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Archäologie

Der Erfinder Trojas

Vor 200 Jahren wurde der Archäologe und Millionär Heinrich Schliemann in Mecklenburg geboren. Seine Heimatorte ehren ihn mit Ausstellungen

Veit-Mario Thiede
04.01.2022

Heinrich Schliemann ist der einzige Archäologe, der ebenso berühmt ist wie seine Ausgrabungen. Der Entdecker des „Schatzes des Priamos“ und der „Goldmaske des Agamemnon“ wurde am 6. Januar 1822 im mecklenburgischen Städtchen Neubukow geborene. 

Der Pastorensohn brachte es als Großkaufmann zum Multimillionär, der kostspielige Ausgrabungen initiierte. Der rastlose und ungeduldige Schliemann starb am 26. Dezember 1890 an den Folgen einer nicht ausgeheilten Ohrenoperation in Neapel und wurde in Athen beigesetzt. Seine Heimatorte Neubukow und Ankershagen ehren ihn mit Dauerausstellungen, die zum 200. Geburtstag um Sonderausstellungen bereichert werden. 

Mit Originalfunden aus Troja und Informationstafeln vermittelt Neubukows Gedenkstätte kompaktes Wissen über Schliemanns Leistungen. Seine in Fürstenberg begonnene kaufmännische Karriere setzte er dank der Beherrschung von Fremdsprachen im Ausland fort. Er erlernte autodidaktisch Russisch, Englisch, Altgriechisch und 17 weitere Sprachen bei. Mit seinen Handelsniederlassungen in St. Petersburg und Moskau sowie seiner im kalifornischen Sacramento betriebenen Bank für Goldgräber brachte es Schliemann zu enormem Reichtum. 

Doch das Kaufmannsleben behagte ihm immer weniger. Wissenschaftliche Betätigung erkor er zur neuen Lebensaufgabe. An der Uni Rostock erlangte er 1869 die Doktorwürde und verlieh im selben Jahr auch seinem Privatleben eine neue Wendung: Er ließ sich von seiner russischen Ehefrau scheiden und heiratete in Athen Sophia Engastromenos, die 17 Jahre alt und wie er von Homer begeistert war. 

Homer war der Leitstern von Schliemanns Leben. Er setzte seinen ganzen Ehrgeiz daran, das vom griechischen Dichter besungene Troja zu finden, in dem König Priamos herrschte und das die Griechen unter Führung Agamemnons zerstörten. In seiner Selbstbiographie behauptet Schliemann, sich das bereits in seiner Kindheit vorgenommen zu haben, die er von 1823 bis 1832 in Ankershagen verbrachte. Im damaligen Pfarrhaus ist heute das Heinrich-Schliemann-Museum untergebracht. Die ansprechend inszenierte ständige Ausstellung informiert mit Briefen, Originalfunden und Multimediastationen über Leben und Ausgrabungen des Jubilars. 

Im Vertrauen auf die Beschreibungen des antiken Reiseschriftstellers Pausanias, der 160 n. Chr. Mykene besuchte, wies Schliemann die 1876 von ihm dort entdeckten fünf Schachtgräber Agamemnon und weiteren griechischen Helden des von Homer beschriebenen Trojanischen Krieges zu. Der vermutlich im 8. und 7. Jahrhundert v. Chr. lebende Dichter griff mündliche Überlieferungen auf, die sich auf die Zeit um 1200 v. Chr. beziehen. 

Das aber passt nicht zu den von Schliemann entdeckten Gräbern, da diese 400 Jahre älter sind. Ihre prächtigen Beigaben sind in Athens Archäologischem Nationalmuseum ausgestellt. Ankershagen zeigt Kopien der sogenannten „Goldmaske des Agamemnon“ und anderer Prunkstücke. Zwar irrte sich Schliemann mit der Datierung und Personalisierung der Gräber. Dennoch ist sicher, dass er die vor seinen Aktivitäten völlig unbekannte „mykenische Kultur“ entdeckt hat. 

Drei neue Jubiläums-Ausstellungen 

Troja ist der letzte Raum des Rundgangs gewidmet. Als sich Schliemann auf der Suche nach den Überresten der antiken Stadt in Kleinasien umsah, begegnete er 1868 Frank Calvert. Der Hobbyarchäologe überzeugte Schliemann, dass sich in dem in der Nähe der Dardanellen gelegenen Schutthügel Hissarlik die Überreste des von Homer beschriebenen Troja befinden. Von 1870 bis 1890 rückte Schliemann in mehreren Grabungskampagnen dem 15 Meter hohen Schutthaufen zu Leibe. Er besteht aus den Überresten von Siedlungen, die im Laufe von 3500 Jahren aufeinander erbaut wurden. Unterschieden werden neun Hauptschichten. In Schicht II, die heute auf 2500 bis 2300 v. Chr. datiert wird, ermittelte Schliemann Brandspuren und verkündete, die im Trojanischen Krieg untergegangene Stadt entdeckt zu haben. Im Gegensatz zu Schliemann plädiert heute die Mehrheit der Wissenschaftler für Schicht VIIa (1250–1180 v. Chr.) als das homerische Troja. 

In Schicht Troja II machte Schliemann 1873 einen Fund, dem er den aufsehenerregenden Namen „Schatz des Priamos“ gab. Er besteht aus Gefäßen, Waffen und Goldschmuck. Beraten von seinem Freund, dem Arzt und Urgeschichtsforscher Rudolf Virchow, trennte sich Schliemann von seinem Schatzfund und vielen weiteren trojanischen Objekten. Der Königlich-Preußische Staatsanzeiger berichtete am 7. Februar 1881: „Der durch seine Entdeckungen in Troja und Mykene bekannte Dr. Heinrich Schliemann in Athen hat seine bisher in London ausgestellt gewesene Sammlung trojanischer Alterthümer zu einem Geschenk für das deutsche Volk und zur Aufstellung in der Reichshauptstadt bestimmt.“ 

Zahlreiche Keramikfunde sind noch heute auf der Berliner Museumsinsel ausgestellt. Die wertvollsten Stücke aber verschlug es infolge des Zweiten Weltkrieges als Beutekunst nach Moskau, wo sie heute im Puschkin-Museum zu sehen sind, während sich das Neue Museum von Berlin mit Kopien begnügen muss. 

Pünktlich zum 200. Geburtstag beginnt am 6. Januar in Neubukow die Ausstellung „Schliemanns Erben – Archäologie heute“. Am 8. Januar eröffnet in Ankershagen die Schau „Und überall sprach man plötzlich von Troja“. Denn Schliemanns Ausgrabungen waren ein Medienereignis. An diesem wirkte Schliemann eifrig mit, indem er in Zeitungsartikeln die Öffentlichkeit über seine sensationellen Ausgrabungserfolge unterrichtete. Und am 13. Mai startet in der James-Simon-Galerie auf der Berliner Museumsinsel die Schau „Schliemanns Welten“. Sie legt ihr besonderes Augenmerk auf das abenteuerliche Leben des nach den Worten seiner Biographin Leoni Hellmayr disziplinierten und ehrgeizigen, aber auch verbissenen und geltungsbedürftigen Menschen Heinrich Schliemann. 

• Weitere Informationen

Heinrich-Schliemann-Gedenkstätte Neubukow: www.museumsverband-mv.de/heinrich-schliemann-gedenkstaette-neubukow 

Heinrich-Schliemann-Museum Ankershagen: www.schliemann-museum.de 

Sonderschau Berlin: www.smb.museum/ausstellungen/detail/schliemanns-welten 

Lesetipp Leoni Hellmayr: „Der Mann, der Troja erfand“, wbg Paperback, 20 Euro

 


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Kommentare

Michael Holz am 06.01.22, 16:11 Uhr

Als Kind habe ich "Die Irrfarten des Odysseus" und "Kampf um Troja" gelesen. Von meinem Taschengeld habe ich die in Leder gebundenen Werke Homers erworben (Ins Deutsche übersetzt, nicht in Altgriechisch). 1976 oder 1977 stand ich auf dem Hügel und konnte die Reste von Schliemanns Ausgrabungen bewundern, im Schatten eines riesigen Holzpferdes. Dabei vermeinte ich das Waffengeklirr zu hören, im Kampf um Troja im Dunkel der Geschichte. Danke Heinrich Schliemann!

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