26.04.2024

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Psychologische Kriegführung

Der Kampf um die Köpfe tritt in eine neue Dimension

Die NATO erprobt ganz neue, immer ausgefeiltere Strategien, um den Menschen erwünschte Sichtweisen einzuimpfen

Wolfgang Kaufmann
17.01.2023

Die klassische psychologische Kriegführung dient dem Zweck, das Militär oder die Zivilbevölkerung des Gegners zu manipulieren und zu schwächen. Eine solche „Cognitive Warfare“ betreibt auch die NATO, wobei diese inzwischen aber nicht mehr nur auf den Feind abzielt, denn der Kampf um die Köpfe der Menschen soll nun gleichermaßen auf dem eigenen Territorium stattfinden. Das geht aus verschiedenen NATO-Dokumenten hervor – beginnend mit dem Thesenpapier „NATO's Sixth Domain of Operations“ (Das sechste Einsatzgebiet der NATO) vom September 2020.

Das Papier entstand im Auftrag der Denkfabrik NATO Innovation Hubs (IHub) in Norfolk (Virginia). In dem Text ist unter anderem von einer „ständigen Erosion der Moral der Bevölkerung“ in den NATO-Staaten die Rede, welche dazu führe, dass sich die Öffentlichkeit in NATO-Staaten zunehmend „nach den Plänen ... unserer Widersacher verhält“. Deshalb müsse die NATO schnell handeln, um hier die Initiative zurückzugewinnen.

Wenig später, im Januar 2021, veröffentlichte IHub eine weitere Abhandlung namens „Kognitive Kriegführung“, in der es heißt: „Kognitive Kriegführung ist möglicherweise das fehlende Element, das den Übergang vom militärischen Sieg auf dem Schlachtfeld zu einem dauerhaften politischen Erfolg ermöglicht. Das Einsatzgebiet Mensch könnte durchaus das entscheidende sein ... Die ersten fünf Einsatzgebiete Land, Wasser, Luft, Weltraum und Cyberspace können taktische und operative Siege bringen, doch nur das Einsatzgebiet Mensch vermag den endgültigen und vollständigen Sieg herbeizuführen.“

Im Anschluss hieran veranstaltete die NATO im Juni 2021 ein wissenschaftliches Symposium zur psychologischen Kriegführung. Im Vorwort des später publizierten Tagungsbandes „Kognitive Kriegführung: Die Zukunft der kognitiven Dominanz“ betont der französische Luftwaffengeneral André Lanata, wie wichtig es sei, „die Schwächen der menschlichen Natur auszunutzen“ und in diesem Zusammenhang auch die Neurowissenschaften zur Waffe zu machen.

Verstand der Gegner „lesen“

Dabei solle zweigleisig verfahren werden, so der französische Vizeverteidigungsminister Éric Autellet in seinem nachfolgenden Beitrag: „Was unseren Feind betrifft, so müssen wir in der Lage sein, den Verstand unserer Gegner zu ‚lesen', um ihre Reaktionen vorweg zu ergründen. Wenn nötig, müssen wir in die Gehirne unserer Gegner ‚eindringen' können, um sie zu beeinflussen und dazu zu bringen, in unserem Sinne zu handeln. Was unsere Freunde betrifft (und auch uns selbst), so müssen wir in der Lage sein, unsere Gehirne zu schützen und unsere kognitiven Fähigkeiten des Verstehens und der Entscheidungsfähigkeit zu verbessern.“

Dem folgte im Oktober 2021 die Ausschreibung eines Innovationswettbewerbs zum Thema „Kognitive Kriegführung neutralisieren“ durch das Canadian Special Operations Forces Command und die IHub, wobei der Innovationsmanager der Denkfabrik, François du Cluzel, diese Aufgabenstellung als „eines der heißesten Themen für die NATO im Moment“ bezeichnete. Zum Gewinner wurde im Dezember 2021 das US-Unternehmen Veriphix gekürt, das eine „Plattform für Verhaltensdynamik“ entwickelt hatte, deren Zweck darin besteht, „unterbewusste Motivationen zu messen und zu stärken, um Menschen zu Ideen, Produkten und Überzeugungen zu bewegen“. Den zweiten Platz belegte ein Team namens Recognite mit seinem Verfahren zur Erkennung „schädlicher kognitiver Beeinflussung, um eine effektive Intervention zu initiieren“.

Furcht vor Missbrauch

Wie derartige psychologische Eingriffe aussehen können, zeigte sich beispielsweise nach Beginn des Ukrainekrieges. Das Parlament der EU, welche gemeinsam mit der NATO das „Europäisches Exzellenzzentrum für die Abwehr hybrider Gefahren“ in Helsinki unterhält, nahm am 9. März 2022 einen Beschlussentwurf seines „Sonderausschusses zur Einflussnahme aus dem Ausland auf alle demokratischen Prozesse in der Europäischen Union“ an.

Damit wurde eine „Expertengruppe zur Bekämpfung von Desinformation und zur Förderung der digitalen Kompetenz durch Bildung und Ausbildung“ ins Leben gerufen, die sich „unter anderem auf kritisches Denken, die Ausbildung von Lehrern, Prebunking (vorbeugende Abwehr von „Fehlinformationen“, d. Red.), Entlarvung und Faktenüberprüfung sowie das Engagement von Schülern konzentrieren“ soll. Das geschah „in der Erwägung, dass Vorbeugung und proaktive Maßnahmen, einschließlich Prebunking, weitaus wirksamer sind als die anschließende Überprüfung von Fakten und Widerlegung von Behauptungen, die eine geringere Reichweite haben als die ursprüngliche Desinformation“.

Das zweifach erwähnte Prebunking ist das Gegenteil vom Debunking, dem klassischen Fakten-Check zur Kennzeichnung von Falschinformationen. Hier geht es darum, Personen dergestalt mental zu präparieren, dass sie bestimmte Nachrichten bereits für falsch halten, bevor sie überhaupt damit konfrontiert werden. Dabei ziehen Debunking-Experten wie Sander van der Linden von der University of Cambridge Parallelen zu Schutzimpfungen: Der Mensch erhält „eine abgeschwächte (Mikro-)Dosis von Fehlinformationen, die eine präventive Widerlegung oder Vorverurteilung der erwarteten irreführenden Argumente oder Überzeugungstechniken enthält.“ Eine solche „Impfung“ können auch deutsche Schüler durch das von der East StratCom Task Force des Europäischen Auswärtigen Dienstes und der NATO empfohlene Lernspiel „Fake it to Make it“ (Fälsche es, um es zu machen) erhalten. Dieses wurde von der Bundeszentrale für politische Bildung übersetzt und für den Einsatz im Unterricht aufbereitet.

Allerdings stießen die genannten Entscheidungen der EU auch auf Kritik. So äußerte die irische EU-Parlamentsabgeordnete Clare Daly, man übertreibe die Gefahr einer Beeinflussung der eigenen Bevölkerung durch Russland und China, um „abweichende Meinungen ... zu stigmatisieren und Gründe für Einschränkungen der Meinungsfreiheit und anderer Grundrechte zu schaffen“.


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Kommentare

Walter Carl am 23.01.23, 09:54 Uhr

Public Relations, Propaganda, ist eine Domäne, die seit über 100 Jahren vor allem von amerikanischen Spezialisten hervorragend beherrscht wird. Hochintelligente Köpfe ersinnen immer wieder neue, bessere Mittel, um die Menschen, um Massen, in ihrem Sinne zu beeinflussen, ohne dass diese es bemerken. Was man in der Werbung für Unterwäsche oder Parfums noch schulterzuckend hinnehmen mag, entwickelt aber eine teuflische Sprengkraft, wenn es für politische Zwecke eingesetzt wird. Letztendlich werden demokratische Entscheidungsprozesse verhindert, wenn es um schicksalshafte Fragen geht Krieg und Frieden, Grundrechtebeschneidung ja odern nein u.v.m. Nur durch perfide Propaganda konnte die US-Regierung ihr Volk im Ersten Weltkrieg dazu bringen, seine Söhne für diesen Krieg zu opfern, für den in den USA gewollten Krieg während des 2. Weltkriegs bereit zu machen. Und warum ist kein Frieden in der Ukraine möglich? Weil Kriegstreiber mit Hilfe ausgefeiltester Propagandamethoden eigentlich friedliche Völker, auch unseres, in Kriegswut hetzen. Diese Propagandamethoden sind so ausgefeilt, dass selbst die angeblich kritischen Mainstream-Medien vorne bei den Manipulationen dabei sind. Wie gesagt: Antidemokratisch, unmenschlich, verlogen ... aber es wirkt: Bei Kriegstreiberei, beim Schüren der Klimaparanoia, Viren-Paranoia u.v.m. . Herr, wirf Hirn vom Himmel!

Ulrich Bohl am 17.01.23, 14:18 Uhr

Es muß nicht stimmen aber die Menschen sollen glauben
dass es stimmt. Wenn dann die Lüge durch die Realität
eingeholt wird und die Menschen erkennen dass sie belogen wurden ist der Schaden umso größer. die Glaub--
würdigkeit aller verbreiteten Informationen geht dann gegen Null. Z. B. werden immer wieder Infos über den Krieg in der Ukraine verbreitet, die vom britischen Ge-
heimdienst stammen sollen, diese sollen dadurch den
Wahrheitsgehalt untermauern, dass sie vom britischen Geheimdienst stammen. Z.B. die Russen haben keine
Munition, keine Raketen, die russischen Truppen leider unter schlechter Verpflegung, Putin ist krebskrank, Putin ist verärgert über seine Freundin usw. Die letzte Meldung
ist etwas für Klatschspalten . Wenn die Meldungen zu-
treffend gewesen wären hätte die Ukraine längst gesiegt
und Putin wäre an Krebs gestorben. So verstärken sie
nur das Wissen von allen Seiten belogen zu werden. Sie
erreichen also eher das Gegenteil von dem was sie
bezwecken sollten. Jeder weiß das erste Opfer des Krieges ist die ohnehin sehr beschränkte wahrheits-
gemäße Berichterstattung. An diesem Glaubwürdigkeits-
verlust haben viele Printmedien und der Rundfunk sowie
das Fernsehen einen erheblichen Anteil . Die PAZ schließe
von dieser Kritik ausdrücklich aus.

sitra achra am 17.01.23, 12:07 Uhr

Ohne massivste Manipulation hätte es keine Coronapandemie und keine Klimakatastrophe gegeben. Aber so generiert man einen Reibach aus gezielter Panikmache.
Irgendwann erledigt sich die mühselige Cognitive Warfare, wenn es gelingt, die Hirne der Bürger direkt zu programmieren...

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