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Es ist abzuwarten, ob der Handelsvertrag zwischen den Mercosur-Staaten und der EU nur Schall und Rauch bleibt oder nicht
Foto: IMAGO / DepositphotosEs ist abzuwarten, ob der Handelsvertrag zwischen den Mercosur-Staaten und der EU nur Schall und Rauch bleibt oder nicht

Freihandel

Der EU-Mercosur-Vertrag: ein Abkommen als Spaltpilz

Während Staaten wie Österreich und Polen negative Folgen befürchten, hofft Deutschland auf neue Absatzmärkte und auf den Bezug von Rohstoffen

Hermann Müller
06.12.2024

Als der EU-Rat Anfang Oktober für die Einführung von Strafzöllen auf chinesische Elektroautos stimmte, war dies eine Niederlage für den deutschen Bundeskanzler und ein Sieg für Frankreichs Präsident Macron. Olaf Scholz hatte die Zölle mit Blick auf die Handelsbeziehungen mit China eigentlich verhindern wollen.

Beim EU-Freihandelsvertrag mit den südamerikanischen Mercosur-Staaten droht nun allerdings Frankreichs Präsident eine Niederlage. Die EU hat seit 1999 über den Handelsvertrag mit den Staaten Brasilien, Argentinien, Paraguay, Bolivien und Uruguay verhandelt. Mittlerweile sind die Gespräche in der Schlussphase. Im Erfolgsfall entsteht eine Freihandelszone mit rund 750 Millionen Menschen. Seit Ende November versuchen Unterhändler der EU letzte Details des Abkommens zu klären. In Brüssel erwarten Beobachter, dass Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen den ausgehandelten Vertrag auf dem EU-Ratstreffen vom 18. bis 20. Dezember präsentieren wird.

Aber selbst mit ihrer Unterschrift ist der Vertrag dann noch immer nicht in trockenen Tüchern. Damit die europäisch-südamerikanische Freihandelszone tatsächlich starten kann, muss der EU-Rat der Staats- und Regierungschefs noch mit qualifizierter Mehrheit dem Vertrag zustimmen. Dazu sind die Ja-Stimme von mindestens 15 Staaten notwendig, die mindestens 65 Prozent der Bevölkerung in der EU repräsentieren.

Frankreichs Präsident Macron bemüht sich seit Monaten intensiv darum, eine Sperrminorität zu organisieren. Macron steht dabei unter massivem innenpolitischen Druck. Die Ablehnung des EU-Mercosur-Abkommens war bei den massiven Bauernprotesten zum Jahresanfang eine Kernforderung. Befürchtung der französischen Landwirte ist ein flächendeckendes Hofsterben, wenn ohne Zollschranken vor allem Rindfleisch aus Argentinien und Brasilien auf den europäischen Markt kommt. Kann der innenpolitisch angeschlagene Macron den Vertrag nicht stoppen oder Änderungen durchsetzen, kann dies aus Sicht vieler Beobachter vor allem Marine Le Pens Rassemblement National weiteren Aufwind verschaffen.

Klare Anti-Positionen
Bei seinem Vorhaben, den Handelsvertrag im EU-Rat zu stoppen, kann Macron auf Österreich und Polen zählen. Als größter Geflügelproduzent fürchtet Polen überwiegend negative Folgen durch den Handelsvertrag. Die Tusk-Regierung verabschiedete am 26. November eine Resolution, in der sie sich ganz klar gegen den Vertrag in seiner derzeitigen Form aussprach. In Österreich hatte das Parlament bereits 2019 die Ablehnung des Abkommens beschlossen. Im Frühjahr bestätigte Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig in Brüssel die Ablehnung Österreichs: „Landwirtschaft in Europa durch immer höhere Standards einzuschränken und gleichzeitig aus Übersee Rindfleisch- und Zucker zu geringeren Standards zu importieren“, funktioniere nicht. Auch das niederländische Parlament hat eine Ablehnung des EU-Mercosur-Vertrages beschlossen. Zur Allianz der Gegner des Handelsvertrags gehört auch Irland.

Ob die Regierungen in Paris und Warschau das Abkommen im EU-Rat per Sperrminorität stoppen können, hängt stark davon ab, wie sich Italiens Regierung entscheidet. Bislang zeigt sich Rom gespalten. Landwirtschaftsminister Francesco Lollobrigida, Schwager der Ministerpräsidentin Giorgia Meloni, lehnt das Freihandelsabkommen ab. Vizepremier Tajani (Forza Italia) ist im Grunde für das Abkommen, will aber Nachbesserungen.

Abkoppeln von China
Zu den wichtigsten Befürwortern des Abkommens mit den Südamerikanern gehört neben Spanien auch die Bundesregierung. Zwar fordert der Präsident des Deutschen Bauernverbandes, Joachim Rukwied, eine Neuverhandlung des Abkommens, für die Bundesregierung ausschlaggebend dürfte allerdings das Interesse der deutschen Industrie sein, die im Freihandelsvertrag vor allem große Chancen sieht. Dabei geht es um den Bezug von Rohstoffen, aber auch um Absatzmärkte, etwa für die hiesigen Autobauer. Wichtige Märkte, die bislang deutsche Produkte abgenommen haben, sind weggebrochen oder durch Sanktionen und Handelskriege gefährdet. Der deutsche Handel mit Russland ist regelrecht kollabiert.

Bei den Wirtschaftsbeziehungen mit China drängen die EU-Kommission und die Biden-Administration auf eine immer stärkere Abkoppelung und Verringerung der Abhängigkeiten von China. Nach den Erfahrungen mit der ersten Trump-Amtszeit muss die deutsche Wirtschaft damit rechnen, dass sich dieser Trend weiter verstärkt. Rechnen müssen hiesige Unternehmen in der neuen Trump-Regierungszeit ebenso mit Zollschranken, möglicherweise sogar einem Handelskrieg zwischen der EU und den USA.


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