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Egon Krenz: „Aufbruch und Aufstieg. Erinnerungen“, Verlag edition ost, Berlin 2022, gebunden, 288 Seiten, 24 Euro
Egon Krenz: „Aufbruch und Aufstieg. Erinnerungen“, Verlag edition ost, Berlin 2022, gebunden, 288 Seiten, 24 Euro

Biographie

Der Egon aus Hinterpommern

In seinen Erinnerungen an seinen Aufstieg und Fall als prominenter Vertreter des DDR-Staates arbeitet Egon Krenz mit Umschreibungen und Weglassungen

Jörg Bernhard Bilke
15.10.2022

Man erinnert sich noch an das vor Glück strahlende Gesicht des SED-Funktionärs Egon Krenz, als er am 18. Oktober 1989 als Nachfolger Erich Honeckers zum SED-Generalsekretär ernannt worden war und sechs Tage danach auch noch zum Staatsratsvorsitzenden. Sieben Wochen später, am 6. Dezember, wurde er aller Ämter enthoben und von Gregor Gysi aus der SED/PDS ausgeschlossen.

So tief wie Krenz fällt man selten. Geboren am 19. März 1937 als Schneidersohn in Kolberg/Hinterpommern, floh er mit seiner Mutter 1944 nach Damgarten/Vorpommern. Seit seinem Beitritt zur FDJ 1953 und zur SED 1955 ging es nur noch bergauf. Er besuchte 1953/57 das „Institut für Lehrerbildung“ in Putbus/Rügen und war 1957/59 in Prora/Rügen freiwillig NVA-Soldat. In Moskau erwarb er in den Jahren 1964/67 auf der Parteihochschule ohne Abitur den Titel eines „Diplom-Gesellschaftswissenschaftlers“. Sein Aufstieg 1983 bis ins höchste Machtzentrum schien unaufhaltsam.

Mehr als drei Jahrzehnte nach dem Mauerfall versucht der SED-Rentner, sein politisches Wirken zu rechtfertigen. Der Leser fragt sich, ob man heute solche DDR-Erinnerungen noch veröffentlichen sollte. Inzwischen sind die Archive aus 40 Jahren DDR-Geschichte geöffnet, Zeitzeugen befragt, wissenschaftliche Aufarbeitungen geschrieben worden, die den SED-Staat als blutige Diktatur erscheinen lassen, die zur Machtabsicherung Hunderte ihrer Bürger an der innerdeutschen Grenze hat erschießen lassen.

Die Schwierigkeit von Krenz' heutiger Sicht auf die Vergangenheit besteht darin, dass er zwischen zwei Polen pendelt: Zwischen der Ideologie, der er nach wir vor verhaftet ist, und der widerwilligen Anerkennung der Verbrechen, die Kommunisten im „Klassenkampf“ verübt haben. Ein Beispiel: Über Stalins Tod am 5. März 1953 schreibt er: „Ich war wie gelähmt, fühlte mich auf einmal verwaist.“ Später spricht er von „Stalins Verbrechen“, entschuldigt sie aber sofort: „... weil es gesellschaftliche Umstände gab, die sein Handeln begünstigt hatten.“

Solch verquere Argumentationen durchziehen das ganze Buch. Dass es in der DDR keine freien Wahlen gab fehlt, dass die „Junge Gemeinde“ 1952/53 gnadenlos verfolgt wurde, kommt nicht vor; die Berufsverbote, die Massenverhaftungen, die Fluchtbewegung sucht man vergebens in diesem Buch, das im Jahr 1974 endet. Im Folgeband, den Krenz schon angedroht hat, wird er auch von der „chinesischen Lösung“ sprechen müssen, die er 1989 bei den Leipziger Demonstranten anwenden wollte. Man darf gespannt sein!


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