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Der Elefant im Raum – Höhenflug des rechtskonservativen Nigel Farage bedrängt Labour und Tories
Ein Wechselbad der Gefühle durchlebt der britische Premier Keir Starmer in diesen Tagen. Mehrere Tiefschläge musste er einstecken, etwa den Rücktritt seiner Stellvertreterin wegen einer Steueraffäre. Immerhin verlief der dreitägige Staatsbesuch von Donald Trump letzte Woche ohne offenen Konflikt. Der US-Präsident genoss es sichtlich, beim Staatsbankett in Schloss Windsor neben König Charles zu sitzen. Salutschüsse, Militärparaden und goldene Kutschen – das gefiel ihm. Nur zum Schluss der Visite gab es Misstöne. Trump sprach das Thema illegale Migration an und warnte, diese „zerstört Länder von innen“. Er empfahl den Einsatz des Militärs, um die Bootsmigranten über den Ärmelkanal zu stoppen.
Die Migration ist das Thema, das Starmers stärkstem innenpolitischen Gegner Nigel Farage großen Auftrieb verschafft. Der als „Mr. Brexit“ bekannt gewordene Politiker hat sich mit seiner neuen rechtspopulistischen Partei Reform UK als die Kraft positioniert, welche die illegale Migration stoppen und Hunderttausende Illegale aus Großbritannien abschieben würde. Farages Partei erlebt deshalb einen Höhenflug in den Meinungsumfragen: Reform UK liegt bei 30 Prozent, weit vor der Labour-Partei, die nur noch 20 Prozent wählen würden, und den abgeschlagenen Tories, die bloß auf 17 Prozent kommen.
Farage ist der Elefant im Raum, wenn die Labour-Strategen über die Zukunft nachdenken. Wegen des britischen Mehrheitswahlsystems würde der Vorsprung von Reform für eine große Mehrheit im Unterhaus reichen. Farage gilt bei Buchmachern als der Favorit, nächster Premierminister in der Downing Street zu werden. Beim Parteitag in Birmingham in der ersten September-Woche konnte Farage kaum noch laufen vor Kraft. Mehr als zehntausend Parteimitglieder und Fans waren angereist und umjubelten ihr Idol. Während über Farage die Umfragesonne lacht, steht Starmer im Regen.
Noch schlimmer steht es um die Konservativen, die im Juli 2024 nach 14 unrühmlichen Regierungsjahren abgewählt worden sind. Sie kommen gar nicht mehr auf die Beine. „Farage macht aus den Tories Hackfleisch“, sagt der Politikwissenschaftler John Curtice, der sonst nicht zu blutigen Vokabeln neigt. Mehrere ehemalige Tory-Abgeordnete und Ex-Minister haben die Partei verlassen. Anfang September trat die frühere Kultur- und Medienministerin Nadine Dorries zur Reform-Partei über. Mitte September wechselte der Abgeordnete Danny Kruger zu Farage. Die Tory-Party sei „am Ende“, sagt Kruger. Bei den Wahlen im Juli 2024 fuhr sie das schlechteste Ergebnis ihrer 190-jährigen Geschichte ein. Seitdem ging es für die Tories weiter bergab und für Farage bergauf.
600.000 Abschiebungen gefordert
Der 61-jährige Reform-Anführer gilt ohnehin als Stehaufmännchen der britischen Politik. Ein Flugzeugabsturz im Wahlkampf vor ein paar Jahren brachte ihn fast um, bald darauf war er zurück in der Politik. Der Brexit ist inzwischen kein populäres Projekt mehr. Eine Mehrheit der Briten findet, der EU-Austritt 2020 habe ihnen mehr Nachteile als Vorteile gebracht. Doch Farage hat es geschafft, die Schuld daran weitgehend bei den Konservativen abzuladen. Die Tories hätten den Brexit vergeigt und das Land ruiniert. „Wir haben wirtschaftlichen Niedergang, kulturellen Niedergang, Massenmigration außer Kontrolle und einen Zusammenbruch von Recht und Ordnung“, donnerte Farage beim Parteitag. Sein Ziel – in Anlehnung an Trumps Motto: „Make Britain Great Again“.
Seit Wochen dominiert Reform die politische Agenda. Farage machte große Schlagzeilen mit seinen radikalen Plänen für die Massenabschiebung von illegalen Migranten, insgesamt 600.000 innerhalb von fünf Jahren. Dafür hielt er eine Pressekonferenz im London Oxford Airport ab. Auf der großen Abflugtafel hinter ihm stand in jeder Zeile „Illegal Migrants Boarding“, mit Zielen wie Afghanistan, Eritrea und Syrien.
Premierminister Starmer spürt, wie sehr sich die Stimmung im Land verschärft. Mitte September in London kamen bis zu 150.000 Menschen zu einer Großdemonstration „Unite the Kingdom“ nach London, es war die größte rechte Versammlung seit Jahrzehnten. „Stop the Boats“ war ein häufig gerufener Slogan. Auch der Tech-Milliardär Elon Musk sprach per Video zu den Demonstranten. Aufgerufen zu der Demo hatte der umstrittene rechtsradikale Aktivist Tommy Robinson, ein vorbestrafter Ex-Hooligan und Gründer der „English Defence League“. Dass so viele Menschen nun zu seiner Großdemonstration kamen – offiziell lautete das Motto „für Meinungsfreiheit“ – zeigt, wie sich der Wind dreht.
Seit Wochen gibt es auf der Insel Proteste vor Asylanten-Hotels. In Epping nördlich von London spitzte sich die Situation zu, nachdem ein äthiopischer Asylbewerber ein Mädchen zu vergewaltigen versucht hatte. In diesem Jahr sind schon mehr als 30.000 Bootsmigranten gekommen. Das sind mehr als je zuvor, obwohl Starmer versprochen hatte, die Boots-Schleuserbanden zu zerschlagen.
Zur neuen Innenministerin hat der Premier inzwischen Shabana Mahmood berufen, eine muslimische Abgeordnete. Sie soll die illegale Migration stoppen. Gelingt dies der Starmer-Regierung nicht, wird Farage wohl triumphieren.