber im Vergleich dazu waren es rund 26 Millionen Frauen und Männer, die auch versucht haben zu gewinnen, aber leer ausgegangen sind. Sie haben letztendlich mit ihrem Geldeinsatz die Siegprämien der knapp 200 Glückspilze ermöglicht, und dazu die öffentlichen Kassen auf diesem Wege gleich mit subventioniert. Denn auch wenn alle, die an dem Lotto-Glückspiel teilnehmen, verlieren sollten, gibt es einen, der dennoch immer gewinnt: der Staat.

Und weil das so ist, führte bereits Preußenkönig Friedrich der II, im Volksmund besser als der „Alte Fritz“ bekannt und später mit dem Ehrentitel „der Große“ belegt, das Lottospiel ein. Der Grund dafür war denkbar einfach: Es ging ihm bei der Initiative weniger um Volksbelustigung oder darum, den Untertanen etwas Spaß und Glück zu wünschen. Die eigentliche Ursache für sein Tun war der jämmerliche Zustand seiner Staats- und Kriegskassen, denn beide waren leer. Insbesondere nach dem Siebenjährigen Krieg (1756–1763), der nicht nur einen enorm hohen Blutzoll in Preußen gefordert hatte, sondern allen voran ein extrem teures Unterfangen war. So ist und war es bei jedem Krieg – nicht nur die Anzahl der gut ausgebildeten Soldaten, die ihren Militärsold stets pünktlich erhalten sollen, kostet viel Geld. Nein, auch Material aller Art, vom Kriegsgerät bis zur Patrone, von der Muskete bis zur Lanze, vom Panzer bis zum Pferd, Uniformen, Verpflegung, Unterbringung, Transport, Logistik – Krieg kostet halt sehr viel Geld. Damals wie heute. Und ein großer Feldherr, so wie es Preußenkönig Friedrich II. nun einmal war, musste daher stets darauf achten, dass ausreichend Kleingeld im Staatssäckel vorhanden war. Denn an Feinden mangelte es ihm und Preußen damals wahrlich nicht. Ob Frankreich, die Niederlande oder die Dynastie in Österreich – es waren unruhige Zeiten, und man wusste nie, woran man ist. Der Freund von heute konnte der Feind von morgen sein und umgekehrt. Und nach dem Siebenjährigen Krieg, bei dem letztendlich die Herrscherin in Wien, Königin Maria Theresia, das schöne Schlesien von Preußen zurückerobern wollte, konnte sich Preußen zwar behaupten, aber es war ein Sieg ohne Gloria und darüber hinaus hatten diese sieben Jahre den Alten Fitz verdammt viel Geld gekostet.

Was also tun, wenn trotz Sieg und ersehntem Frieden in den Kassen gähnende Leere herrscht? Den Bauern und allen anderen Untertanen noch mehr Steuergeld abknöpfen? So viel, dass diese bald selbst nicht mehr wussten, wie sie ihre Teller und die eigenen leeren Mägen füllen konnten? Klar, als alleiniger und alles bestimmender Herrscher lässt sich das Volk schnell und leicht erpressen. Aber Friedrich der Große wusste nur zu gut, dass er auf diesem Weg vor allem eins erreicht: das Gegenteil von Loyalität. Vielmehr Zorn, Wut und Verzweiflung, aber sicherlich kein treues, zufriedenes und motiviertes Volk. Schon gar kein loyales Soldatenvolk, dass seinem Herrscher gehorsam und siegeswillig in den Krieg folgt.

Dennoch stand fest: Einer muss die Zeche zahlen. Der Preußenkönig konnte diverse Szenarien drehen und wenden, wie er wollte, das Ergebnis war immer das gleiche: Sein Volk musste blechen. Die letztendlich rettende Idee aber übernahm er von einem klugen Italiener an seinem Hof. Der schon damals über viele Ländergrenzen hinaus bekannte Finanzjongleur Antonio di Calzabigi unterbreitete Friedrich in einem Vier-Augen-Gespräch einen vermeintlich klugen Vorschlag. Das Raffinierte daran: Man kam als Staat an das Geld der Bürger heran – allerdings ohne dass diese etwas davon direkt merkten. Das Zauberwort hieß: Lotterie!

Hoffen auf Reichtum
In italienischer Manier kam Calzabigi aus dem Schwärmen über seine eigene Idee gar nicht mehr heraus. Dieser „Warren Buffett des 18. Jahrhunderts“, der in Sachen Geld so ziemlich jeden Trick, jede Anlagestrategie und jede Verdienstmöglichkeit kannte, versprach dem Preußenkönig gleich in maßloser Übertreibung wahrhafte Berge voll Geld und ließ sich darüber hinaus für seine Beratung königlich entlohnen. Friedrich II. war zu guter Letzt sogar derart begeistert von dem Schlitzohr, dass er den Italiener zum Königlichen Finanz- und Kommerzienrat ernannte, und ihn mit großzügigen, weitgehenden Vollmachten ausstattete – vom üppigen Honorar einmal ganz abgesehen.

Der Preußenkönig wähnte sich schon in neuem Reichtum, sah seine Staatskassen regelrecht überlaufen, als er schließlich im Jahr 1763 in Berlin die Preußische Lotterie ins Leben rief. Mit einem königlichen Dekret verkündete König Fried-rich II. die Schaffung des staatlichen Zahlenglücksspiels. Doch seine hohen Erwartungen blieben über die folgenden Monate mehr und mehr unerfüllt. Ja, sogar Enttäuschung machte sich bei ihm breit.

Bei den preußischen Untertanen allerdings kam die Aktion blendend an. Jeder hielt sich fortan für den nächsten Glückspilz. Die verlockende Aussicht, spätestens bei der nächsten Ziehung der Zahlen, die richtige Kombination getippt zu haben und ab dann in unermesslichem Reichtum schwelgen zu können, ließ die Preußen und allen voran die Berliner regelrecht ihren eigenen finanziellen Spielraum teilweise komplett vergessen.

Die Chance mittels Lotterie schnell reich zu werden, ließ sie mehr Geld ins Glücksspiel stecken, als viele überhaupt besaßen.

Auch wenn man mit nur wenigen Groschen bereits mitspielen konnte. Doch auch damals schon galt der Slogan: Je höher der Einsatz, desto höher der Gewinn. Frauenheld und Finanzakrobat Genau das stachelte aber viele Untertanen des Preußenkönigs an, mehr einzusetzen, als sie in Wahrheit hatten. Bei aller Glücksspiel-Euphorie im Volk erreichten die Umsätze beim Staat lange nicht die Höhen, die sich Preußens Regierung erhofft hatte. Es haperte mal an der Organisation – was gerade für einen Beamtenstaat wie Preußen erstaunlich war –, dann gab es immer wieder Auszahlungsprobleme und selbst Betrug bei Anbietern und Spielern waren an der Tagesordnung. Schließlich kam die Idee auf, neben Geld- auch Sachgewinne zu verlosen. Das aber gefiel dem Alten Fritz ganz und gar nicht. Auf den Vorschlag einer adligen Hofdame, als Prämie der Lotterie auch Taft, Tüll
und Leinen einzusetzen, soll der Monarch in seiner bekannt wortgewaltigen, drastischen Art geantwortet haben: „Ob sie meinet
das ich so einfeltig bin nicht zu merken das sich Kaufleut hinter ihr gestochen haben um mit Taft die Contrebande zu machen? Sie möge mihr mit solchenunbesonnenen Bitten verschonen oder ich würde sehr übele Opinion von ihr haben!“

Nur ein Jahr später kam es erneut zu einer ebenso bemerkenswerten wie entscheidenden Begegnung. Wieder mit einem Italiener, wieder mit einem Finanzakrobaten und einem Lebemann von Welt und Ruf: Der berühmte Frauenheld Giacomo de Casanova besuchte den König, flanierte mit ihm 1764 im intensiven Gespräch vertieft durch die prächtigen Gärten von Schloss Sanssouci und versuchte ihn von seinen Konzepten zur Sanierung des Staatshaushaltes zu überzeugen. „Sondervermögen“ und andere Schummeleien gab es damals ja noch nicht. Auch das Thema Lotterie wurde eingehend besprochen. Auf den Einwand König Friedrichs hin, er habe bereits eine Lotterie in Preußen eingeführt, doch diese werfe nicht halb so viel Umsatz und Geld in die leeren Staats- und Kriegskassen, wie man ihm vorausgesagt habe, konnte Casanova nur mild lächeln. Der gewiefte Italiener hatte nämlich auch für diese Misere die passende Lösung parat. Eine, die er sich bei der Herrscherin von Österreich abgeschaut hatte. Denn statt als „Lotto-Unternehmer“ aufzutreten und die Geschicke des Glücksspiels zu lenken sowie selbst ins finanzielle Risiko zu gehen, hatte Königin Maria Theresia klug die Lizenz am Lotteriegeschäft verpachtet. Sie kassierte nur noch. Ein Vorschlag, der Friedrich den Großen begeisterte. Auch, als Casanova, den der Preußenkönig für einen cleveren Steuerfachmann hielt, ihm seine drei Arten der Besteuerung von Gütern erklärte. Die erste sei ruinös, die zweite leider notwendig und die dritte „stets exzellent“, wie der Frauenheld erklärte. „Die ruinöse Besteuerung, Sire, ist die, die der Monarch seinen Untertanen auferlegt mit dem einzigen Ziel, seine Kassen aufzufüllen ... denn sie zerstört den Geldumlauf, die Grundlage des Handels und die Stütze des Staates !“ Die „notwendige Art“ sei hingegen dazu da, um Kriege zu führen. Die „populäre Form der Steuern“ schließlich, den Leuten klug das Geld aus der Tasche zu ziehen, bezeichnete der smarte Italiener als „allzeit exzellent“, da der König einerseits den Untertanen zwar Geld nimmt, es anderen gibt, indem er nützliche Unternehmungen fördert und Verordnungen erlässt, die geeignet sind, den Wohlstand aller zu mehren. Casanova zählte dazu auch ausdrücklich die Institution des staatlichen Glücksspiels. Denn bei einer Lotterie kann der König statistisch gesehen nur „in einem von zehn Fällen“ verlieren, steht somit aber neun Mal als Sieger dar. Friedrich war begeistert und wollte den weltgewandten Italiener zum Lehrer an seiner Ritterakademie in Berlin machen. Aber 600 Taler Honorar erschienen Casanova zu mickrig und er lehnte ab.

 DerPreußenkönig war leicht pikiert, und daher bot er nicht Casanova, sondern Calzabigi die Lizenz der Lotterie an. Dieser verpflichtete sich zur jährlichen Zahlung von satten 75.000 Talern pro Jahr als „Pachtschilling“. Friedrich kündigte im ganzen Reich lauthals an, die Einnahmen primär zum Wohl der Allgemeinheit nutzen zu wollen. Von wegen – vielmehr landeten stattdessen alle Gewinne in der Kriegskasse.

Klassischer Wortbruch à la CDU-Merz könnte man sagen – allerdings 1764 statt 2025. Eines aber fällt auf: Beide heißen Friedrich!


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