19.04.2025

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Biographie

Der fast vergessene Werner Bergengruen

Eckhard Langes Biographie stellt Leben und Werk des Autors vor – Eine bereichernde Wiederentdeckung

Ute Eichler
19.04.2025

Dieses Buch zu lesen, erfordert viel Zeit. Wer sie investiert, schöpft großen Gewinn. Eckhard Lange, der Verfasser der Mitte 2024 im Georg Olms Verlag erschienenen Biographie „Werner Bergengruen. Ein letzter seiner Art“, ist seit 2017 der Nachlassverwalter der Werke Bergengruens. Ebenfalls ist er Präsident der Werner-Bergengruen-Gesellschaft e.V. und Herausgeber der „Bergengrueniana“, des Periodikums des Vereins, der seinen Sitz in Uelzen hat. Diese Aufgabengebiete erklären nicht nur seine Nähe, seine Sympathie und seine starke Beziehung zu Leben und Schaffen des 1964 in Baden-Baden verstorbenen Autors, sondern auch seine tiefe Werkkenntnis.

Während der 1892 in Riga geborene Bergengruen nach dem Zweiten Welt-krieg, auch noch nach seinem Tod 1964, neben Ernst Wiechert und Hermann Hesse einer der meistgelesenen Schriftsteller in Deutschland war, fielen ab 1968 sein Name wie sein Werk nach und nach ins Vergessen. In Schullesebüchern wie in der jüngeren deutschen Literaturgeschichte kam er nicht mehr vor. Dabei hatte er Werke von zeitloser Bedeutung, von klassischem Rang geschaffen. Erst in der 2005 erschienenen „Deutschbaltischen Literaturgeschichte“ von Gero von Wilpert wird ihm wieder die Stellung zugeschrieben, die er durch sein Werk innehat. Darin heißt es: „Ein Vergleich der beiden bedeutendsten und fast gleichaltrigen baltischen Erzähler des 20. Jahrhunderts Thiess und Bergengruen erweist eine Reihe von Parallelen wie die durch die Russifizierung bedingte Übersiedlung ins Reich im Schulalter, die zeitweilige journalistische Tätigkeit, die bleibende Verbundenheit mit dem Baltikum und eine langanhaltende Wirkung weit über den baltischen Raum hinaus.“

Werke von klassischem Rang
Was heute kaum noch bekannt ist: Ber-gengruen war in der Nachkriegszeit fünfmal für den Literaturnobelpreis nominiert.

Nun liegt endlich, sechs Jahrzehnte nach dem Tod des Schriftstellers, eine Biographie vor, die seinem Leben und Werk in vollem Umfang gerecht wird. Hier ist jemand – Eckhard Lange – nicht nur fleißig, sondern gründlich und gewissenhaft gewesen, nahezu besessen von der selbstgestellten Aufgabe, den Lebensweg dieses Mannes nachzuzeichnen, der ein bedeutendes und vielseitiges literarisches Werk hinterlassen hat. Auch wenn Bergengruen heute zu den Autoren zu zählen ist, die nur noch wenigen viel zu sagen haben, so wird der interessierte Leser umso dankbarer sein, dass mit dieser Biographie eine die Rückbe-sinnung fördernde und Neugier auf die Lektüre einzelner Werke auslösende Publikation vorliegt, die gut zu lesen, klar gegliedert und aussagekräftig ist für alle Lebensstationen Bergengruens. Geschickt sind Zitate eingefügt, die mehr sind als überzeugende Beweise für die Entwicklung des Autors in seinem Schaffen.

Innerhalb von drei Monaten war die erste Auflage der Biographie vergriffen. Die zweite Auflage ist angekündigt. Zu wünschen wäre einzig, dass die Wiedergabe des Bildmaterials in etwas besserer Qualität erfolgen könnte. Leser und Kritiker wie der Germanist Günter Scholdt, die Autoren Arnold Stadler und Martin Mosebach oder der Essayist Michael Maar äußern in seltener Übereinstimmung, dass Bergengruen die Wiederentdeckung verdiene und dass Langes Biographie „eine Großtat“ und „das ultimative Werk zum Leben und zur literarischen Produktion“ dieses bedeutenden Schriftstellers des 20. Jahrhunderts ist.

Nebenbei: Der kürzlich verstorbene Elimar Schubbe, ab 1997 Chefredakteur des Ostpreußenblatts, versäumte auf seinen Reisen in das Baltikum nie, die Mitreisenden auf den von ihm hoch geschätzten Werner Bergengruen hinzuweisen. Wer einmal erlebt hat, wie Schubbe mit seiner klangvollen und baltisch gefärbten Stimme eine Novelle Bergengruens vortrug, „Kaddri in der Wake“ beispielsweise oder „Die gelbe Totenvorreitersche“ (diese und mehr versammelt in „Der Tod von Reval“), hat solche Abende nicht vergessen.

Die Autorin dieser Zeilen kannte bis Ende der 1990er Jahre Bergengruen nur als Verfasser der Kinderbücher vom „Zwieselchen“. Nun begann – dank Schubbes Einfluss – nach und nach die Lektüre aller Novellen, auch der „Spu-k-novellen“, anschließend der Erzählungen wie die in dem 1959 erschienenen Band „Zorn, Zeit und Ewigkeit“ oder „Von baltischer Reiselust“. Nachdem auch solche Werke entdeckt wurden wie „Römisches Erinnerungsbuch“ (1949, mit Fotografien von Charlotte Bergengruen) und „Deutsche Reise“ (1934!), folgte die erste Lektüre von Bergengruenschen Romanen: „Am Himmel wie auf Erden“ (1940 erschienen), „Der goldene Griffel“ (in der 1962 vom Autor revidierten Neuausgabe) und anderer.

Spät erst wurde zur Kenntnis genommen, dass Bergengruen auch ein zwar schmales, doch gewichtiges lyrisches Werk hinterlassen hat, veröffentlicht als „Magische Nacht. Gesammelte Liebesgedichte“ oder „Leben eines Mannes. Neunzig Gedichte, chronologisch geordnet“. Leider gibt es bis heute keine Werkausgabe. Vielleicht kann auch in dieser Hin-sicht die von Lange verfasste Biographie ein Umdenken bewirken.

Leider gibt es bis heute keine Werkausgabe. Vielleicht kann auch in dieser Hin-sicht die von Lange verfasste Biographie ein Umdenken bewirken.

Eckhard Lange: „Werner Bergengruen. Ein letzter seiner Art. Eine Biographie“, Georg Olms Verlag, Baden-Baden 2024, gebunden, 486 Seiten, 49 Euro


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