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Von traditionellen und anderen Weihnachtsbäumen
Unser Weihnachtsbaum in Stettin-Hökendorf stammte Jahr für Jahr aus der Buchheide. Bauer Pieper aus Binow kam mit seinem Pferdeschlitten vorgefahren und brachte das immergrüne Prachtexemplar, das von Jahr zu Jahr immer größer wurde. Anschließend durften wir Kinder unseren Schlitten an den seinigen hängen und mit Juchheißa ging es dann durch das Dorf. Damals lag immer viel Schnee im Winter.
In der Schule hatten wir gelernt, dass immergrüne Pflanzen mit ihrer satten grünen Farbe das Leben symbolisieren. Das war in der weißen Jahreszeit ein wichtiger Grund, sie zum Schmuck in die Häuser zu bringen. Einzug in die protestantischen Festtagswohnzimmer erhielt der mit Kerzen geschmückte Christbaum, wie er auch bezeichnet wurde, im 18./19. Jahrhundert. In katholischen Familien soll er erst rund 100 Jahre später aufgestellt worden sein.
Mein Vater berichtete, dass in seiner Kinderzeit in Köselitz bei Pyritz der Weihnachtsbaum ein reiner „Fressbaum“ gewesen sei. Er wurde mit Lebkuchensternen, roten Äpfeln, goldenen Nüssen, Zuckerwerk und getrockneten Pflaumen behängt. Einen solchen Fressbaum habe ich 1944 bei einer älteren Frau, zu der ich einen Weihnachtsgruß meiner Eltern bringen sollte, gesehen. Er hing am 23. Dezember an einem Haken an der Decke. Als ich sie nach dem „Warum“ fragte, antwortete sie: „Mein Mann ist so ein Schleckermaul, der nimmt das Zuckerwerk immer vor dem Heiligen Abend ab, kann nicht auf den Abräumtag nach Weihnachten warten. Wenn er auf einen Stuhl steigt, wird ihm immer schwindlig.“
„Wären es goldene Kartoffeln gewesen, hätte der Baum nicht hoch gehängt werden müssen“, bemerkte mein Vater und erzählte uns folgende Geschichte: „Im Jahr 1755 schmückte der Unternehmer Johann Ernst Gotzkowsky (1710–1775) seinen Weihnachtsbaum in Berlin mit versilberten und vergoldeten Kartoffeln. Er wollte damit die Bemühungen Friedrichs des Großen unterstützen, die Kartoffel als Grundnahrungsmittel einzuführen.“
Der Bügelbaum von Hiddensee
Unseren Weihnachtsbaum schmückte meine Mutter mit Lebkuchensternen, bei denen wir beim Backen geholfen hatten, von uns selbst angefertigten silbernen Rosen aus Stanniolpapier statt Lametta, roten Äpfeln und kunstvollen Strohsternen. Ein Vögelchen durfte nicht fehlen. Das haben wir Kinder jedes Jahr am Baum gesucht.
Am ersten Weihnachtstag 1944 besuchte uns ein alter Freund meines Vaters. Er bewunderte den riesigen Baum. Plötzlich stutzte er. Er hatte an einer etwas versteckten Stelle Stanniolstreifen entdeckt. Diese Silberstreifen stammten aus feindlichen Flugzeugen. Sie sollten die Radarmessung der Flak außer Kraft setzen. „Da hängt doch tatsächlich der Krieg an eurem Weihnachtsbaum,“ meinte er. Es stellte sich dann heraus, dass mein Bruder Friedrich-Wilhelm diesen Baum noch schöner schmücken wollte und hatte deshalb dieses „Lametta“ aus seiner Schatzkiste spendiert.
Diese Geschichte ereignete sich, als wir Flüchtlinge waren, denn meine Tante Hildegard Manzke bastelte den Bügelbaum 1946 für die von Bismarcks in Klein Briest bei Tangerhütte. Sie wollte ihren Flüchtlingsherbergseltern damit eine Freude bereiten. Als eifrige Rügenferienbesucherin hatte sie diesen besonderen Weihnachtsschmuck auf Hiddensee kennengelernt und sich damit beschäftigt.
Selber basteln gefällig?
Der kleine Bügelbaum aus Hiddensee besteht aus einem Stiel (Besenstiel oder Gardinenstange), zwei Weidenreifen von etwa 32 Zentimetern Durchmesser und zwei Weidenreifen von etwa 16 Zentimetern Durchmesser und kann leicht selbst gebastelt werden. Weidenreifen kann man heute in einer Gärtnerei erstehen. Die Weidenreifen werden halbiert und an den Enden mit Draht umwickelt. Ein etwa 20 Zentimeter langes Stück Draht muss übrig bleiben. Das 20 Zentimeter lange Drahtende wird durch ein gebohrtes Loch im Stiel geführt und anschließend um den Stiel gebracht. Bevor die Bügel am Stiel befestigt werden, sind sie mit weihnachtlichem Grün bewickelt worden.
Die Bügel müssen so angeordnet werden, dass zwei verschieden große Bälle entstehen. Danach wird der Stiel des Bügelbaumes in einen Weihnachtsständer eingeklemmt und erhält somit Standhaftigkeit. Unebenheiten können noch mit weihnachtlichem Grün geglättet werden. Ein gefalteter Goldstern gehört auf den oberen kleinen Ball, darüber schwingt sich ein Goldfähnchen mit einem weiteren Stern. Auf den Bügeln im kleinen und großen Ball werden Kerzen befestigt. Danach wird der Bügelbaum mit Nüssen und Backwerk behängt. Zwischen den grünen Bällen sitzen kleine rote Äpfel. Je nach Größe kann der Bügelbaum Tisch- oder Raumschmuck sein.
Erfindungsreich prangt auf dem Umschlag des Buches „Licht in der Dunkelheit. Weihnachten in schwerer Zeit“, herausgegeben vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge ein Besenbaum. 32 Geschichten und Gedichte erzählen von Weihnachten nach Kriegsende 1945.
Weitere Weihnachtsschmuck-Konstruktionen zeigen unter anderem das Helmholtz-Zentrum und die TU-Bibliothek in Braunschweig. Im Helmholtz-Zentrum steht ein glänzend blinkender Baum aus Kanülen, Pipetten und Reagenzgläsern konstruiert. Die TU-Bibliothek zeigt eine festliche Pyramide aus grün und rot gestapelten Büchern garniert mit Christbaumkugeln.
Es gibt also nichts, woraus man in finsteren und guten Zeiten nicht herzerwärmenden Weihnachtsschmuck herstellen könnte.