27.04.2024

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Debatte

Der getilgte Friedensstifter

Das Auswärtige Amt hält Otto v. Bismarck nicht mehr für erinnerungswürdig. Das erstaunt gerade in diesen Zeiten - war Bismarck doch nicht nur der Gründer des Hauses, sondern auch der Vermittler einer letzten gesamteuropäischen Friedensordnung

Eberhard Straub
27.12.2022

Unlängst wurde handstreichartig im Auswärtigen Amt der Bismarck-Saal in „Saal der Deutschen Einheit“ umbenannt und dort das Porträt des ersten deutschen Außenministers entfernt. Begründet wurde dies damit, dass das „Auswärtige Amt seine Traditionslinien maßgeblich in der demokratischen Geschichte Deutschlands verankert sieht“.

Abgesehen davon, dass ein Ministerium keine demokratisch verfasste Diskussionsveranstaltung ist, gehört gerade Bismarck zur Entwicklungsgeschichte des Parlamentarismus in Deutschland. Er führte 1866 im Norddeutschen Bund und anschließend 1871 im Deutschen Reich das allgemeine, gleiche und geheime Wahlrecht ein. Damit übernahm er Forderungen der Revolution von 1848, die vom Verlangen nach nationaler Einigung dynamisiert worden war.

Schon vor der Revolution trat Bismarck für die Möglichkeit der öffentlichen Kritik im Parlament und in der Presse ein, um der Gefahr vorzubeugen, dass Streber oder Phantasten dem König Scheuklappen anlegten, die ihn da­ran hinderten, seinen Aufgaben gerecht zu werden. Noch in einer seiner letzten Reden im Reichstag erinnerte er am 20. Januar 1887 daran, wie notwendig es sei, „dass Vertreter des Volkes und eine freie Presse imstande sind, ohne Furcht und ohne Rücksicht den König und seine Regierung auf jeden irrtümlichen Weg, den er einschlägt, aufmerksam zu machen“.

Ein Anti-Populist

Bismarck bekümmerte es, dass Quacksalber, Projektschmiede oder Schmierenkomödianten immer wieder an Einfluss gewinnen, auch in Parlamenten und Parteien, in denen sich viele ohne Sachkunde in Details verlieren. Ihm missfiel schon als Student bei den politisierten Burschenschaftern die ihm peinliche Verbindung von Utopie und Mangel an Erziehung und damit an Bildung, an politisch und historischer.

Das Emotionsbedürfnis der Presse und der Parlamentarier enttäuschte ihn immer wieder. In der großen Politik, in den zwischenstaatlichen Beziehungen hielt er lautstark verkündete Sympathien und Antipathien für schädlich und verwerflich. „So hört man meines Erachtens auf, Politik zu treiben und handelt nach persönlicher Willkür.“

Das schrieb er 1857 nach dem Krimkrieg und den Versuchen einer damaligen westlichen Wertegemeinschaft, ihre Grundsätze gewaltsam zu propagieren und ihre Regierungsformen anderen aufzudrängen. Darin erkannte Bismarck einen moralisierten Absolutismus wie während der republikanischen Schreckensherrschaft in Frankreich 1793/94, der danach trachtete, die europäischen Nachbarstaaten sich anzugleichen, nicht überredend, sondern mit Kanonen und anderen Waffen, die angeblich Leben retten im Einsatz für die Freiheit.

Friedensstifter in unruhiger Zeit

Nach der Reichsgründung betonte Bismarck immer wieder, dass Deutschland saturiert sei und nur ein Bedürfnis habe: den allgemeinen Frieden vor den Anschlägen aus eigennützigen Motiven zu bewahren, die sich moralisch verbrämten. Wer große Worte vor sich hertrage wie Zivilisation, Menschenrechte, Freiheit oder auch Europa, wolle nur betrügen. Staaten kennen nur Interessen, und es ist geschickter, um sich verständigen zu können, von ihnen stets offen zu reden. Jede Macht, die außerhalb ihrer Interessensphäre auf die Politik der anderen Länder zu drücken sucht, treibt Macht- und nicht Interessenpolitik, wie er 1887 den wegen bulgarischer, russischer und englischer Aufgeregtheiten beunruhigten Europäern zurief. Er rettete damals ein weiteres Mal den Frieden Europas.

Bismarck hatte drei kurze Kriege geführt, die jeweils mit einem Verständigungsfrieden, nicht mit der bedingungslosen Kapitulation beendet wurden. Er hielt sich an die Ratschläge, die er im Dezember 1850 im preußischen Landtag denen vortrug, die damals verärgert über Russland in die Kriegstrompete stießen und sich am Kaminfeuer wärmten: „Wehe dem Staatsmann, der sich in dieser Zeit nicht nach einem Grunde zum Kriege umsieht, der auch nach dem Krieg noch stichhaltig ist.“

Dieser Rat des großen Staatsmanns, der angeblich kein Vorbild mehr sein kann, dürfte auch für die Staatenlenker unserer Tage nicht verkehrt sein. Überhaupt könnten diese in Bismarcks Reden und Schriften viele beherzigenswerte Empfehlungen finden – so sie denn noch bereit sind, so aufmerksam und neugierig zu lesen wie einst der große Staatsmann, dem heute von Halbgebildeten die Vorbildwirkung abgesprochen wird.


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Kommentare

Heiko Rübener am 04.01.23, 12:00 Uhr

„Einen wirklich großen Mann erkennt man an drei Dingen:
Großzügigkeit im Entwurf,
Menschlichkeit in der Ausführung und
Mäßigung im Erfolg.“

Otto von Bismarck

Michael Holz am 30.12.22, 22:56 Uhr

Sehr geehrter Herr Straub,

die Handlung, den Bismark-Saal in „Saal der Deutschen Einheit“ umzubenennen, ist ideologisch zwingend folgerichtig. Die halbgebildeten, an den politischen Sitzen festgeklebten, Anti-Deutschen im Auswärtigen Amt, werden von einer undiplomatischen Hochstaplerin und fanatischen, wie dummen Frau geführt. Sie wirft alle diplomatischen Weisheiten über Bord, indem sie verkündet, Russland ruinieren zu wollen. Da reicht kein Fremdschämen mehr aus, da muss einen das Blut in den Adern kochen, wegen dieser banalen Dummheit.
Man kann nur hoffen, dass eines Tages die Vernunft wieder im AA und auch in Deutschland einkehrt.

MfG

E. Berger am 29.12.22, 19:49 Uhr

Die Grünen stellen (im Widerspruch zu ihrer Wahlkampfparole "keine Waffen in Kriegs- und Krisengebiete") die gnadenlosesten Kriegstreiber in der Koalition. Daher wundert es mich, dass der Autor sich wundert, dass Bärbock Bismarck cancelt.
Vielleicht schämt sie sich sogar insgeheim, dass sie mit ihrem bescheidenen Intellekt seine Nachfolgerin simulieren muss.

Kersti Wolnow am 27.12.22, 09:26 Uhr

Auch mich bekümmerte es, dass "Quacksalber, Projektschmiede oder Schmierenkomödianten immer wieder an Einfluss gewinnen, auch in Parlamenten und Parteien, in denen sich viele ohne Sachkunde in Details verlieren". Mir missfällt bei Medienleuten und Politikern "der Mangel an Erziehung und damit an Bildung, an politisch und historischer." Letzteres weist kein Politiker mehr nach. Man fühlt sich in diesem einem vorgesetzten Umfeld wie ein Gesunder in einer Irrenanstalt, und das schmerzt schon körperlich.
Die Akribie und Zähigkeit, mit der die uns vorgesetzte Schicht Preußen austilgt, zeugt von Planung im Hintergrund.
Wenn ich heute unsere Schulen ansehe, weiß ich, daß wir Normalen ganz schnell handeln müssen, weil die jetzige Generation verloren ist. Methodisch und inhaltlich sind die Lehrstoffe nur noch als Desaster anzusehen. Erst vorgestern legte ich das Deutschbuch weg und erklärte Tochter und Enkelin, daß ich den unübersichtlichen und unsortierten Schmarrn zum Lehren von Präpositionen nicht brauche. Ich fürchte, ich muß in der neuen Zeit wieder in den Schuldienst, zumindest dorthin, wo die Pläne erstellt werden.

Willie Ansbach am 27.12.22, 08:22 Uhr

Es wäre ja nicht das erste mal, daß diejenigen welche Bismarck und seine politischen Grundsätze von Bord geschickt haben, dieses Land innerhalb gschichtlich gesehen kürzester Zeit in den völligen Ruin regiert haben!

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