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Einige Schleusen, wie hier die Oberschleuse Fürstenau, wurden über die Jahre hinweg bis 1944 noch fertiggestellt, aber letztendlich blieb der komplette Kanal unvollendet, weil die Sowjetunion die Anlagen als Reparation einbehielten
Foto: Janericloebe/WikipediaEinige Schleusen, wie hier die Oberschleuse Fürstenau, wurden über die Jahre hinweg bis 1944 noch fertiggestellt, aber letztendlich blieb der komplette Kanal unvollendet, weil die Sowjetunion die Anlagen als Reparation einbehielten

Ermland - Masuren

Der Masurische Kanal – ein unfertiges Meisterwerk

Seit 150 Jahren geplant und seit 116 Jahren im Bau, aber bis heute nicht fertiggestellt

Wolfgang Kaufmann
27.09.2024

Als der Deutsche Orden im 13. Jahrhundert das spätere Ostpreußen eroberte, bestand die Landschaft vorwiegend aus dichten Urwäldern. Deshalb waren die Flüsse lange Zeit von entscheidender Bedeutung für das Vorankommen von Menschen und Transportgut. Im 17. Jahrhundert entstand dann mit dem Großen und Kleinen Friedrichsgraben die erste künstliche Wasserstraße zwischen dem Pregel und der Memel.

Parallel dazu wurden wiederholt Pläne für einen Kanal von den Masurischen Seen bis zum Pregel geschmiedet, der einen durchgängigen Binnenschifffahrtsweg zwischen Königsberg beziehungsweise der Ostsee und der Ukraine sowie dem Schwarzen Meer schaffen sollte. Diese über viele Dekaden angestellten Überlegungen konkretisierten sich aber erst im Jahre 1861, als ein preußischer Ingenieur namens Lange vorschlug, die Alle, welche bei Wehlau in den Pregel mündet, und den Mauersee bei Pristanen miteinander zu verbinden.

Die Alle war seit 1796 stufenweise schiffbar gemacht worden, diente bislang aber nur dem Transport von Ziegeln. Der Preußische Landtag genehmigte schließlich 1874 den Bau des Kanals. Jedoch flossen die hierfür geplanten Gelder am Ende in den Ausbau des Eisenbahnnetzes in Ostpreußen, welches – nicht zuletzt auch aus militärischen Gründen – den Vorrang erhielt.

111 Meter Höhenunterschied
1892 kam das Projekt auf Betreiben der ostpreußischen Bauern, die sich von einem leichteren Zugang zur Ostsee bessere Absatzmöglichkeiten für ihre landwirtschaftlichen Produkte erhofften, dann aber erneut auf die Agenda. Daraufhin beschloss die Regierung in Berlin am 14. Mai 1908 letztendlich doch die Umsetzung der neuen Entwürfe für den Kanal. Dieser sollte nun rund 50 Kilometer lang werden und etliche Schleusen zur Überbrückung des Höhenunterschiedes von 111 Metern zwischen den Masurischen Seen und der Alle erhalten. Der Baubeginn erfolgte 1910 mit der Errichtung der Mündungsschleuse Allenburg I. Beteiligte Firmen waren unter anderem die Kommanditgesellschaft Philipp Holzmann & Cie. sowie die Dyckerhoff & Widmann AG. Allerdings verhängte das Preußische Ministerium für öffentliche Arbeiten mit Beginn des Ersten Weltkrieges im Juli 1914 einen kompletten Baustopp.

Nach Gründung der Weimarer Republik wurde der Aushub des Kanals im Rahmen von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen fortgesetzt – nunmehr unter der Leitung von Fritz Christoph Carl Flöge, der etliche vorteilhafte technische Neuerungen einführte. Aufgrund der Hyperinflation erfolgte 1922 dann ein erneuter abrupter Abbruch der Arbeiten.

Erst Kanal dann Wolfsschanze
Die nächste Bauphase begann erst wieder 1934 und dauerte bis 1942, wobei jetzt auch der Reichsarbeitsdienst beteiligt war, der in Allenburg ein Lager einrichtete. 1936 galt der Masurische Kanal als das zweitgrößte Infrastrukturprojekt in Ostpreußen gleich nach der Reichsautobahn Berlin-Königsberg. 1939 wurden dennoch viele der beteiligten Arbeitskräfte zur Errichtung der Wolfsschanze und anderer Bunkeranlagen abgezogen, bevor das Bauvorhaben dann drei Jahre später gänzlich zum Erliegen kam.

Bis zu diesem Zeitpunkt hatte der preußische beziehungsweise deutsche Staat 40 Millionen Mark in den Kanal investiert – nach heutigem Geldwert mehr als 200 Millionen Euro. Dafür waren 1942 rund 90 Prozent der Erdarbeiten an dem zwischen 2,5 und drei Meter tiefen und konstant 23 Meter breiten Wasserbauwerk abgeschlossen, sodass es endlich geflutet werden konnte. Dagegen befanden sich die zehn großen Stahlbeton-Schleusen zur Überwindung der Pegel-Höhenunterschiede von bis zu 17 Metern mit Ausnahme der bereits fertiggestellten Schleuse Sandhof noch allesamt im Bau.

Als die Wehrmacht im Herbst 1944 die Ostpreußen-Schutzstellung errichtete, mit der man die Rote Armee am weiteren Vorstoß nach Westen hindern wollte, wurde auch der Masurische Kanal integriert. Deshalb kam es dann im Dezember 1944 zur Sprengung fast aller Brücken. Damals existierten 25 Wege- oder Straßenbrücken sowie vier Eisenbahnbrücken im Bereich der Bahnstrecken Wehlau–Friedland, Gerdauen–Insterburg, Königsberg–Angerburg und Rastenburg–Angerburg, die den Kanal überquerten. Hiervon blieb lediglich die Straßenbrücke bei Mauenwalde unversehrt.

Wirtschaftlich nicht nutzbar
Nach der Kapitulation der Wehrmacht im Mai 1945 gingen alle noch vorhandenen und irgendwie transportablen technischen oder hydraulischen Anlagen als Reparationsleistung an die Sowjetunion. Nicht zuletzt deshalb blieb der Masurische Kanal, von dem der 30 Kilometer lange nördliche Teil nun im von der UdSSR annektierten Königsberger Gebiet liegt und der 20 Kilometer lange südliche Teil jetzt die polnische Woiwodschaft Ermland-Masuren durchzieht, nach dem Krieg unvollendet. Deswegen ist er bis heute nicht für die Binnenschifffahrt nutzbar. Lediglich im südlichen Mündungsbereich am Mauersee auf polnischer Seite sind einige wenige Anlegestellen für Sportboote vorhanden. Der restliche Kanal weist wegen des durchlässigen Torfbodens inzwischen nur noch eine Wassertiefe zwischen 140 und 180 Zentimetern auf, sodass es im Uferbereich zunehmend zu Verlandungen kommt. Dabei scheinen weder die Republik Polen noch die Russische Föderation die Absicht zu haben, etwas an diesem Zustand zu ändern. Davon wiederum profitieren die reichhaltige Flora und Fauna entlang des Gewässers.


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