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Nachruf

Der König von Rheinsberg

Zum Tod des aus Ostpreußen im Krieg geflüchteten Komponisten Siegfried Matthus

Harald Tews
16.09.2021

Stellte man sich die Frage nach einem der bedeutendsten deutschen Komponisten von ernster Musik der Gegenwart, käme man schnell auf Siegfried Matthus. Sicher: Es gab Hans Werner Henze, Karlheinz Stockhausen oder Alfred Schnittke, und es gibt Helmut Lachenmann, Aribert Reimann oder Wolfgang Rihm. Es gab aber auch den aus Ostpreußen stammenden Matthus, der allerdings lange Zeit nicht so wie viele seiner Kollegen im westlichen medialen Rampenlicht stand, da er in der DDR lebte und Karriere machte.

Am 27. August ist Siegfried Matthus im Alter von 87 Jahren in Stolzenhagen bei Berlin gestorben. In Erinnerung bleiben wird er nicht nur wegen seines über 600 Werke umfassenden Schaffens, darunter 14 Opern und 60 Orchesterwerke, sondern auch durch sein Festival Kammeroper Schloss Rheinsberg, das er nach der friedlichen Revolution mitbegründet hat und dessen künstlerischer Leiter er bis 2014 war, um die Leitung dann an seinen Sohn Frank Matthus abzugeben.

Geboren wurde der Komponist am 13. April 1934 als Sohn von musikliebenden Landwirten in dem im Regierungsbezirk Gumbinnen liegenden Mallenuppen. Das einschneidendste Erlebnis in seinem Leben war die Flucht als Zehnjähriger vor der Roten Armee, bei der die 84-jährige Großmutter und die neugeborene Schwester starben. In der PAZ, deren langjähriger Leser er war, erinnerte er sich: „In der einen Hand schleppte ich mein kleines Akkordeon und in der anderen das Saxofon meines Vaters. Bei dem großen Frost und dem tiefen Schnee habe ich das körperlich nicht mehr durchhalten können und musste deshalb beide Instrumente stehen lassen.“ In einem seiner anrührendsten Orchesterstücke, dem „Lamento“ mit Sopransolo von 2007, hat er dieses Trauma musikalisch verarbeitet.

Von der Musik konnte er im neuen Wohnort im Land Brandenburg trotzdem nicht lassen. Der Meisterschüler von Hanns Eisler wurde Hauskomponist und Dramaturg der Komischen Oper Berlin und einer der wichtigsten Musiker in der DDR. Dort ehrte man ihn 1979 sogar mit dem Vaterländischen Verdienstorden. Doch Marsch- und Heldenklänge des real existierenden Sozialismus waren nicht Matthus' Sache. Er hielt stattdessen Distanz zum Arbeiter- und Bauernstaat. „Man wollte mich immer als DDR-Komponisten be­zeichnen“, bekannte er, „doch ich habe mich selbst immer einen deutschen Komponisten genannt, der in der DDR lebt.“

Nach 1989 hat er all seine Energie in die Kammeroper Schloss Rheinsberg zur Förderung junger Opernsänger gesteckt. Auch dafür wurde er mit dem Großen Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland belohnt. Endlich stand er in dem ihm gebührenden Rampenlicht.


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