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Pleiten, Pech und Pannen im Leben von Heinrich Mann. Der „Untertan“-Autor wurde vor 150 Jahren geboren
Heinrich Mann könnte man als eine tragische Gestalt der deutschen Literatur bezeichnen. Er hat viel vollbracht, aber wenig erreicht. Sein Pech war, dass andere ihm die Schau gestohlen haben. Sein jüngerer Bruder Thomas etwa, der Heinrich als Schriftsteller nacheiferte und der ihn mit Büchern wie den „Buddenbrooks“ sowie dem Literaturnobelpreis von 1929 weit in den Schatten stellen sollte. Oder Marlene Dietrich, deren Stern in dem Film „Der blaue Engel“ kometenhafte aufging. Dass Heinrich Mann mit dem Roman „Professor Unrat“ dafür überhaupt erst die literarische Grundlage schuf, verkommt dabei zur Randnotiz.
Ähnlich erging es seinem erfolgreichsten Werk „Der Untertan“. Die tragikomische Szene, als der kaisertreue Held Diederich Heßling bei der Einweihung eines Kaiser-Wilhelm-Denkmals eine ewig lange Rede hält, bei der ihm wegen eines plötzlich einsetzenden Gewitterschauers die Zuhörer in Scharen davonrennen, ist vielen noch in bester Erinnerung. Aber weniger nach der Lektüre des Buches selbst als nach dem Betrachten der DEFA-Verfilmung von Wolfgang Staudte aus dem Jahr 1951.
Auch privat war Heinrich Mann wie vom Pech verfolgt. Der am 27. März 1871 in eine angesehene Lübecker Kaufmannsfamilie hineingeborene Sohn stand kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges wegen politischer Differenzen mit seinem Bruder Thomas auf solch großem Kriegsfuß, dass sie den Zwist sogar literarisch ausfochten. In seinem „Zola“-Essay von 1915 attackierte Heinrich indirekt die konservative Haltung seines Bruders, die direkt in den Krieg führe. Thomas unterbrach daraufhin die Arbeit an seinem Roman „Der Zauberberg“, um in dem Groß-Essay „Betrachtungen eines Unpolitischen“ den „Zivilisationsliteraten“ zu schmähen, mit dem Heinrich und sein weltfremder Pazifismus gemeint waren.
Spätestens nach 1933 kapitulierte der Träumer Heinrich Mann vor der realistischeren Weltsicht seines Bruders. Er folgte ihm sogar ins Exil nach Kalifornien. Während sich Thomas dort als gefragter Autor bald heimisch fühlte und sich mit seinen propagandistischen Radioansprachen „Deutsche Hörer!“ finanziell absicherte, blieb Heinrich für die US-Amerikaner ein „Nobody“. Sein Bruder, mit dem er sich inzwischen versöhnt hatte, musste ihn praktisch durchfüttern. 1944 nahm sich auch noch seine alkoholkranke zweite Frau das Leben. Als 1949 die neugegründete DDR ihm das Präsidentenamt der Deutschen Akademie der Künste antrug, hielt er das für einen Ritterschlag. Obwohl mehr sozialdemokratisch als sozialistisch angehaucht, nahm er den Teufelspakt an, doch dann starb er 1950 kurz vor seiner Rückkehr nach Deutschland.
Wegen der „Buddenbrooks“ Thomas Manns wird man sich auch an Heinrich Mann noch lange erinnern. Denn das Lübecker Buddenbrookhaus im Zentrum der Stadt ist schon seit 1993 als museales „Heinrich-und-Thomas-Mann-Zentrum“ zugänglich. So ist aus Anlass des 150. Geburtstags von Heinrich Mann noch bis zum 27. März eine Festwoche mit diversen Veranstaltungen geplant. Direkt an Heinrich Manns Geburtstag sollen 150 Bücher von und über ihn im Museumsladen an Literaturfreunde verschenkt werden sowie die Heinrich-Mann-Preise 2020 und 2021 an Eva Horn und Kathrin Passig verliehen werden. Ein neuerlicher Lockdown könnte all die schönen Pläne wieder zunichtemachen. Jetzt scheitert Heinrich Mann möglicherweise noch posthum – an einem Virus.
• Digitales Jubiläum www.heinrich150.de