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Vor 50 Jahren wurde in Hamburg der Polizist Norbert Schmid erschossen
Und „natürlich kann geschossen werden“. Als Ulrike Meinhof im Juni 1970 diese Worte äußerte, waren bereits Taten vorausgegangen. Die Journalistin Meinhof, führendes Mitglied der Terrorgruppe „Rote Armee Fraktion“ (RAF), war an der „Befreiung“ von Andreas Baader beteiligt gewesen. Baader hatte zwei Jahre zuvor Brände in Frankfurter Kaufhäusern gelegt, dies sollte ein Protest gegen den Vietnamkrieg sein. Meinhof, deren Verbindung zum Terror noch unbekannt war, arrangierte am 14. Mai 1970 im Berliner Zentralinstitut für soziale Fragen ein Treffen mit dem Häftling Baader unter dem Vorwand mit diesem ein Buch verfassen zu wollen. Bei dieser Gelegenheit wurde ihm mit Waffengewalt die Flucht ermöglicht, der Institutsangestellte Georg Linke erlitt eine schwere Schussverletzung. Der Tag gilt als Gründungsdatum der RAF, auch wenn sie sich selbst erst seit April 1971 so bezeichnete.
Die RAF verübte eine Vielzahl von Gewalttaten. Sie ging aus der Studentenbewegung der 1960er Jahre hervor, agierte im Untergrund und war in ihrem Selbstverständnis „antiimperialistisch“, „antikapitalistisch“ und „antifaschistisch“. Letztlich bekämpfte sie aber, trotz einer Reihe ideologischer Ausarbeitungen, nur blind das „System“ der Bundesrepublik. Erstes Mordopfer der RAF war der 33-jährige Polizist Norbert Schmid, der vor 50 Jahren, am 22. Oktober 1971, in Hamburg-Poppenbüttel erschossen wurde.
Gründung der RAF 1970
Die Geschichte der RAF und damit auch den Mord an Schmid hat der Anwalt und Journalist Butz Peters minutiös in seinem Buch „Tödlicher Irrtum“ nachgezeichnet. In einem Hamburger Hochhaus trafen am 21. Oktober 1971 zehn RAF-Mitglieder zusammen. Neben Ulrike Meinhof war auch Margrit Schiller dabei, die während ihrer Zeit als Psychologiestudentin zum Linksradikalismus gefunden hatte. Sie war seit drei Monaten „voll in der Fahndung drin“, wie es die Terroristin Irmgard Möller ausdrückte. Schiller sollte damals mit einem weiteren RAF-Mitglied eine falsche Fährte legen, um vom Hamburger Aufenthaltsort abzulenken. Bei einer Polizeikontrolle hatte ihr „Genosse“ das Feuer auf die Polizisten eröffnet. Zwar konnten die Terroristen fliehen, aber durch Schillers zurückgelassene Handtasche war den Behörden nun ihre Identität bekannt.
Schiller war ein Gegenstand der Besprechung im Hamburger Hochhaus, „weil wir auch bereden wollen, wie es mit dir weitergeht“, so Meinhof. Kurz vor 1 Uhr, es war inzwischen der 22. Oktober, wurden Gerhard Müller und Schiller von Meinhof aufgefordert, sie zu einer Telefonzelle zu begleiten. Die Hochhauswohnung verfügte zwar auch über ein Telefon, aber Meinhof befürchtete, dieses könne abgehört werden. Unterwegs wurden zwei Zivilfahnder in einem Auto auf die Gruppe aufmerksam. Meinhof bemerkte richtig: „Scheiße, das sind Bullen.“ Schmid packte Meinhof am Arm, sie griff zu ihrer Waffe und riss sich los.
Müller feuerte, der Polizeimeister wurde von sechs Kugeln getroffen und brach zusammen. Seine eigene Pistole hatte er nicht aus dem Halfter gezogen. Sein Kollege war hinter einer Hecke in Deckung gegangen. Nach einer weiteren, leicht abweichenden Überlieferung wollten die Fahnder zunächst nur Schiller überprüfen, die beiden anderen hatten sich unentdeckt im Hintergrund gehalten.
Mindestens 33 Todesopfer
Meinhof und Müller flohen, Schiller setzte sich in den offenstehenden Polizeiwagen und fuhr ihn weg, um zu vermeiden, dass die Verfolgung aufgenommen werden konnte. Als sie von einer Telefonzelle die in der Hochhauswohnung verbliebenen Terroristen warnen wollte, wurde sie von einer Streife gestellt und verhaftet, ihre Reaktion: „Ich dachte schon, ihr wolltet mich ficken.“ Schiller wurde verurteilt, kam 1973 wieder frei und ging erneut in den Untergrund.
Im Krankenhaus wurde der Tod von Schmid festgestellt, er hinterließ eine Frau und zwei Kinder im Alter von fünf und sechs Jahren. Müller, der erst im Folgejahr gestellt wurde, war später Kronzeuge der Bundesanwaltschaft. Die Mordanklage gegen ihn wurde fallengelassen, da sich während der Untersuchung plötzlich Unsicherheiten über den genauen Tathergang ergaben. In Hamburg-Hummelsbüttel wurde ein Platz nach Schmid benannt.
Die Hochhauswohnung wurde wenige Tage nach den Schüssen auf Schmid entdeckt, die RAF hatte sie zwar verlassen, allerdings waren Munition, Sprengstoff, Material für Rohrbomben und Polizeiuniformen zurückgeblieben. Gemietet worden war die Wohnung von dem linken Liedermacher Hannes Wader, der sich ab Ende der 1970er Jahre in der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) engagierte. Er erklärte, nichts mit der RAF zu tun zu haben, den Schlüssel habe er einer Frau überlassen, die er erst wenige Stunden zuvor kennengelernt habe. Dabei handelte es sich um RAF-Mitglied Gudrun Ensslin, die unter falschem Namen aufgetreten war. Das Bundeskriminalamt hielt Waders Ausflüchte für unglaubwürdig, das Gegenteil war ihm allerdings nicht nachzuweisen.
Selbstauflösung der RAF 1998
Bereits zwei Monate nach den Vorgängen in Hamburg gab es am 22. Dezember 1971 ein weiteres Mordopfer. Mit Herbert Schoner handelte es sich abermals um einen Polizisten. Schoner sprach in Kaiserslautern einen falsch parkenden VW-Bus-Fahrer an. Dieser versuchte zunächst zu fliehen, schoss dann aber auf Schoner. Schoner schleppte sich zum nächsten Gebäude, es handelte sich um eine Bank, die soeben von der RAF überfallen wurde. Der VW-Bus stand offenbar im Zusammenhang mit dem Vorhaben. Einer der Bankräuber schoss in der Annahme, der Polizist sei ihretwegen da, ein weiteres Mal auf ihn, Schoner starb. Von den sieben Tatbeteiligten ist bis heute nur einer bekannt.
Über insgesamt drei sogenannte Generationen setzte die RAF ihr Wirken fort. Eckpunkte der blutigen Geschichte sind etwa die Geiselnahme in der deutschen Botschaft Stockholm 1975 oder die Entführung und Ermordung des Arbeitgeberpräsidenten Hanns Martin Schleyer 1977, auch für den tödliche Anschlag auf den Deutsche-Bank-Sprecher Alfred Herrhausen 1989 liegt ein Bekennerschreiben vor. Mindestens 33 Menschenleben fielen der RAF, die 1998 ihre Selbstauflösung erklärte, zum Opfer. Bis heute bemüht sich eine nicht unerhebliche Zahl von Historikern und Publizisten immer wieder darum, die RAF zwar nicht unkritisch zu betrachten, jedoch in einer den Taten völlig unangemessenen Weise um Verständnis zu werben.
Chris Benthe am 21.10.21, 10:13 Uhr
Die totalitäre Mentalität der RAF hat in den Terrorzellen der sog. "Antifaschistischen Aktion", sogar gefördert mit Steuergeldern, überlebt. Es ist eine Frage der Zeit, wann diese tödliche, menschenverachtende Ideologie ihr erstes Opfer haben wird. Der - fast tödliche - Angriff auf die Gewerkschafter in Stuttgart beweist dies. Die alltäglich präsente Drohkulisse gegen Konservative, beispielsweise die Androhung von Gewalt gegen Beherbergungsbetriebe und Saalvermieter, zeigt ein erschreckendes Bild. Man fühlt sich an die Zeit der Weimarer Republik erinnert. Die RAF hat ihr Erbe weitergegeben, sie existiert fort in einem anderen Gewand, diesmal sogar mit (halb-)staatlicher Unterstützung. Der "Kleine Terror" ist durchaus willkommen, er hilft, den politischen Gegner in Schach zu halten und Wahrheiten zu verschleiern. Allerdings für eine gewisse Zeit nur.
Siegfried Hermann am 21.10.21, 09:49 Uhr
Sehr ausführlich. Und unübersehbar ein Mahnmal für die heutige naiven Kids.
Was aber immer noch unklar ist, oder besser zensiert wird, die Beteiligung der Stasi (!!), die Topterroristen logistisch, finanziell voll unterstützt hat, Rückzugs-räume organisierten und für internationale Verbindungen zu anderen terroristischen Gruppen wie Hamas, PLO sorgte.
Der Mord an Herrhausen ist eine andere Baustelle und hat mit RAF-aktivitäten nur am Rande zutun.
Das war definitiv eine präzise militärisch durchgeführte Operation im Stile von CIA, SAS, oder Blackwater. Dem BND wäre das auch zuzutrauen.
Ich glaube kaum, das US-"Aktivisten" den RAF-Terror-brüdern eine so hochentwickelte Technik frei Haus geliefert hätten. Die hätten das problemlos neu besorgt und an anderer Stelle "verbraucht". Dann wäre die Bundes-NGO-Regierung in arge Bedrängnis und Erklärungsnot gekommen.