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Die SPD hat den Kampf gegen vermeintliche Nazis als Wahlkampfthema für sich entdeckt. Dabei ist die AfD für das Lager links der Mitte unverzichtbar für den Machterhalt
Es ist, als sei das Land aus einem langen, bösen Schlaf erwacht. Am Mittwoch, den 23. Januar, erstach ein 28-jähriger Afghane in einem Aschaffenburger Park einen zwei Jahre alten Jungen und einen 41 Jahre alten Mann. Seither ist die Verschärfung der Migrationspolitik das Wahlkampfthema Nummer 1. Laut ARD Deutschlandtrend fordern 67 Prozent der Deutschen dauerhafte Grenzkontrollen und 57 Prozent Zurückweisungen an den Grenzen. Sogar SPD-Anhänger sprechen sich mehrheitlich für Grenzkontrollen (69 Prozent) und Zurückweisungen (52 Prozent) aus. Eine Woche nach den Morden von Aschaffenburg brachte CDU-Chef Friedrich Merz zwei Anträge zur längst überfälligen Verschärfung der Migrationspolitik im Bundestag zur Abstimmung ein. Am Freitag darauf schob Merz einen Gesetzentwurf nach – ein ebenfalls überfälliges Zuwanderungsbegrenzungsgesetz.
Doch was geschah am Mittwoch im Parlament? Es wurde nicht etwa endlich freimütig über die seit Jahren gesellschaftlich tabuisierten Versäumnisse in der Asyl- und Einwanderungspolitik debattiert, nicht der menschlichen Kollateraltragödien gedacht und die vielen hundert Toten, Verletzten und Vergewaltigten betrauert – und schon gar nicht der Bevölkerung, die am 23. Februar an die Wahlurnen gerufen wird, signalisiert: Wir haben verstanden, wir werden unsere Politik ändern.
Abwehrkampf gegen die Wirklichkeit
Stattdessen verzettelten sich SPD, Grüne und Linkspartei in einem bizarren Abwehrkampf gegen das Einreißen der Brandmauer gegen die AfD, als sei ein Abstimmen gemeinsam mit der rechten Konkurrenz ein Schritt in Richtung eines zweiten 1933 und einer neuerlichen NS-Herrschaft. Dass an der Symbol-Hysterie links der Mitte nichts dran ist, belegt das Abstimmungsverhalten bei den zwei Entschließungsanträgen am Mittwoch. Der erste Unionsantrag „Fünf Punkte für sichere Grenzen und das Ende der illegalen Migration“ (Drucksache 20/14698) wurde mit Mehrheit von CDU/CSU, AfD, FDP und einer Handvoll Fraktionsloser durchgewunken. Ein zweiter Antrag „Für einen Politikwechsel bei der Inneren Sicherheit“ (Drucksache 20/14699) wurde abgelehnt mit einer Mehrheit der Stimmen von SPD, Grünen, FDP, Linkspartei, BSW – und AfD!
Das Abstimmen mit der AfD beim zweiten Antrag schien die linke Mitte nicht zu stören. Dafür polterte SPD-Fraktionchef Rolf Mützenich Richtung Friedrich Merz: „Der Sündenfall wird Sie für immer begleiten! Aber das Tor zur Hölle können wir noch gemeinsam schließen. Sie müssen die Brandmauer wieder hochziehen!“ Wahrscheinlicher ist es, dass das Wort vom „Tor zur Hölle“ Mützenich auf immer begleiten und Eingang finden wird in die Anthologien sozialdemokratischen Humors. Ernster zu nehmen ist schon Mützenichs Diktum von den „Anständigen in unserem Land und die heute demonstrieren“.
Denn schon am Mittwochabend versammelte sich vor der Bundeszentrale der CDU ein aufgebrachter Mob, der geistreicher Weise ein Verbot der Partei forderte. Auf Parolen und Transparenten wurde Friedrich Merz als Steigbügelhalter von Nazis geschmäht. Am Donnerstag kam es zu Belagerungen und Besetzungen von CDU-Büros im Bundesgebiet; in der Landesgeschäftsstelle von Rheinland-Pfalz wurde eine Mitarbeiterin sogar durch eine Morddrohung eingeschüchtert.
Tags darauf, am Freitag, ließ Merz im Bundestag nach chaotischen Verhandlungen zwischen den Fraktionen und erbosten Debatten über das Zuwanderungsbegrenzungsgesetz abstimmen. Es fiel durch aufgrund unzuverlässiger Abgeordneter in den Reihen von Union und FDP. Am Ende der Woche waren aber alle zufrieden: Merz, weil er SPD und Grüne im Parlament vorführen und den Bürgern zeigen konnte, dass mit Rot-Grün nach der Bundestagswahl keine Wende in der Migrationspolitik zu erwarten sein wird. Und Rot-Grün konnte nach einem eher lahmen Start in den Wahlkampf darüber frohlocken, dass sie in den restlichen drei Wochen bis zum Wahltag das Thema bewirtschaften können, in welchem sie ihre Kernkompetenz haben: der Kampf gegen Rechts.
Flexibler Antifaschismus
Insbesondere bei der Sozialdemokratie, deren Wurzeln bis ins Jahr 1863 zurückreichen, ist das antifaschistische Lebensgefühl so sehr in die DNA der Partei gedrungen, dass Praktikanten im Wahlkampfteam in den Sozialen Medien schon mal posten: „Seit 162 Jahren Kampf gegen Nazis!“ Solche Stilblüten spiegeln indes die tragische Entwicklung der ältesten Partei Deutschlands, die nach der erfolgreichen Etablierung des Wohlfahrtsstaats nach neuen fortschrittsintensiven Betätigungsfeldern suchte und schließlich im Engagement für Migranten, Nichtheterossexuelle und andere Minderheiten ihr Genügen fand. Ihre Stammklientel, die aufstiegsorientierten und habituell konservativen Arbeiter und Kleinbürger, wanderte unterdessen zur Union und AfD ab.
Übrig geblieben ist als lagerübergreifender Konsensgenerator der Furor gegen Rechts, denn auch acht Jahrzehnte nach den Verbrechen der Nationalsozialisten triggern Auschwitz und Nazis die Deutschen heftiger denn je. Kein Konservativer nennt sich heute einen Rechten, es sei denn, er möchte provozieren. Sogar ein nicht-linker Poet wie Botho Strauß schreibt lieber über das Reaktionäre denn über das Rechtssein. Rechts ist der Standort des Teufels, eben das Tor zur Hölle.
Und deshalb lassen sich so vortrefflich kollektive Gefühlsgewitter entfachen. Schon vor einem Jahr hatte eine überwiegend zusammengeträumte Reportage des regierungsnahen Recherchenetzwerks Correctiv über einen angeblichen „Geheimplan für Deutschland“, wonach Neurechte in Potsdam über massenhafte Remigrationsaktionen konferierten, hunderttausende Demonstranten auf die Straßen gelockt, die mal wieder „den Anfängen zu wehren“ trachteten. Und auch am vergangenen Wochenende haben viele Menschen gegen Rechtsextremismus demonstriert. Allein in Berlin zog es an die 160.000 Protestler an die Winterluft. Dass nebenan linke und arabische Israelhasser marschierten und „Wer eine Waffe hat, soll damit Juden erschießen oder sie der Hamas übergeben!“ skandierten, hat die wenigsten gestört. So sieht der „Aufstand der Anständigen“ aus: Wer in guter Sache unterwegs ist, darf nicht pingelig sein.
Wie mühelos in der SPD auch die Judenverächter ihre Pfründe verteidigen, zeigt die Causa der Bundestagsvizepäsidentin Aydan Özoğuz, die im Oktober 2024 auf Instagram einen Beitrag des linken, antizionistischen Vereins „Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost“ geteilt hat. Zu sehen war ein Foto mit Flammeninferno und dem Satz „This is Zionism“. Im Begleittext wurde Israel Landdiebstahl, Apartheid, Kolonisation und Völkermord unterstellt. Wenig später löschte Özoğuz den Beitrag wieder. Trotz Rücktrittsforderungen vom Amt als Parlamentsvize seitens der Union, deutsch-jüdischer Verbände und des israelischen Botschafters, der ihr vorhielt, das Existenzrecht Israels in Frage zu stellen, kam Özoğuz im Ältestenrat des Bundestags mit der Ausrede davon, sie hätte nicht erkannt, dass „Gefühle verletzt wurden, die für ein friedliches Zusammenleben einstehen“. Und die SPD in Hamburg-Wandsbek stellte Özoğuz wieder als Kandidatin für den nächsten Bundestag auf.
Volkspartei aus den Fugen
Für die SPD ist die frisch erblühte Begeisterung gegen Rechts wie ein warmer Regen für die Wüstenei ihres bislang uninspirierten Wahlkampfs. Im Gegensatz zu seinem Herausforderer Merz scheint Olaf Scholz entschlossen, sich erst gar nicht in neue Ideen und Konzepte zu verstricken, die er im Fall einer unerwarteten Wiederwahl ohnehin nur wieder aussitzen müsste. Viele seiner Parteifreunde warnen denn auch eindringlich vor Versprechen, die nicht einlösbar seien; dies würde die Bürger enttäuschen und alles würde noch schlimmer.
Sozialdemokrat sein heißt gegenwärtig, auf eigene Bemühungen, die keiner spürt, und auf Erfolge, die keiner sieht, hinzuweisen und im übrigen zu beklagen, dass die Zeiten schwierig seien und für einfache Lösungen unzugänglich. Schuld sind grundsätzlich die anderen, denn Sozialdemokraten sind guten Willens. Weil aber Sozialdemokraten lausige Nietzscheaner sind, bleibt der Triumph des Willens aus.
Umso erprobter sind SPD-Genossen in Peinlichkeiten. Karl Lauterbach etwa, der am Tag des Auschwitz-Gedenkens über Merz twittert: „Als erster Demokrat sagt er im Prinzip: wo es mir hilft lasse ich mich auch von Nazis unterstützen. Moralisch bankrott“. Kurz darauf schreibt er: „Ich habe den Tweet, in dem ich den Auschwitz-Gedenktag mit der aktuellen Debatte um die Migrationspolitik in Verbindung bringe, gelöscht und mich bei @_FriedrichMerz entschuldigt. Der Tweet war in Ton und Inhalt deplatziert. Wir sind im Wahlkampf. Aber Anstand muss sein“. Dass Merz Lauterbachs Entschuldigung nicht annahm, verwundert nicht.
Auch Saskia Esken, SPD-Chefin und Grande Dame fürs Fremdschämen, meldete sich in einem parteieigenen Podcast zu Wort und warnte, die Politik solle „nicht zuviel über das Thema Migration sprechen, weil das eben als Problem empfunden wird“. Wir haben es hier mit negativer Wortmagie zu tun. Während wokes Sprach-Voodoo besagt, dass der Gebrauch von richtigen und falschen Begriffen jeweils günstige und nachteilige Realitäten zu erzeugen imstande ist, weshalb „Zigeunerschnitzel“ und „Mohrenkopf“ eliminiert und Genderschreibweise eingeführt gehören, plädiert Esken für Problemlösung durch Anschweigen der Sache. Olaf Scholz hat es ihr vorgemacht.
Während Parteichef Lars Klingbeil im Wahlkampf lieber erst gar nicht von sich reden macht, hat sich Bundesbauministerin Klara Geywitz aus der Deckung getraut und sofort bereut. Am Donnerstag vergangener Woche saß sie mit Michael Kyrath bei „Markus Lanz“. Kyraths Tochter Ann-Marie war 17, als sie vor zwei Jahren in einem Regionalzug auf dem Bahnhof im schleswig-holsteinischen Brokstedt bei einer Messerattacke von einem palästinensischen Flüchtling erstochen wurde. Mittlerweile hat sich der Vater mit rund 300 von ähnlichen Verbrechen betroffenen Eltern vernetzt und will, dass die Regierung endlich die Migrationspolitik ändert. SPD-Vize Geywitz zeigte sich erkennbar überfordert und stammelte minutenlang über das Gemeinsame Europäische Asylsystem, das im Aufbau sei, und über Vollzugsdefizite zwischen Bund und Ländern. Kurzum, sie würde ja gerne, wenn sie könnte und nicht alles so mühselig sei.
Der eigentliche Sinn der Inszenierung
Überhaupt können wir davon ausgehen, dass jeder Auftritt von SPD-Politikern derzeit der AfD ein paar Stimmen mehr bringt. Für Grünen-Politiker dürfte das gleiche gelten. Im Internet kursiert das Bonmot: „Rechts wird man nicht, wenn man Rechten zuhört, sondern wenn man Linken zuhört.“ Und in der Tat ist die AfD zuvörderst eine Schöpfung durch die Politik Angela Merkels, katalysiert durch den jahrelangen Kampf gegen Rechts. Seit Vereidigung der Ampelregierung haben sich die Prozente der AfD in den Umfragen auf 20 Prozent verdoppelt.
Der Satiriker Dieter Nuhr stellte Ende Januar fest: „Nichts brauchen Grüne und Linke dringender als eine AfD, mit der niemand abstimmen darf. Weil dann rechts der Mitte 20 Prozent wegfallen. Solange das der Fall ist, gibt es keine Regierung ohne sie.“ Die Brandmauer dient also allein dem Machterhalt von Rot-Grün. Deshalb nehmen SPD und Grüne mit ihrer abstrusen Politik in Kauf, immer mehr Bürger zur AfD zu treiben. Je mehr Stimmen hinter der Brandmauer verloren gehen, desto sicherer ist Sozialdemokraten und Grünen die Regierungsbeteiligung. Der Kampf gegen Rechts ist ein gigantischer Bluff. Oder wie es Dieter Nuhr ausdrückt: „Das ist die große Verlogenheit dieser Tage.“
Holger Fuß ist freier Autor und schreibt regelmäßig für zahlreiche Zeitungen und Zeitschriften über das Zeitgeschehen. 2019 erschien „Vielleicht will die SPD gar nicht, dass es sie gibt“ (FinanzBuch Verlag). www.m-vg.de/finanzbuchverlag