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Der alte Krieg im neuen

Bodo Bost
24.06.2023

Die Entleerung des riesigen Stausees des Dnepr-Flusses in der Ukraine infolge der Zerstörung des Nowa-Kachowka-Staudamms hat laut im Internet veröffentlichtem Filmmaterial Schlammflächen mit Skeletten hinterlassen, die an die gewalttätige Vergangenheit der Region erinnern. Das Watt am Boden des entleerten Stausees war nach dem Dammbruch übersät mit Knochen, von denen einige möglicherweise aus der Schlacht bei Nikopol vor fast 80 Jahren stammen.

Auf Videos, die auf der ukrainisch und der russisch besetzten Seite des Dnepr aufgenommen wurden, sind im Schlamm verstreute Schädel zu sehen, von denen einer einen Helm aus dem Zweiten Weltkrieg trägt. Die Aufnahmen konnten aufgrund der anhaltenden Kämpfe in dem Gebiet nicht unabhängig überprüft werden. Historiker halten es für möglich, dass einige der Überreste von Menschen stammen, die in einer großen Schlacht vor 80 Jahren auf demselben Gebiet gefallen sind, das heute im Mittelpunkt der ukrainischen Gegenoffensive gegen die russische Besatzung um Nikopol und Kamianka-Dniprovska steht.

Die Schlacht am Dnepr stand im Mittelpunkt einer der größten Militäroperationen des Zweiten Weltkriegs, des Gegenangriffs der sowjetischen Armee auf die deutsche Wehrmacht, an der mehr als fünf Millionen Soldaten beteiligt waren. Nach der sich Mitte Juli 1943 abzeichnenden Niederlage in der Schlacht bei Kursk (Unternehmen Zitadelle) und den folgenden Gegenoffensiven der Roten Armee plante das Oberkommando der Wehrmacht, eine starke Verteidigungslinie, den Ostwall, von der Ostsee bis zum Schwarzen Meer aufzubauen. Im September 1943 konzentrierte man sich auf Nikopol am rechten Ufer des Flusses, das Hitler unbedingt halten wollte.

Ein Fluss wird zur Schicksalslinie
Die Heeresgruppe Süd unter Generalfeldmarschall Erich von Manstein sollte den sowjetischen Vormarsch zum Dnepr stoppen. Sie zählte 1,2 Millionen Soldaten. Ihr standen fünf sowjetische Fronten mit drei Marschällen sowie mit einer Gesamtstärke von 2,6 Millionen Soldaten gegenüber. Die Verluste der sowjetischen Truppen betrugen zwischen 60.000 und 300.000 Mann, die der deutschen und rumänischen Truppen lagen bei bis zu 50.000 Mann. Charkiw fiel am 23. August 1943, die Stadt Saporischschja fiel am 14. Oktober, am 25. Oktober fiel Dnjepropetrowsk (Ukrainisch: Dnipro). Mit dem Fall Kiews am 6. November war die Schlacht am Dnepr weitgehend verloren, auch wenn noch einige Gegenschläge gelangen. Anders als heute wurde der Dnepr im Zweiten Weltkrieg nie feste Frontlinie.

Während nach dem Krieg tote Rotarmisten bestattet wurden, hat man ihre gefallenen deutschen Gegner einfach auf den Feldern liegen lassen. Insofern könnte es sich bei den jüngsten Entdeckungen tatsächlich um Wehrmachtssoldaten handeln, die einst mit dem Bau des Nowa-Kachowka-Damms 1956 überflutet wurden und deren Überreste jetzt mit dem Dammbruch wieder zum Vorschein kamen.

Generell werden durch das heutige Kriegsgeschehen in der Ukraine wieder mehr Spuren des Zweiten Weltkrieges sichtbar. An vielen Orten im Land mussten überhastet neue Schützengräben ausgehoben werden. Dabei wurden auch unbekannte Soldatengräber aus dem Zweiten Weltkrieg entdeckt. Vor allem im Kampf um Kiew in den ersten drei Monaten des Krieges wurden Soldatenleichen gefunden, die nach dem Abzug der Russen fast zusammen mit den noch frischen Leichen ermordeter ukrainischer Zivilisten beerdigt wurden.

In den Teilen der Ukraine, in denen es keine Frontlinien gibt, geht auch im Krieg die Umbettungsarbeit des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge weiter. 816 Soldaten wurden im ersten Kriegsjahr entdeckt und geborgen, weniger als in den Jahren zuvor, als Kriegstote in der gesamten Ukraine geborgen wurden.


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Kommentare

Heinz Fleck am 03.07.23, 10:35 Uhr

@Viktor Kohnen
Wer ist hier jetzt wo einmarschiert ? Die Deutschen bei den Russen ? Die Ukrainer bei den Russen ? Waren Sie schon mal unter Russen-Knute ? Die Balten und ein Teil der Deutschen waren das. Mir persönlich kann es gar nicht so schlecht gehen das ich die jemals wiederhaben will. Deshalb gehören Soldaten da hin. Was meinen Sie mit "mit einem Schlag beenden" ? Atomwaffen ? Nicht mal der Russe kann so blöd sein, denn merke: Wer zuerst damit schießt stirbt als Zweiter....stimmt auch noch nach 70 Jahren. Apropos 1. Weltkrieg: Österreich hat angefangen....

Viktor Kohnen am 27.06.23, 18:51 Uhr

Hallo gregor scharf, bester Text seit langem! Wir lernen nie dazu! Irgendwann kommt der Krieg wieder nach Deutschland. Es ist im Moment wie vor dem ersten Weltkrieg. Hatte seiner Zeit eine Ausstellung in Lüttich besucht. Da konnte man Bilder sehen wie im Sommer vor dem Krieg die Leute flanierten und lustig Kaffee schlürften. Schade, sagt man vielleicht auch mal über die Zeit in Europa im Jahr 2023. Die russische Seite wird und kann irgendwann den Krieg, ihre Verluste, mit einem Schlag beenden. Schade, für uns.
Mein Vater Jahrgang 1919 war Russlandkämpfer, was hat`s gebracht?.. ...und wieder stehen im Jahre 2023 deutsche Soldaten im Osten (Litauen). Ausgerechnet wir Deutsche! Ganz schlimm. Unser Überfall seiner Zeit hat den Russen 25 Millionen Tote beschert. Ein Russe der heute 85 Jahre alt ist hat vielleicht damals durch unseren Beschuss Verwandte verloren. Heute schießen wieder deutsche Waffen gegen Russland. Was muss dieser alte Russe wohl über Deutschland denken?
Alles ganz schlimm......

sitra achra am 26.06.23, 12:08 Uhr

Wer dem gefallenen Gegner die ehrenhafte Bestattung verweigert, hat selber keine Ehre.

gregor scharf am 24.06.23, 07:58 Uhr

Vom Ladogasee bis Kiew, Kursk im Osten bis Frankreich im Westen, an all diesen Fronten war mein Grossvater im Einsatz. Dreimal wurde seine Division von 17500 Mann bis auf 500 Mann aufgerieben, wie es militärisch korrekt heisst. Dreimal hatte er Glück im Unglück, durch Verwundungen ins Hinterland verbracht worden zu sein, nach der Genesung in einer Auffrischungskompanie zu landen, um erneut an die Fronten geschickt zu werden, wo das Baden im Blut fortgesetzt wurde. Was haben die Menschen damals durchgemacht, an den Fronten und an der Heimatfront im Bombenhagel? Und was tun wir heute?
Welchen Verrat üben die Verantwortlichen für die Kriege in der Welt an den unzähligen Opfern auf beiden Seiten des Krieges und deren Leid. Darin liegt das eigentliche Unvermögen der Menschheit. Man hört immer nur Sprechblasen vom und über den Frieden, der nie einer war, sondern immer nur ein gegenseitiges Belauern, Austricksen, den eigenen Vorteil suchend, ohne Vertrauen nur Misstrauen. Im Grossen wie im Kleinen sind Menschen nicht dazu fähig, auf Dauer friedlich miteinander zu leben. Es geht nur über eine Gewaltherrschaft, weil sich intellektuell Hochbegabte und archaisch Primitive nicht miteinander mischen lassen, erst recht nicht, wenn sie aus verschiedenen Kulturkreisen kommen und das goldene Kalb anbeten, sich mit Statussymbolen umgeben, anstatt ihren Geist wachsen zu lassen. Damals wie heute ist das Problem in der Politik zu suchen. Beratungsresistente, lebensunerfahrene Phantasten und Träumer, machtgeile Spinner und grössenwahnsinnige Psychos toben sich aus und führen die Menschen nach einer gewissen Auffrischungspause in das nächste Schlachthaus. Es gab tatsächlich noch keine Generation, die nicht in einen Krieg verwickelt wurde. Kriege bleiben bis in unsere Tage das gestalterische Element in unserer Welt. Was für ein Irrsinn und welch ein Armutszeugnis für die angebliche Krone der Schöpfung.
Im Gedenken an alle Gefallenen, die für ihre jeweilige Heimat in den Krieg zogen, als Eroberer oder Verteidiger und ihr Leben gaben. Sind sie nicht Mahnung genug oder bedarf es eines Atomschlages, bis wieder für eine Weile Ruhe einkehrt?

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