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Schloss Hohendorf – Ein Familienbesitz geht auf eine Reise durch die Zeit und erlebt Höhen und Tiefen
Nordwestlich von Stralsund gibt es ein Kleinod an der Landstraße 213, versteckt hinter einer Phalanx von hohen Bäumen: Herrensitz Schloss Hohendorf. Wenn man in den Park einbiegt, kommt ein zweigeschossiges hellgelbes Gebäude im neogotischen Stil zum Vorschein. Charakteristisch sind die vorspringenden Seitenflügel mit vorgelagertem Treppenrisalit und Zinnentürmchen, die auch den fünfgeschossigen Bergfried zieren. Zehn Hektar Park mit sehr alten Buchen und Eichen umgeben das Schloss, das in unmittelbarer Nähe zum Nationalpark Vorpommersche Boddenlandschaft liegt.
Die Geschichte des Besitzes reicht ins Jahr 1321 zurück. Damals schenkte Wizlaw III., letzter slawischer Fürst der Insel Rügen, Familie Hup Land in Hohendorf. Eine Familie von der Osten übernahm schließlich im 15. Jahrhundert Teile des Anwesens, das sie 200 Jahre später ganz besaß. 2500 Hektar Land hatte das Gut, zu dem weitere fünf Güter in der Umgebung gehörten.
Kein Geringerer als der Baumeister Karl Friedrich Schinkel entwarf den früheren Adelssitz der Grafen von Klot-Trautvetter. Als der große preußische Architekt 1841 starb, wurde der Bau schließlich von Friedrich Hitzig 1854 ausgeführt, und zwar im Auftrag von Ernst Malte Freiherr von Klot-Trauvetter-Hohendorf, Sohn von Burchard Ernst von Klot auf Hohendorf. Er hatte allerlei vorzuweisen: Zögling der Ritterakademie von Brandenburg, preußischer Kammerherr und Johanniterritter.
Der letzte Bauherr Ernst Johann Freiherr von Klot-Trautvetter († 1843) war mit Wilhelmine von Platen († 1851) verheiratet. Nächster Grundbesitzer war Ernst Malte Friedrich 1. Graf Klot-Trautvetter. Er trat 1843 die Nachfolge auf Hohendorf an und 1870 dem Johanniterorden als Ehrenritter bei. Er heiratete Erbherrin Hedwig Gräfin Bohlen-Preetz.
Geschenk von Fürst Wizlaw III.
1752 wurde die Familie in den schwedischen Freiherrenstand erhoben, 1846 folgte in Potsdam der Grafentitel, sie hieß dann Klot genannt Trautvetter. Man war Fideikommissherr, hatte also allein das Nießbrauchrecht am Grundeigentum, das damit nicht teilbar war. In Familienbesitz ist das Gut seit 1733, begründet durch das Majorat von Johann Reinhold von Trautvetter († 1741). Sein Neffe Wilhelm Reinhold von Klot beerbte ihn und übernahm auch gleich Namen und Wappen derer von Trautvetter.
Dem vermögenden Erben Magnus Graf Klot-Trautvetter gefiel das Schloss nicht mehr, sodass er es um 1900 umbauen ließ. Herbert Graf Klot-Trautvetter (1896–1977) schließlich war der letzte Grundherr auf Hohendorf. Den Ersten Weltkrieg erlebte dieser als Offizier im Rang eines Rittmeisters.
Schlossfahne, Halali und Korn
Dann kam der 12. Januar 1929. Es war winterlich kalt, und Schloss Hohendorf lag in Schnee eingebettet. An dem Tag wurde eine Treibjagd angesetzt. Gegen zehn Uhr hisste man die schwarz-gelbe Schlossfahne zum Zeichen dafür, dass Irmgard Gräfin von Klot-Trautvetter einen Sohn geboren hatte. Die Jagdgesellschaft – später stieß auch Hermann Göring dazu – kam mit einer großen Strecke von über 100 Stück Wild zurück. Nachdem das Halali geblasen war, nahmen die Jäger und Treiber einen ordentlichen Schluck Pommerschen Korn und beschlossen an diesem ehrwürdigen Tag, dass der Stammhalter Hubertus heißen sollte.
Später berichtete dieser: „Es war eine wunderschöne Zeit auf den Gütern, vor allem dies: rundum sorglos aufzuwachsen. Wir Kinder wurden morgens mit dem Kutschwagen zur Schule gefahren oder sind, wenn es die Zeit erlaubte, mit der Kleinbahn nach Stralsund oder Barth gefahren. Wenn wir mittags nach Hause kamen, spielten wir natürlich auf dem Gutshof oder ritten mit unseren Ponys und Reitpferden auf die Äcker. Attraktion war Hirsch ,Hansi', der als Kitz aufgefunden, mit der Flasche großgezogen und wie ein Hund erzogen wurde. Er lief auch allen hinterher, auch den Reitern, und sprang über Koppelzäune und Büsche, später sogar bei Turnieren über den Parcours. Nachmittags segelte uns der Fischer von Langendorf bei gutem Wetter über den Bodden zum Prahm-Ort oder zu den Werderschen Inseln, wo 400 Schafe und 100 Rinder auf saftigen Weiden grasten. Im Herbst landeten dort auch zehntausende von Kranichen. Auf der einen Seite erstreckte sich die Ostsee mit einem wunderbaren langen Sandstrand von Prerow bis zum Bock, auf der anderen Seite der Bodden. Auch zum Baden war es herrlich“.
Für eine Mark zurückgekauft
Wenige Jahre später war es mit der üppigen großdeutschen Herrlichkeit vorbei. Die Russen standen vor der Tür. Von Plünderungen und Vergewaltigungen blieben auch Hohendorf und seine Bewohner nicht verschont. Der russische Kommandeur aber fackelte nicht lange und erschoss kurzerhand die Täter, die er erwischte. Es folgte die abenteuerliche Flucht der Familie, die in einem Auffanglager im niedersächsischen Helmstedt endete. Das Schloss blieb ohne Bergfried und innen verwüstet zurück. Zu DDR-Zeiten machte man ein Altersheim daraus.
Nach der deutschen Einheit kaufte Graf Hubertus 1993 sein Geburtshaus für eine symbolische Mark von der Gemeinde zurück und ließ es – er hatte es in Süddeutschland zu einem wohlhabenden Geschäftsmann gebracht – aufwendig sanieren. Das Schlosshotel und sein gräflicher Eigentümer hatten schnell einen Namen, auch über die Region hinaus: „Einmal einem echten Grafen die Hand geben!“, war eines der Motive von jährlich bis zu 20.000 Gästen. Denen wurden „Ritterabende“ geboten, bei denen Hubertus sie zum Ritter schlug und das sogar beurkundete. Aber auch Vorträge und Konzerte fanden im großen Saal statt. Es wurde, nicht nur zu Hochzeiten, auch getafelt wie zu Vater Herberts Zeiten, der auch gern mal mit seinem „Horch“ das Berliner Luxushotel „Adlon“ zu Spiel und Trank ansteuerte.
Kämpferischer Graf
Das muntere Leben änderte sich, zumal Hubertus sich mit drei Ehefrauen, darunter eine Französin, eine vermutliche Ex-Stasi-Mitarbeiterin und eine Polin, hintereinander einließ und auch sonst für Wirbel in der Hansestadt Stralsund sorgte. Nur einer von vielen „Streichen“: Graffiti gefielen ihm gar nicht. Mit Schrubber und Seifenwasser rückte er dagegen vor, sogar an denkmalgeschützten Gebäuden – und wurde deswegen verdonnert.
Aber er sorgte auch mit vielen Ideen, darunter so manch „spinnerten“, für einen gesellschaftlichen Mittelpunkt in Nordvorpommern, die Wiederbelebung des Stralsunder Verkehrsvereins und den Bau des „Ferien- und Freizeitparks Hohendorf“ mit 20 Ferienhäusern. „Ich bin ein Kämpfer und muss immer wieder was Neues anpacken“, sagte er gerne dazu. Doch es häufte sich ein Schuldenberg an, nicht zuletzt durch Missmanagement und Krankheit von Graf Hubertus. Die Zwangsversteigerung blieb nicht aus.
Ab 2010 schließlich übernahm ein Lübecker Investor das Anwesen für 700.000 Euro. Das ehemalige Schlosshotel wurde zu einem Wohngebäude mit 33 Luxuswohnungen umgebaut. Die Universität Rostock bot sich an, im Rahmen der Hochbegabtenförderung Schlosskonzerte durchzuführen. Am 14. August 2015 starb Hubertus im Alter von 86 Jahren und wurde auf dem Familienfriedhof im nahen Groß Mohrdorf beigesetzt.