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Die Spätaussiedlerin Katharina Martin-Virolainen hat in ihrem Roman „Die Stille bei Neu-Landau“ Zeitzeugen befragt, Dokumente aus Archiven ausgewertet und in ihrem neuen Roman verarbeitet
Die Alten reden nicht, die Jungen hören nicht zu“ – der auf dieser Aussage basierende Generationenkonflikt dauert in vielen russlanddeutschen Familien seit Jahrzehnten an. Der Roman „Die Stille bei Neu-Landau“ von Katharina Martin-Virolainen möchte dazu beitragen, diese unsichtbare Mauer zwischen den Generationen zu durchbrechen und beide Seiten einander näherzubringen. Der historische Roman handelt vom Schicksal der deutschen Minderheit, die bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkrieges im Schwarzmeergebiet lebte.
Die Schwarzmeerdeutschen gerieten durch die deutsche Besatzung 1941 bis zur Evakuierung nach Deutschland und der späteren mehrheitlichen „Repatriierung“ zurück in die Sowjetunion nach Kasachstan zwischen die Walzmühle zweier Diktatoren. Der Roman basiert auf wahren Begebenheiten. Auch Neu-Landau gab es. Das Dorf lag im Kronauer deutschen Siedlungsgebiet bei Odessa.
In dem Roman geht es um den Verlust von Identität und den Versuch, diese neu aufzubauen durch die Überwindung der jahrzehntelangen Mauer, die zwischen der schweigenden Eltern- und Großelterngeneration und der fragenden Kinder- und Enkelgeneration steht. Zeitzeugengespräche dienten als Grundlage für den Roman. Die Autorin, obwohl selbst Spätaussiedlerin, hat in ihrer Vorarbeit mit vielen Menschen gesprochen, die ihr aus den Erinnerungen ihrer Eltern oder Großeltern berichten konnten.
Eine Ausstellung war Auslöser
Der Auslöser für ihre Entscheidung, das Buch zu schreiben, war die Ausstellung „Volksgenosse oder Feind des Volkes. Die doppelte Diktaturerfahrung der Schwarzmeerdeutschen“ im Museum für russlanddeutsche Kulturgeschichte in Detmold. Darüber hinaus hat die Autorin Heimatbücher der Landsmannschaft, Landschafskarten und Evakuierungswege, Listen von Bombardierungen während des Zweiten Weltkriegs, Berichte aus den letzten Kriegstagen in Deutschland und Frontlinien verarbeitet. Vor allem die Tatsache, dass es die Schwarzmeerdeutschen waren, die damals als einzige Gruppe der Russlanddeutschen zwischen zwei Diktaturen gerieten und unter beiden leben mussten, reizte die Autorin, dieses Thema in Romanform aufzuarbeiten.
Im Roman gibt es zwei Schlüsselfiguren. Auf der einen Seite steht Julia, die Vertreterin der jungen Generation der Spätaussiedler, die mehr über die Vergangenheit erfahren möchte. Auf der anderen ihre Großtante Margo, die Vertreterin der Erlebnisgeneration, die erst durch Julia die Gelegenheit bekommt, über ihren Schicksalsweg zu berichten.
Die Autorin ist sicher, dass alle russlanddeutschen Spätaussiedler sehr ähnliche Erfahrungen gemacht haben. Es gibt viele Parallelen in ihren Lebenswegen und in den Schicksalen ihrer Eltern, Groß- und Urgroßeltern. Deshalb kann der Roman zur Aufarbeitung und Bewältigung der unausgesprochenen Lebensbrüche dieser Volksgruppe beitragen und so den nachfolgenden Generationen helfen, ihre Gegenwart besser zu gestalten.
Martin-Virolainen wurde 1986 in Petrosawodsk, der Hauptstadt russisch Kareliens, mit deutschen, finnischen und russischen Wurzeln geboren. Im Jahr 1997 kam sie als Spätaussiedlerin mit ihren Eltern in die Bundesrepublik. Sie ist als freie Journalistin und Projektleiterin in den Bereichen Kinder- und Jugendarbeit, Tanz und Theater sowie Kultur, Geschichte und Literatur der Deutschen aus Russland tätig.