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Wie die Lebensbeichte eines fast hundertjährigen Franzosen lange verdrängtes Wissen in Erinnerung ruft – und manche Selbstgewissheit in Frage stellt
Ein Kriegsverbrechen aus dem Jahre 1944 bewegt die Franzosen. Seit der fast hundertjährige Edmond Réveil sein Gewissen erleichterte und darüber berichtete, dass er vor fast achtzig Jahren Zeuge wurde, wie ein Kommando der Résistance in der Nähe von Tulle 47 deutsche Kriegsgefangene und eine unter dem Verdacht der Kollaboration mit den Besatzern stehende Französin erschoss, entwickelt sich in Frankreich eine Debatte über die Rolle der jahrzehntelang als Helden verehrten Widerstandskämpfer.
Die Verbrechen der Anderen
Neben dem Ringen der Franzosen über ihre Rolle im Zweiten Weltkrieg wird durch diese Enthüllung auch die Aufmerksamkeit darauf gelenkt, dass in jener heute so fern erscheinenden Zeit keineswegs nur die Deutschen und ihre Verbündeten Kriegsverbrechen begangen haben, und auch nicht nur die Angehörigen der sowjetischen Streitkräfte, deren Massaker bei der Eroberung Ostmitteleuropas sowie Ost- und Mitteldeutschlands noch einigermaßen bekannt sind, sondern auch die alliierten Gegner im Westen.
Doch so begrüßenswert die Auseindersetzung der Franzosen mit dem aktuellen Fall und insbesondere das Brechen des Schweigens Edmond Réveils sind, so befremdlich ist die Debatte an sich. Denn im Grunde ist die generelle Kenntnis über Kriegsverbrechen der einstigen Gegner Deutschlands und seiner Verbündeten alles andere als neu. Allein der Wikipedia-Artikel „Kriegsverbrechen der Alliierten im Zweiten Weltkrieg“ listet unzählige Taten einzelner Soldaten und ganzer Einheiten der britischen, kanadischen, französischen, sowjetischen, jugoslawischen und US-amerikanischen Streitkräfte auf den europäischen und asiatischen Kriegsschauplätzen auf – von Plünderungen und Vergewaltigungen bis hin zur Erschießung gefangener Soldaten und Schiffbrüchiger. Und am Fuß des Artikels belegen Verweise zur Forschungsliteratur, dass diese Kriegsverbrechen längst hinreichend untersucht und bekannt sind. Letzteres allerdings nur, wenn man es wollte.
Tatsächlich wurden im Laufe der vergangenen Jahrzehnte fast nur noch die unbestreitbaren Verbrechen der Deutschen und ihrer Verbündeten erinnert. Vor allem in Deutschland selbst ist das Gedenken an die eigenen Opfer des Krieges kaum noch ein Thema. Der Bundespräsident listet in seinen Gedenkreden nur noch deutsche Schandtaten auf. Und das auf Initiative des Bundes der Vertriebenen errichtete Dokumentationszentrum der Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung stellt die an Deutschen begangenen Kriegsverbrechen so dermaßen in einen internationalen Kontext, dass das eigentliche Anliegen kaum noch zur Geltung kommt.
Um so wichtiger, dass nun ein Franzose, dessen Gewissen seit Jahrzehnten von der Kenntnis eines Kriegsverbrechens an deutschen Soldaten und einer unschuldigen Landsfrau geplagt ist, sein Herz erleichtert hat. Die deutsche Verantwortung für den Zweiten Weltkrieg und erst recht für die in deutschem Namen begangenen Kriegsverbrechen relativiert all das nicht. Schon gar nicht taugen diese Enthüllungen als Rechtfertigung eigener Taten nach dem Motto „Aber die Anderen haben doch auch ...“ Letzteres schon deshalb nicht, weil dem Massaker an den Deutschen bei Tulle am 12. Juni 1944 das Massaker von Oradour-sur Glane vom 10. Juni 1944 vorausgegangen war, bei dem Angehörige der SS-Panzerdivision „Das Reich“ 643 französische Zivilisten auf bestialische Weise ermordeten.
Kriege kennen nur Verlierer
Jedoch zeigen die jüngsten Enthüllungen, dass jeder Krieg für alle Beteiligten ein Zivilisationsbruch ist und keine Seite sauber daraus hervorgeht. Und sie lehren, dass – unabhängig von der Schuldfrage für den Ausbruch – keine Kriegspartei sich über die andere moralisch erheben sollte. Denn auf diesem Feld kennen Kriege meist nur Verlierer. Und selbst jahrzehntelang gefeierte Helden können sich plötzlich als Kriegsverbrecher herausstellen.
sitra achra am 09.06.23, 10:55 Uhr
Wenn Deutschland den Zweiten gewonnen hätte, hätte es mit der ewigen Schuld gut leben können und hätte sich als Befreier vom Bolschewismus und vom "jüdischen" Kapitalismus gefühlt. So aber erleben wir den totalen und immerwährenden Triumph der vermeintlich "Guten", die die Moral und die Geschichte für sich gepachtet zu haben scheinen. Jedoch ein Blick hinter die Kulissen reicht aus, um sich angeekelt von ihnen abzuwenden.
Eva Maria Thun am 09.06.23, 10:47 Uhr
Sehr geehrter Herr Nehring, danke für den Artikel! Aber eine Anmerkung habe ich doch: Das Wort "Landsfrau" ist eine unnötige Neuschöpfung. Es gibt, als weibliches Gegenstück zum Landsmann, das schöne deutsche Wort "Landsmännin". Ich als Frau möchte im gegebenen Falle niemals dem Zeitgeist angebiedert als "Landsfrau", aber immer gerne als "Landsmännin" bezeichnet werden.
H. Schinkel am 08.06.23, 21:39 Uhr
Naja. Gerade die Vorkommnisse in Oradour-sur Glane sind kritisch zu bewerten. Da gibt es genug Aussagen und Dokumente das sich die Sachlage dort anders verhält, auch weil dort schon im Vorfeld ein Massaker an deutschen Sanitätern durch den Maquis begangen wurden.
Auch beim "Massaker" von Tulle wurden im Vorfeld deutsche Soldaten eben von diesen "Widerstandskämpfern" bestialisch ermordet. Erst nachdem die Panzerdivision "Das Reich" die Ortschaft zurück erobert worden war wurden diese Kriegsverbrechen deutlich. Es gab daraufhin, mit Unterstützung der französischen Bevölkerung sogenannte Repressaltötungen von 99 Maquiskämpfern. Die wurden gehängt. Wo die Zahl von 643 bestialisch getöteten Franzosen herkommt weiß ich nicht. Es wird aber Gründe haben, das die Akten von z.B. Oradour-sur-Glane auf ungewisse Zeit gesperrt sind. Die Franzosen wissen warum.
Marcus Junge am 08.06.23, 17:28 Uhr
Wie verblödet kann man eigentlich sein? Also so als "gut informierter" Westler völlig verblödet.
Es ist seit Jahrzehnten bekannt, daß die "Resistance" (Terroristen) eine stalinistische / marxistische Organisation war. Direkt vom Kreml gelenkt, haben die 1940-Juni 1941 gar nichts gemacht, weil man da ja noch der gute Freund der Deutschen war. Nachdem Barbarossa begann, änderte sich dies.
Exemplarisch: Der Erfolg war dann 1 toter Deutscher zu 4 toten Franzosen bei den vielen Terrorakten gegen das Eisenbahnnetz in Frankreich.
Folge des Terrors war dann eine entsprechend harte Reaktion der Besatzungsmacht, eines Landes, welches sich eine Exilregierung im Kriegszustand mit Deutschland leistete ...
Das die Terroristen andauernd Gefangene abschlachteten und oft genug von alliierten Soldaten daran gehindert wurden, ist ebenso so gar kein Geheimnis.
Von Tulle und Oradour fange ich gar nicht erst an, da ist die Zeit für die Wahrheit noch lange nicht reif, weil das ja eine nationale Lebenslüge der Franzosen ist und da paßt so gar nicht rein, daß die Täter die Terroristen waren und nicht die mit den 2 Blitzen am Kragenspiegel.
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So richtig verblödet ist "Kriege kennen nur Verlierer". Seltsamerweise wurde das Imperium dadurch zur Weltmacht (USA) und einige Personen wurden von steinreich, zu noch viel steinreicher. Während die Ausplünderung und Selbstzerstörung Europas (danke England) dem US-Bürger 20 Jahre Wohlstandsexplosion brachte, bis man all das für Vietnam wegwarf (Explosion der Staatsschulden, Austritt aus der Gold(teil)deckung).
Von wegen "nur Verlierer".
Alex Lund am 08.06.23, 11:59 Uhr
Eines muss man den Alliierten lassen: Sie halten zusammen.
Vergleichen wir das mit den Deutschen. Als Joachim Peiper, der am Ende in Frankreich wohnte, mit dem Tod bedroht wurde, kamen ihm da seine Kameraden zu Hilfe? Nein, sie liessen es zu, dass er ermordet wurde. Haben Sie seinen Tod gerächt? Erneut nein.
Oder denken wir an die Vertriebenen. Als der damalige Aussenminister von Brentano sagte, dass die Ostgebiete verloren seien, hat man sich mal ihm zur Brust genommen? Erneut nein.
Ulrich Bohl am 08.06.23, 10:19 Uhr
Die Selbstkasteiung wird in Deutschland als Mittel zur
Durchsetzung politischer Ziele von Parteien und
und Organsationen gebraucht. Mit der ewigen und
einzigen Schuld Deutscher auch wenn sie Generationen
angehören die zum Zeitpunkt des 2.Weltkrieges noch gar nicht gelebt haben, wird sie von o.g. als probates Mittel
immer wieder und immer wieder benutzt. Niemand bestreitet die während der Nazizeit begangenen Ver-
brechen aber sie werden allzu oft nur als Mittel zum
Zweck benutzt. Heutigen Generationen eine persönliche
Schuld zuzuweisen ist falsch und vielleicht sogar
kontraproduktiv, trotzdem funktioniert es partiell.
Eine junge Frau sagte mir zu diesem Thema, wir mit
unserer Schuld müssen alles machen um diese abzutragen. Auf die Frage was sie denn schlimmes
getan habe antwortete sie "NICHTS".
Ritter Bodo von Proskau am 08.06.23, 07:45 Uhr
Sicher sollte sich keine Kriegspartei über die ander erheben. Aber in den vergangenen Jahrzehnten haben ja wir Deutsche nichts anderes erleben dürfen. Herr Réveil wird sicher wissen, warum er so lange geschwiegen hat.