29.03.2024

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Friedrich Ebert

Der „Beauftragte des ganzen deutschen Volkes“

Der erste Reichspräsident strebte nach Stabilität und breiter Verankerung der Weimarer Republik. Vor 150 Jahren wurde der Sozialdemokrat geboren

Erik Lommatzsch
02.02.2021

Äußerst wütend war Friedrich Ebert am 9. November 1918 auf Philipp Scheidemann, mit dem er gemeinsam an der Spitze der SPD stand. Scheidemann, der soeben von einem Fenster des Reichstagsgebäudes der versammelten Menge das Ende der Monarchie und die neue Staatsform verkündet hatte, musste sich so einiges von seinem Genossen anhören: „Du hast kein Recht, die Republik auszurufen!“, herrschte Ebert ihn lautstark an, „was aus Deutschland wird, ob Republik oder was sonst, das entscheidet eine Konstituante.“

Die Szene vor dem Hintergrund des Endes des Ersten Weltkrieges und des Umbruchs in Deutschland zeigt zum einen, dass für Ebert die politische Zukunft des Landes zu diesem Zeitpunkt offen war. Zum anderen kommen wesentliche Züge seines Charakters deutlich zum Ausdruck: Redlichkeit, Sinn für Ordnung und eine Abneigung gegen Revolutionen. Ebert setzte auf Reform und Evolution. Über die „soziale Revolution“ äußerte er ausdrücklich: „Ich aber will sie nicht, ja ich hasse sie wie die Sünde.“ Derartige Zitate lässt die geneigte Geschichtsschreibung gern aus.

Kurz vor Scheidemanns Ansprache war ihm das Amt des Reichskanzlers übertragen worden – und zwar durch Prinz Max von Baden, den letzten vom Kaiser ernannten Kanzler. In dessen Erinnerungen ist überliefert, er habe den Sozialdemokraten beschieden: „Herr Ebert, ich lege Ihnen das Deutsche Reich ans Herz!“ Dieser reagierte mit den Worten: „Ich habe zwei Söhne für dieses Reich verloren.“ Dass die Art der Machtübertragung wenig Legitimation besaß, dass es galt, den Übergang und den Bestand des Reiches zu sichern, war Ebert sehr bewusst. Gern hätte er den Thronfolger des Großherzogtums Baden in der Funktion eines Reichsverwesers gesehen, doch war dieser dafür nicht zu gewinnen.

Drei Monate später, am 11. Februar 1919, wählte die Nationalversammlung Ebert in das neue Amt des Reichspräsidenten der gerade entstandenen Weimarer Republik. Es gilt als Eberts Verdienst, wesentlich dazu beigetragen zu haben, dass das Land vor einem linksradikalen Umsturz bewahrt und ein drohender Einmarsch der alliierten Sieger abgewendet wurde. Ebenso gelang die Rückführung des Heeres. Er sorgte – den Umständen und seinen Möglichkeiten entsprechend, aber immer mit großem persönlichen Einsatz – für die Stabilisierung der ersten deutschen Demokratie. Im Lager der Befürworter der Republik genoss er parteiübergreifend Ansehen.

In die Wiege gelegt war Ebert der Aufstieg zum ersten Mann des Staates nicht. Vor 150 Jahren, am 4. Februar 1871, kam er in Heidelberg als Sohn eines Schneiders zur Welt, er hatte acht Geschwister. Nach Sattlerlehre und Wanderschaft, während der er sich den Sozialdemokraten angeschlossen hatte, ließ er sich 1891 in Bremen nieder. Tätig war er unter anderem als Gastwirt und Redakteur, 1900 wurde er hauptamtlicher Arbeitersekretär und Bürgerschaftsabgeordneter. 1905 erfolgte der Wechsel zur Parteispitze nach Berlin, 1912 die Wahl in den Reichstag. Nach dem Tod August Bebels 1913 wurde er einer von zwei Parteivorsitzenden.

„Pakt mit den alten Mächten“

Mit Beginn des Ersten Weltkrieges war Ebert vehementer Vertreter des „Burgfriedens“, seine Aufgeschlossenheit gegenüber dem bürgerlichen Lager zeigt sein Engagement im 1917 gebildeten „Interfraktionellen Ausschuss“. Im Oktober 1918 drängte er die Sozialdemokraten zur Regierungsbeteiligung, auch gegen heftige Widerstände in den eigenen Reihen. Bereits im Jahr zuvor hatte sich die linksgerichtete Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands (USPD) von der SPD abgespaltet – wodurch Eberts Stellung bei der verbleibenden Parteimehrheit gestärkt wurde. Der Historiker Walter Mühlhausen, Verfasser einer voluminösen Ebert-Biographie, urteilt: „In den Novembertagen 1918 war er sicherlich der einflussreichste Politiker im Reich.“ Er sei ein „typischer Vertreter der zweiten Generation der Arbeiterführer“ gewesen, der nicht zum „romantischen Revolutionsschwärmer taugte“.

Ebert schloss ein Bündnis mit dem Ersten Generalquartiermeister Wilhelm Groener als Vertreter der Obersten Heeresleitung (OHL), um den gewaltsamen Umsturz abzuwehren, den sogenannten Pakt mit den alten Mächten oder Ebert-Groener-Pakt. Russland und der dort an die Macht gelangte Bolschewismus standen den Zeitgenossen damals deutlich vor Augen.

Nach seiner Wahl zum Reichspräsidenten erklärte Ebert, er verstehe sich als „der Beauftragte des ganzen deutschen Volkes“, bekannte sich aber zugleich als „Sohn des Arbeiterstandes ..., aufgewachsen in der Gedankenwelt des Sozialismus“.

Er drängte seine Partei, die schon 1920 das Amt des Kanzlers verlor und 1923 für fünf Jahre ganz aus der Regierung ausscheiden sollte, immer wieder zur Übernahme von Verantwortung – und wurde entsprechend enttäuscht. Eberts Ideal war ein breites Bündnis von der SPD bis zur rechtsliberalen Deutschen Volkspartei (DVP), die sogenannte Große Koalition. Arbeiterschaft und Bürgertum sollten gemeinsam für den neuen Staat wirken.

Die Funktion des Reichspräsidenten verstand er integrativ und – im Gegensatz zu den Vorstellungen der Schöpfer der Verfassung – als Stütze der Regierung, nicht als deren Gegenpol. Von Artikel 48, der ihm das Notverordnungsrecht einräumte, machte er entsprechend Gebrauch, in der Regel handelte es sich um unpopuläre Maßnahmen. Parteiziele waren für Ebert den Staatszielen gegenüber nachgeordnet. Vom Volk gewählt worden ist er übrigens nie, seine Amtszeit wurde im Oktober 1922 vom Reichstag um drei Jahre verlängert.

Sein Ideal war die Große Koalition

Während er als Politiker des Ausgleichs Anerkennung erfuhr, trat zwischen ihm und seiner Partei eine immer stärke Entfremdung ein. Große Teile der USPD kehrten zur SPD zurück, womit die Zahl der innerparteilichen Opponenten seiner Politik stieg. Nachdem er 1923 die Reichsexekution gegen Sachsen mit der Absetzung der dortigen Regierung aus Sozialdemokraten und Kommunisten unterstützt hatte, wurde sogar sein Parteiausschluss gefordert.

Ebert war materiell anspruchslos. Als Reichspräsident trat er anders auf als privat, wo er als impulsiv und redegewandt wahrgenommen wurde. Rednerische Begabung hatte ursprünglich auch zu seinem Aufstieg beigetragen. Die Bedeutung des Repräsentativen hat er wohl unterschätzt. Schwer zu schaffen machte ihm die permanente Verunglimpfung durch seine Gegner. Im Dezember 1924 erging ein Urteil, nachdem er als „Landesverräter“ bezeichnet werden durfte. Anlass war sein Wirken beim Berliner Januarstreik 1918. Wegen des von ihm angestrengten Revisionsverfahrens ließ Ebert eine Blinddarmentzündung zu spät behandeln – was zu seinem frühen Tod am 28. Februar 1925 führte.


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Kommentare

Hein ten Hof am 04.02.21, 13:07 Uhr

Wirklich, ein sehr interessantes Thema. Dummerweise wurden anscheinend alle wichtigen Dokumente aus der Zeit abtransportiert und der klägliche Rest im April 1945 in Potsdam zerbombt.

Nachfolgendes aus dem Buch: "1918 - Die Tore zur Hölle". Wirklich lesenswert.
Bemerkenswert was Herbert Hoover über Friedrich Ebert zu sagen hat.

Zitat Anfang
Gleich nach Kriegsende wurden so nicht nur Hunderttausende wichtiger Dokumente zum Ersten Weltkrieg aus ihren Ursprungsländern entfernt, an die Westküste der USA gebracht und in Tresoren der Universität Stanford weggeschlossen, sondern auch Schlüsselunterlagen über den Kriegsverlauf und das Kriegsende beseitigt. Mit dieser Mammutaufgabe, belastende Dokumente aus Europa zu entfernen, hatte die geheime Elite den 45-jährigen Bergbauingenieur und späteren US-Präsidenten Herbert Clark Hoover (1929–1933) beauftragt. Ermöglicht wurde dies von der neu an die Macht gespülten Elite der Weimarer Republik. Mit ein paar Dollar ließ sich in der Nachkriegszeit viel erreichen! Kein Problem für Hoover war es, störende Dokumente aus Deutschland zu beseitigen. Fünfzehn Waggonladungen verließen das Land, darunter die »vollständigen Geheimprotokolle der Obersten Heeresleitung« – »ein Geschenk« vom ersten deutschen Nachkriegskanzler Friedrich Ebert (SPD). Hoover schrieb dazu, Ebert sei »ein Radikaler ohne jedes Interesse an der Arbeit seiner Vorgänger«. In Hoovers Hände kamen auch 6000 Bände mit Unterlagen des kaiserlichen Hofes, die nicht nur über die Kriegsvorbereitungen, sondern auch über das Verhalten des Kaisers während des Krieges Aufschluss geben könnten.
....
Ein Jahrhundert der Propaganda, der Lügen und der Gehirnwäsche zum Ersten Weltkrieg liegt deshalb hinter uns.
Zitat Ende

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