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Lothar Malskat

Der Meisterfälscher aus Königsberg

Selbstironisch bezeichnete sich der Künstler als „König der Landstreicher“ – Er fertigte Kopien berühmter Maler an

Wolfgang Kaufmann
26.04.2023

Im Jahre 1940 veröffentlichte die Zeitschrift „Germanen-Erbe“ das Foto eines Wandbildes im Dom von Schleswig, welches acht Truthähne zeigte und angeblich aus der Zeit zwischen 1280 und 1320 stammte. Das nahm die nationalsozialistische Propaganda als Beweis dafür, dass die Wikinger schon lange vor Kolumbus nach Nordamerika gesegelt seien, denn der große Hühnervogel Meleagris gallopavo stammt von dort, gelangte aber erst im 16. Jahrhundert nach Europa. Allerdings war die „frühgotische“ Malerei nicht echt, sondern von Lothar Malskat gefälscht worden.

Der Sohn eines Königsberger Antiquitätenhändlers hatte am 3. Mai 1913 das Licht der Welt erblickt und schon als Elfjähriger Werke italienischer Meister kopiert. Später besuchte er die Kunstakademie Königsberg, wo man seine „bemerkenswerte Begabung“ lobte. Dennoch avancierte Malskat letztlich nur zum „König der Landstreicher“, wie er später selbstironisch schrieb. Das heißt, der Maler lebte permanent am Existenzminimum. Das änderte sich erst 1937 durch das Zusammentreffen mit dem Kirchenhistoriker und Restaurator Ernst Fey und dessen Sohn Dietrich.

Der ältere Fey sollte den ursprünglichen Zustand der mittelalterlichen Fresken im Dom von Schleswig wiederherstellen, welche Ende des 19. Jahrhunderts unsachgemäß ausgebessert worden waren. Allerdings blieben nach dem Abwaschen der Übermalungen kaum noch Spuren von den originalen Kunstwerken. Deshalb geriet Fey in Panik und erteilte Malskat den Auftrag, die frühgotischen Friese durch etwas Eigenes zu ersetzen, um eine Verfolgung wegen der Vernichtung nationalen Kulturgutes abzuwenden. Daraufhin ließ Malskat seiner Phantasie freien Lauf und pinselte unter anderem die bewusste Truthahngruppe auf die nunmehr fast kahlen Wände aus grauem Mörtel. Außerdem erschuf er eine „nordisch“ anmutende „mittelalterliche“ Madonna mit dem Gesicht der populären Schauspielerin Hansi Knoteck, wonach Fey ihn zum Stillschweigen ermahnte: „Merken Sie sich einfach, dass Sie diese Malerei nicht gemalt haben.“

Den Zweiten Weltkrieg verbrachte Malskat als Soldat in Norwegen. Anschließend traf er im Herbst 1945 in Lübeck auf Fey junior, der ihm vorschlug, weiter Geld mit der systematischen Anfertigung von Fälschungen zu verdienen: „Sie malen, ick vakoofe!“ Also produzierte der heimatlos gewordene Ostpreuße Malskat wie am Fließband Werke nun plötzlich nachgefragter „entarteter Künstler“ wie Ernst Barlach, Marc Chagall, Pablo Picasso, Max Liebermann und Otto Kokoschka, wagte sich aber ebenso an „Rembrandts“, „Utrillos“ und „Rosseaus“. Insgesamt entstanden so um die 600 Fälschungen.

Mitte Juli 1948 ergatterte Dietrich Fey dann den lukrativen Auftrag zur Wiederherstellung der gotischen Fresken in der Lübecker Marienkirche. Diese „Mutterkirche der Backsteingotik“ war während des britischen Flächenbombardements in der Nacht vom 28. zum 29. März 1942 ausgebrannt, worunter auch die 21 Heiligenbildnisse aus der Zeit um 1300 schwer gelitten hatten. Bei dem Versuch der Restaurierung wiederholte sich allerdings das Malheur von Schleswig: Besser als auf dem originalen mittelalterlichen Putz hafteten die alten Farben an den zehn Schichten der späteren Übertünchungen, weswegen nach deren Entfernung nur noch vage Schemen übrig blieben. Daraufhin spornte Fey Malskat an, die Bilder nach eigenem Gutdünken neu zu malen: „Jetzt müssen Sie ran, legen Sie los!“ Und auch der Kirchenbaumeister Lothar Fendrich meinte: „Immer Farbe druff, immer feste!“

Das Ergebnis dieser Bemühungen fiel derart überzeugend aus, dass Fey 1951 anlässlich der 700-Jahr-Feier von St. Marien von Bundeskanzler Konrad Adenauer ausgezeichnet wurde. Der leer ausgegangene Malskat, der von dem gefeierten Fey lediglich ein paar Bier- und Schnapsmarken erhalten hatte, kochte vor Wut und erstattete schließlich am 6. Oktober 1952 eine Anzeige gegen sich selbst sowie gegen Fey und die Kirchenbauleitung wegen Betruges. Der hieraus resultierende Prozess zur Aufarbeitung des größten Kunstschwindels in der Geschichte der Bundesrepu-blik begann im August 1954 und endete am 25. Januar 1955 mit der Verurteilung Malskats zu anderthalb Jahren Gefängnis ohne Bewährung, während der mitangeklagte Anstifter Fey noch zwei Monate länger absitzen musste.

Nach der Entlassung aus der Haft schlug sich Malskat ehrlich durchs Leben, wobei seine Bilder, die nun keine Kopien oder Fälschungen mehr waren, zunächst nicht sonderlich teuer verkauft wurden. Eine Änderung trat erst ein, als der starke Raucher nach zwei Herzinfarkten und einem Schlaganfall am 10. Februar 1988 in Wulfsdorf nahe Lübeck starb. Plötzlich erzielten die echten Malskats bei der Auflösung des Nachlasses Preise von bis zu 15.000 Mark. Dahingegen nahmen die beiden bekanntesten Fälschungen des gebürtigen Königsbergers ein eher unrühmliches Ende: Der Kreuzgang mit den „restaurierten“ Fresken im Dom von Schleswig ist nicht mehr öffentlich zugänglich und die Malereien in Lübeck ließ der Vorstand von St. Marien weitgehend entfernen, weil sie als „kirchliches Ärgernis“ galten.


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