Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung
Interesse an der Eisenbahngeschichte und am preußischen Osten als Motiv fürs Deutschlernen
Vor einigen Jahren kam ich in Breslau mit Teilnehmern eines Deutschkurses in deren Unterrichtspause ins Gespräch. Es gab eine völlig überraschende Erkenntnis. Über die Hälfte der männlichen Teilnehmer gab an, sie würden den Kurs belegen, um die Entwicklung der Eisenbahn in Niederschlesien zu verstehen. In ihrer Kindheit wuchsen sie mit Lokomotiven auf, die aus Reichsbahnbeständen stammten. Sie wussten, dass ihr eigener Ort erst aufgeblüht war, als die Bahn das Land erschloss, oder sie trafen sich in ihrer Jugend am alten Wasserturm, dessen architektonisch preußische Wurzel sich nicht leugnen ließ. Das alles endlich zu verstehen trieb sie dazu, nun alte Dokumente zu diesen Themen lesen zu können. Der eine mag den anderen mit in den Kurs gezogen haben, doch das Motiv hörte ich bei Begegnungen in Niederschlesien über die Jahre immer wieder. Die Eisenbahn scheint ein Schlüssel zu sein, das Deutsche in der Heimat verstehen zu wollen und eine Sympathie aufzubauen.
Unausgesprochen daran wirkt nun auch das Schlesische Museum zu Görlitz mit, in dem am 16. September die Ausstellung „Niederschlesien im Aufbruch“ eröffnet wurde. Die Ausstellung erzählt über, aber nicht im eigentlichen Sinne von der Schlesischen Gebirgsbahn von Görlitz über Lauban [Lubań] und Hirschberg [Jelenia Góra] nach Waldenburg [Wałbrzych]. Zwar wird die Strecke beleuchtet, und es gibt Modelle der schweren E-Lokomotiven zu sehen, die in der Zwischenkriegszeit zu Beginn der Elektrifizierung nur im Voralpenland und auf den Schlesischen Gebirgsstrecken zum Einsatz kamen und Eisenbahnfreunde bis heute verzaubern, doch eigentlich geht es um die wirtschaftliche Entwicklung, die mit der Bahn erst einsetzte. In wohl keinem anderen Bevölkerungssegment dürften Namen wie Waldenburg-Dittersbach [Walbrzych-Podgórze II Dzietrzychów] oder Görlitz-Moys [Zgorzelec-Ujazd] noch heute so bekannt sein wie unter Eisenbahnnostalgikern.
Schlesisches Museum zeigt „Niederschlesien im Aufbruch“
Während in Görlitz mit Dampfmaschinen und -turbinen weltweit geschätzte Grundlagen produziert wurden, wurden in der Taschentuchstadt Lauban zwischen 1850 und 1945 in etwa 35 Fabriken zirka 90 Prozent aller in Deutschland produzierten Taschentücher hergestellt. Stolz warb die Stadt mit dem Werbespruch „Lauban putzt der Welt die Nase“. Im nahegelegenen Langenöls [Olszyna] entwickelte Robert Ruscheweyh den Ausziehtisch. Der Siegeszug beider Industrien wurde erst durch die Bahnstrecke möglich. Im nahen Greiffenberg [Gryfów Śląski] entstand eine Blaudruckfabrik, aus der sich später die Greiff-Werke für Berufs- und Arbeitskleidung entwickelten. Filigraner sind dagegen in tagelanger Handarbeit gefertigte Spitzen. Um Hirschberg blühte diese Textilkunst vom Ende des 19. Jahrhunderts bis in die 30er Jahre, gefördert von Fürstin Daisy von Press. Sie unterhielt in Hirschberg selbst zeitweise mehrere Spitzenschulen, aus denen ein bisher nicht gezeigter Bestand nun im Schlesischen Museum präsentiert wird.
Und letztendlich führte der Eisenbahnbau Touristenmassen in die Sommerfrische des Riesengebirges. Was dem Münchner sein Garmisch-Partenkirchen war, war dem Berliner dank Direktverbindungen sein Krummhübel oder Schrei-berhau. Am Endpunkt Waldenburg dominierte das Schwarze Gold Kohle wie an der Ruhr oder der Saar. Polnische und oberschlesische Wanderarbeiter entlehnten damals aus dem Namen Waldenburg eher phonetisch „Wałbrzych“, was jedoch zugleich auf Kohlehalden anspielt. Der Niederschlesier selbst und als Abnehmer das aufkommende Bürgertum in und außerhalb Deutschlands schwärmten hingegen vom „weißen Gold“ aus den hier zahlreiche vertretenen Porzellanfabriken, darunter auch der Firma Carl Tielsch in Altwasser [Stary Zdrój]. Bis zum 14. April 2024 kann man die Ausstellung besuchen, die in Exkursionen jedoch immer wieder über die Lausitzer Neiße ausschwärmt. Im Rahmen der Reihe „Wandern in Schlesien“ begeben sich geführte Gruppen zum Beispiel am 23. September nach Lauban und Langenöls, am 14. Oktober nach Waldenburg. Informationen dazu gibt es auf www.schlesisches-museum.de.Till Scholtz-Knobloch
Ingrid Grewenig am 25.09.23, 16:35 Uhr
Meine Mutter wurde 1924 in Lauban geboren und wuchs dort auf. Bei der Überschrift des Artikels erinnerte ich mich sofort an den Spruch "Putzt der Welt die Nase", den sie mir oft erzählte. Auf Schlesien, auf ihre Familie und ihre Kindheit war sie immer stolz. Dies ist auch ein Teil meiner Wurzeln.