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Kultur

Der eiserne Rudolf

Vor 75 Jahren starb Hans Fallada – Die Kommunisten wollten ihn nach 1945 zum Aushängeschild machen

Erik Lommatzsch
04.02.2022

Am 8. Mai 1945 sah es für Rudolf Ditzen nicht gut aus. Zwei Sowjetsoldaten brachten ihn zur Feldberger Kommandantur. Die kleine Stadt im Südosten Mecklenburgs war wenige Tage zuvor kampflos eingenommen worden. Auf dem von Ditzen bewohnten Grundstück hatte man eine weggeworfene SS-Uniform gefunden. Irritiert erklärte er, mit dem NS-Staat nichts gemein gehabt zu haben, im Gegenteil: Er sei Schriftsteller, bekannt unter dem Pseudonym Hans Fallada. Man ließ ihn gehen.

Schon am nächsten Tag hatte sich das Blatt komplett gewendet. Auf Geheiß der Sowjets versammelten sich die Bewohner von Feldberg anlässlich des „Tages des Sieges“ vor der Kommandantur. Ein Offizier holte ihn auf den Balkon, eine Rede an die Menge sollte er halten. Wodkagestärkt kam der alles andere als von seiner diesbezüglichen Eignung überzeugte Autor dem Ansinnen nach. Ein Zeitzeuge erinnerte sich an Worte wie: „Auf diesen Augenblick habe ich zwölf Jahre lang gewartet. Wie ist unser Leben mit Füßen getreten worden ...“

So recht nahmen es ihm die Zuhörer nicht ab. Fallada, der kein eifernder Nationalsozialist war, hatte sich in der Zeit des „Dritten Reiches“ nicht über mangelnde Absatzzahlen seiner Werke zu beklagen. Bekannt geworden war der am 21. Juli 1893 in Greifswald geborene Juristensohn spätestens mit dem 1931 veröffentlichten Roman „Bauern, Bonzen und Bomben“, der manchem eher als Reportage gilt. Weitere Werke im Stil der „Neuen Sachlichkeit“ schlossen sich an, etwa „Wer einmal aus dem Blechnapf frißt“.

Falladas sozialkritische Stoffe erfreuten sich großen Interesses. Hinzu kamen Werke mit Unterhaltungscharakter und Kinderbücher wie „Geschichten aus der Murkelei“. Dem schriftstellerischen Erfolg gegenüber stand ein Leben, das geprägt war von Alkohol- und Drogenabhängigkeit, Exzessen, Klinikaufenthalten, Entziehungskuren sowie Gefängnisstrafen wegen Unterschlagung.

Im Februar 1945 hatte er seine zweite Frau, Ursula Losch, geheiratet, durch die er auch wieder zum Morphium kam, von dem er sich über mehrere Jahre hatte fernhalten können. Was sich die Besatzer davon versprachen, ausgerechnet Fallada eine Woche nach seiner Rede zum „Tag des Sieges“ zum Bürgermeister von Feldberg zu bestimmen, bleibt unklar. Die Legende will wissen, dass die Sowjets Falladas 1932 veröffentlichten Erfolgsroman „Kleiner Mann – was nun?“ kannten und den Autor als einen „der Besten“ des deutschen Volkes betrachteten. Mitte August 1945, nach gerade einmal drei Monaten, war das Bürgermeister-Intermezzo im Leben Falladas beendet, er wurde ins Krankenhaus eingeliefert, von Überarbeitung, vor allem aber Alkohol war die Rede.

Anschließend ging er mit seiner Frau nach Berlin. Die von den Sowjets installierte Verwaltung nahm sich des begabten Schriftstellers an, dessen Qualitäten man für die eigene Sache zu nutzen gedachte. Insbesondere Johannes R. Becher, Präsident des gerade gebildeten „Kulturbundes zur demokratischen Erneuerung Deutschlands“ und später Kulturminister der DDR, bemühte sich sehr um Fallada. Der Name des in den 1920er Jahren als expressionistischer Dichter hervorgetretenen Becher war Fallada – kurioserweise – bis zum ersten Zusammentreffen im Oktober 1945 völlig unbekannt.

Ein „literarischer Alibisucher“

Als freier Mitarbeiter erhielt Fallada für seinen Lebensunterhalt Honorare von der „Täglichen Rundschau“, einer von der Roten Armee herausgegebenen Zeitung. Im „Städtchen“, einem durch die Sowjets abgeschirmten Gebiet in Berlin-Niederschönhausen, am späteren Majakowskiring, bezog er eine Villa. Abzuwehren waren Vorwürfe aus den westlichen Zonen. So urteilte etwa der Journalist Hans Habe im Februar 1946, aus dem Roman „Wolf unter Wölfen“ von 1937 werde deutlich, dass Fallada „ein literarischer Alibisucher des Hitlertums“ gewesen sei.

Tatsache ist, dass sich namentlich Joseph Goebbels sehr angetan vom Werk Falladas gezeigt hatte. Der „Kulturbund“ räumte anlässlich des Beitritts des Schriftstellers ein, dass es nur ganz wenigen Menschen gelungen sei, „das faschistische Gift nicht in sich wirksam werden zu lassen. Hans Fallada gehört nicht zu diesen wirklich Auserlesenen.“

Stark von der Sucht beherrscht, gelangen Fallada in dieser letzten Phase seines Lebens noch zwei Romane. Der dann erst posthum veröffentlichte „Alpdruck“ trägt stark autobiographische Züge. Vor allem erhoffte man sich von offizieller Seite den großen „antifaschistischen“ Widerstandsroman, Becher dachte sogar an die „unsterbliche Chronik unseres zweiten dreißigjährigen Krieges“. Auf der Grundlage einer Gestapoakte entstand der Roman „Jeder stirbt für sich allein“. Die Protagonisten Anna und Otto Quangel entschließen sich nach dem Tod ihres einzigen Sohnes an der Front oppositionell tätig zu werden, auf ihre Weise. Sie legen selbstgeschriebene Postkarten mit Aufrufen gegen das NS-Regime aus, werden überführt und hingerichtet.

Fallada hat diesen mehrere hundert Seiten umfassenden Roman innerhalb von nicht einmal vier Wochen im Herbst 1946 zu Papier gebracht. Becher scheute sich nicht, den Schriftsteller auch mit Drogen zu versorgen, um dessen Arbeit zu ermöglichen. Nach Abschluss des Manuskripts folgte abermals ein Zusammenbruch, Fallada starb schließlich am 5. Fe­bruar 1947, nicht einmal 54 Jahre alt.

Obwohl an Qualität anderen Büchern nicht nachstehend, war der Roman für die Kulturfunktionäre der sowjetischen Besatzungszone und der späteren DDR eine Enttäuschung. Zu wenig heroisch war der Widerstand gezeichnet, zu differenziert und widersprüchlich die Charaktere. Den gewünschten, holzschnittartigen Identifikationsroman sollte erst Bruno Apitz 1958 mit „Nackt unter Wölfen“ vorlegen.

• Lektürehinweis Dank mustergültiger Editionen von Werken wie „Jeder stirbt für sich allein“, „Der eiserne Gustav“ oder „Wer einmal aus dem Blechnapf frißt“ durch den Aufbau Verlag hat in den vergangenen Jahren eine Fallada-Renaissance eingesetzt. Bei Aufbau ist zuletzt auch Michael Tötebergs biographischer Roman „Falladas letzte Liebe“ erschienen (336 Seiten, 22 Euro).


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Kommentare

sitra achra am 06.02.22, 11:30 Uhr

Interessante historische Nachlese, die beweist, dass auch Individuen aus dem Verbrecher- und Drogenmilieu literaturfähig sind. Ich war nach Öffnung der Grenze mit meiner Frau im Falladamuseum in Feldberg.
Oh Fallada, da du hangest!

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