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Kunst

Der Bärendienst für einen Heiligen

Freising präsentiert die Bayerische Landesausstellung „Tassilo, Korbinian und der Bär“ – und eine bislang verborgene Geheimtür

Veit-Mario Thiede
27.07.2024

Im oberbayerischen Freising ist der Bär los. Als plastische Erscheinung steht er an vielen Straßenecken. Ihr Wappentier hat die Stadt vom heiligen Korbinian übernommen, dessen Attribut der Bär ist. Vor 1300 Jahren kam Korbinian (um 670 bis um 730) in Freising an. Das Jubiläum gab dem Haus der Bayerischen Geschichte den Anstoß zur Landesausstellung „Tassilo, Korbinian und der Bär – Bayern im frühen Mittelalter“. Sie wird im Diözesanmuseum Freising gezeigt.

Die Schau handelt vom Herzogsgeschlecht der Agilolfinger und den auf ihre Initiative gegründeten Bistümern. Herzog Theodo (vor 665 bis um 717) und seine vier Söhne holten Wanderbischöfe an ihre Herrschaftssitze Regensburg, Passau, Salzburg und Freising. Diesen „bayerischen Gründungsbischöfen“ ist ein Raum mit ihren „Reliquien“ gewidmet.

Allerdings ist der heilige Rupert von Salzburg (um 650, gestorben vermutlich 718) deutlich älter als die ihm zugeordnete „Reiseflasche“ (2. Hälfte 13. Jahrhundert). In Regensburg wirkten der heilige Erhard (um 644 bis um 719), dem der sogenannte Erhardi-Stab (um 1200) seit alters zugesprochen wird, und der um 685 oder gegen 715 zu Tode gemarterte heilige Emmeram, von dem Fragmente der seidenen Reliquienhülle (1. Hälfte 8. Jahrhundert) seiner Gebeine ausgestellt sind. Ein golden funkelndes Schaugefäß (um 1610/20) enthält eine Rippe Korbinians sowie Reliquien der heiligen Elisabeth von Thüringen.

Bischof Arbeo von Freising, der von 764 bis 783 amtierte, verdanken wir die ältesten Nachrichten über seinen Vorgänger Korbinian. Die von ihm angefertigte „Vita Corbiniani“ ist mit der ältesten erhaltenen Abschrift (Anfang 9. Jahrhundert) vertreten. Sie stammt aus der Schreibstube des Bodenseeklosters Reichenau. Arbeo verfasste die Lebensbeschreibung anlässlich der von ihm initiierten Translation der Gebeine Korbinians aus Mais bei Meran. An ihrem feierlichen Einzug in den Dom von Freising nahm auch Herzog Tassilo III. (um 741 bis um 796) teil. In Arbeos „Vita Corbiniani“ fehlt das berühmte Bärenwunder. Es findet sich erst in einer im 10. Jahrhundert erfolgten Überarbeitung der Lebensbeschreibung. Ein Bär – die Verkörperung des Bösen – tötete Korbinians Lastpferd. Der Heilige machte daraufhin den Bären zu seinem Gepäckträger. Jan Pollacks Gemälde zeigt uns das „Bärenwunder“ (1483/89).

Die kirchliche Organisation Altbayerns schloss Herzog Odilo (vor 700 bis 748) im Zusammenwirken mit Bonifatius ab. Der „Apostel der Deutschen“ legte im Jahre 739 die Grenzen der vier Diözesen fest und setzte neue Bischöfe ein: Johannes in Salzburg, Ermbert in Freising und Gaubald in Regensburg. Den bereits vom Papst berufenen Passauer Bischof Vivilo bestätigte er in seinem Amt.

Karl der Große gab sich milde
Auf Bonifatius bezieht sich eines der kostbarsten Stücke der Schau: das „Scheibenreliquiar mit dem sogenannten Kamm des Bonifatius“. Das Scheibenreliquiar (12. Jahrhundert) weist einen aus Knochen geschnitzten Fries mit den zwölf Aposteln auf, über dem die aus vergoldetem Silberblech geschaffene Halbfigur des den Segen erteilenden Christus erscheint. Der vergoldete Kamm (8. Jahrhundert) bekrönt hierbei das Scheibenreliquiar.

Herzog Odilos Sohn und Nachfolger Tassilo III. beschließt die Ausstellung. Von vielen Stücken seiner Hofkunst wird angenommen, dass sie in Salzburg angefertigt worden sind, das ein Zentrum der Buchmalerei und Goldschmiedekunst war. Als dessen größtes Meisterwerk gilt der „Tassilo-Liutpirc-Kelch“ (770–780), Leihgabe des von Tassilo gegründeten Benediktinerstifts Kremsmünster.

Der aus Kupfer, Silber und Gold angefertigte Kelch fasst 1,6 Liter. Die Mönche benutzen den mit Medaillondarstellungen von Christus, den Evangelisten und vier weiteren Heiligen ausgestatteten und der Inschrift zufolge von Tassilo und seiner Gattin Liutpirc gestifteten Kelch bei zwei Messfeiern pro Jahr sowie als „Urne“ bei der Wahl ihres Abtes. Karl der Große sorgte für den tiefen Fall Tassilos. Er verhaftete den bayerischen Herzog und ließ im Jahr 788 in Ingelheim „die Großen“ seines Reiches, mit denen die wichtigsten Würdenträger gemeint sind, über Tassilo zu Gericht sitzen. Sie befanden ihn schuldig, den Karl geschworenen Treueeid gebrochen zu haben. Karl gab sich aber milde und wandelte das Todesurteil in eine lebenslange Klosterhaft für Tassilo und seine Familie um. Wann und wo er letztlich starb, ist unbekannt.

Seit 1724 wird alle 100 Jahre die Ankunft Korbinians in Freising gefeiert. Das Ankunftsjahr 724 bestimmte der römische Kirchenhistoriker Cesare Baronio (1538–1607). Das übernahm der Freisinger Fürstbischof Johann Franz Eckher von Kampfing (regierte von 1695 bis 1727), setzte Korbinians Ankunft mit dem Gründungsjahr des Bistums gleich und ließ zur nun anstehenden 1000-Jahr-Feier den romanischen Dom neu herrichten. Der Künstler Egid Quirin Asam schuf die Stuckarbeiten, sein Bruder Cosmas Damian die Malerei. An die Decke malte er die geistlichen Tugenden und die himmlische Verherrlichung des heiligen Korbinian. Die 20 Gemälde an der Emporenbrüstung stellen Korbinians Leben, Wundertaten und Verehrung dar.

Sein 1861 im neugotischen Stil angefertigter Reliquienschrein befindet sich in der frisch restaurierten Krypta. Anlässlich des Jubiläums sind auf dem Domberg historische Orte wie die barocke Dombibliothek, die Obere Sakristei oder die durch eine Geheimtür zugänglichen Archiv- und Kapitelräume zu besichtigen, die bislang der Öffentlichkeit verborgen waren.

Bis 3. November im Diözesanmuseum Freising, geöffnet täglich 9 bis 18 Uhr, Eintritt: 12 Euro. www.hdbg.de. Historische Orte auf dem Domberg: geöffnet von 10 bis 17 Uhr, sonntags und Feiertage von 12 bis 17 Uhr. Eintritt frei. Internet: www.dimu-freising.de


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