28.03.2024

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Wilhelm Reinhard

Der erste Präsident des Volkstags

Bodo Bost
16.12.2022

Dem am 4. September 1860 in Neuwied in der preußischen Rheinprovinz geborenen Landwirtssohn Wilhelm Reinhard schwebte alles andere als eine politische Karriere vor, als er 1878 begann, evangelische Theologie zu studieren. Schon mit 23 Jahren wurde er zum Predigtamt der Evangelischen Landeskirche der älteren Provinzen Preußens ordiniert. Nach einem Vikariat in der Kurmark wurde er Domhilfsprediger in Berlin. 1888 trat er sein erstes Gemeindepfarramt in Paplitz in der Mark Brandenburg an. 1895 wurde er erster Pfarrer und Superintendent im westpreußischen Freystadt. Mit nur 39 Lebensjahren wurde er 1899 Konsistorialrat und erster Pfarrer an der Oberpfarrkirche von St. Marien und zugleich Stadtsuperintendent in Danzig. Seine Amtseinführung vollzog der Oberhofprediger Ernst von Dryander aus Berlin. Mehr als 600-mal stand Reinhard auf der Kanzel von St. Marien. 1911 wurde er zusätzlich Generalsuperintendent der Provinz Westpreußen. Die Universität Königsberg verlieh ihm 1917 den theologischen Ehrendoktor.

Mit dem Ende des Ersten Weltkrieges und dem Friedensdiktat von Versailles wurde Danzig wie das Memel- und Saargebiet unter Völkerbundverwaltung gestellt. Nach fast 20-jähriger Tätigkeit als Superintendent wechselte der Patriot nun in die Politik. 1920 wurde er als Listenerster der Deutschnationalen Volkspartei (DNVP) in die verfassungsgebende Versammlung Danzigs gewählt. Als stärkste Fraktion hatte die DNVP das Vorschlagsrecht für das Präsidentenamt. Reinhard wurde am 14. Juni 1920 zum Präsidenten der verfassungsgebenden Versammlung und später auch des ersten Volkstages der Freien Stadt Danzig gewählt.

Reinhard verstand es, das Vertrauen sowohl der Danziger als auch des Völkerbundes zu gewinnen. Ihm ist es zu verdanken, dass eine Neutralitätserklärung in die Verfassung des jungen Staates hineingeschrieben wurde. Damit konnte er polnische Ansprüche abwehren und der Bevölkerung, die zur Zukunft ihrer Stadt nicht gefragt worden war, wieder Vertrauen in die Politik zurückgegeben.

Als der neue Stadtstaat in ruhigere Fahrwasser kam, verließ Reinhard Danzig und widmete sich wieder seiner kirchlichen Arbeit. Nach einem Zwischenaufenthalt in Berlin, wo er zum Präsidenten der Preußischen Verfassungsgebenden Kirchenversammlung gewählt wurde, wechselte er Ende 1920 als Generalsuperintendent nach Stettin in Pommern. Dort starb er am 17. Dezember 1922 mit 62 Jahren infolge eines Herzinfarkts. Er fand in der Schlosskirche in Stettin seine letzte Ruhestätte.


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