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Östlich von Oder und Neiße

Der Mensch lebt nicht vom Brot allein

Wegen der Corona-Krise ist ein direkter Kontakt nicht mehr möglich. Wer sich um die Deutschen in Schlesien kümmert

Chris W. Wagner
10.04.2020

„Bist du Gottes Sohn, dann hilf dir selbst“ – ein Spruch, den Deutsche im Ausland jetzt sehr deutlich zu spüren bekommen.
Manfred Prediger lebt seit seiner Pensionierung in einem kleinen oberschlesischen Dorf. Er zog von Sachsen-Anhalt, das nach seiner Vertreibung aus dem Sudetenland seine zweite Heimat geworden war, dorthin, weil seine Ehefrau in der dortigen Dorfschule Deutsch unterrichtete. 2019 ist sie verstorben, Prediger blieb jedoch in Oberschlesien und ist praktisch ohne Polnischkenntnisse. Der aus Gablonz [Jablonec] stammende Senior hat sich in dem hauptsächlich von verbliebenen Deutschen bewohnten Dorf gut eingelebt und als Stadtmensch nutzte er gerne die Kulturangebote der Deutschen Minderheit im nahen Oppeln [Opole].

Zum Arztbesuch über die Grenze

Ärztliche Versorgung genoss er allerdings westlich der polnischen Staatsgrenze. Dies ist jetzt nicht mehr möglich. Auch wenn ihm sein deutscher Hausarzt seine Medikamente weiterhin verschreibt, so kann er diese nicht mehr abholen. Und das postalische Zustellen ist ebenfalls erschwert, da seit dem 1. Januar 2019 internationale Warensendungen in Briefen nicht mehr erlaubt sind und in Corona-Zeiten nun eine schleppende Zollabfertigung die Zustellung unsicher macht.

Auch die 94-jährige Agnes Kobiollka aus Kandrzin [Kedzierzyn] bekommt ihre Romane und das deutsche TV-Programm nicht mehr als Warensendung zugestellt. Klar – es ist nichts Lebenswichtiges, aber ein schöner Zeitvertreib im hohen Alter, wo sie doch nicht mehr aus dem Hause kommt und eigentlich polnische Zeitungen nicht mehr konsumieren wollte. Nachbarn versorgen sie mit Lebensmitteln; aber der Mensch lebt nicht vom Brot allein.

Organisation der Deutschen hilft

Die Organisation der Deutschen in Oberschlesien hat einen Appell an ihre Mitglieder gestartet, um alleinstehende ältere Menschen ausfindig zu machen und ihnen zu helfen. An die „zugezogenen“ Deutschen wird dabei auch gedacht. Aber die Mitglieder der Organisation – ob nun die Masse der Alteingessesenen oder die wenigen „Zuwanderer“ wie Manfred Prediger – sind meist selbst älter und oft auf Hilfe angewiesen. Es ist einfacher, die Jungen durch soziale Netzwerke zu erreichen. Dies tut die Sozial-Kulturelle Gesellschaft der Deutschen (SKGD) im Oppelner Land mit täglichen Tipps.

Aber hier geht es eher um das klassische Feld der Kultur- und Spracharbeit wie Ideen zum Deutschlernen in den eigenen vier Wänden. „Wir haben eine ganze Liste mit Ideen, wie man auf spielerische Weise Deutsch lernen kann. Wir werden auch unsere alten Projekte wiederaufleben lassen, damit die Interessierten noch mehr Möglichkeiten haben, etwas auf Deutsch zu lesen oder anzusehen. Dazu gehört beispielsweise der Film ‚Gruß aus Oppeln', den wir online gestellt haben“, berichtet Joanna Hassa, Mitarbeiterin der SKGD in Oppeln in den Medien der Deutschen Minderheit. Daneben werden Links zu Übungsseiten und Lernvideos ins Netz gestellt. Durch Karaoke oder Videos von deutschsprachigen Schultheaterauftritten können Jugendliche an ihren Deutschkenntnissen feilen. Den Älteren bleiben die Sendezeiten für Minderheiten im Hörfunk und das Fernsehen.

Jüngere online erreichen

Das Haus der deutsch-polnischen Zusammenarbeit in Oppeln und Gleiwitz sorgt dafür, dass seine Publikationen nun ebenfalls online erworben werden können, doch auch dieses Angebot erreicht nur Menschen, die im Netz aktiv sind. Einer Agnes Kobiollka nützt dieses Angebot nichts. Und auch Menschen wie Manfred Prediger sind nur so gut versorgt, wie ihre persönlichen Netzwerke in der neuen Heimat funktionieren. Auch in den Oder-Neiße-Gebieten drohen neue vergessene Schicksale.


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Kommentare

sitra achra am 18.04.20, 11:16 Uhr

Es wäre doch die Aufgabe des Nachfolgestaats (ich vermeide konsequent die Bezeichnung "Deutschland" dafür, da offenkundig mehrheitlich undeutsch), der deutschen Diaspora in PL in der Not zu helfen, eigentlich.

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