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Der Messias aus Quedlinburg

Verehrt und verspottet – Vor 300 Jahren wurde der Dichter Friedrich Gottlieb Klopstock geboren

Veit-Mario Thiede
28.06.2024

Zu seinen Lebzeiten war Friedrich Gottlieb Klopstock (1724–1803) Deutschlands angesehenster Dichter. Nachfolger wie Goethe, Schiller oder Hölderlin verdankten ihm wertvolle Anregungen. Aber es gab Schriftstellerkollegen, die sich über Klopstocks Werk lustig machten. So nutzt der Teufel in Grabbes Komödie „Scherz, Satire, Ironie und tiefere Bedeutung“ Klopstocks umfangreiches Versepos „Messias“ als „unfehlbares Schlafmittelchen“. Heute ist der am 2. Juli 1724 geborene Klopstock fast vergessen. Sein 300. Geburtstag bietet Gelegenheit, ihn und sein Werk ins Rampenlicht zu stellen.

Klopstocks Geburtshaus steht am Fuße von Quedlinburgs Schlossberg. In dem Fachwerkgebäude mit dem markanten, von zwei Säulen flankierten Eingang wird Klopstock mit einer Dauerausstellung geehrt. Sie beginnt mit dessen Kindheit, bringt uns den Menschen und sein Schaffen nahe und beleuchtet sein Nachleben.

Klopstock war das älteste von 17 Kindern eines verschuldeten Juristen. Beim Rundgang entdecken wir Devotionalien wie Schreibfedern und eine Haarlocke des Dichters. In großer Zahl sind seine Schriften ausgestellt. Berühmt gemacht haben ihn die 1748 veröffentlichten ersten drei Gesänge des „Messias“. Bis zur vorläufigen Vollendung seines Opus magnum dauerte es bis 1773. Seine 20 Gesänge lobpreisen Christus und dessen Erlösungswerk in fast 20.000 Versen. Aber bis fast an sein Lebensende sorgte Klopstock für Verbesserungen: Nach der „Ausgabe letzter Hand“ (1781) erschien die „Ausgabe des letzten Fingers“ (1799).

Zu seinem Schaffen fühlte sich Klopstock von Gott berufen. Das Rüstzeug vermittelte ihm das in einem ehemaligen Zisterzienserkloster eingerichtete Internat von Schulpforte, in dem er von 1739 bis 1745 lebte. In Schulpforte studierte er intensiv die Bibel und las die antiken griechischen und römischen Autoren Vergil, Homer, Horaz und vor allem Cicero.

Die aus der alten Fürstenschule hervorgegangene heutige Landesschule ehrt ihren neben Nietzsche berühmtesten Abgänger mit der im Internet und im Besucherzentrum dargebotenen Sonderausstellung „Lies Klopstock“. An einer Wand sind zahlreiche Bildnisse Klopstocks aufgehängt, die ihn in allen Lebensaltern zeigen. An einer anderen Wand steht in riesigen Lettern ein spöttisches Epigramm, das der Dichter und Kritiker Lessing 1753 verfasste: „Wer wird nicht einen Klopstock loben? Doch lesen sollt ihn jeder? – Nein. Wir wollen weniger erhoben und fleißiger gelesen sein.“

Die Sonderschau ermuntert dazu, Klopstock zu lesen – und zwar laut. Zu dessen Zeit war es üblich, die Texte zu deklamieren, und im Hinblick darauf hat er sie Wort für Wort komponiert. Textblätter zu elf Oden, Hymnen und Auszügen aus längeren Schriften können mitgenommen werden. Sie geben uns Einblick in seine Hauptthemen. „Der Messias“ ist mit dem ersten Gesang vertreten. Zeichen geben an, ob die Silben lang oder kurz zu betonen sind.

Das zieht einem die Stiefel aus
Das noch heute gern gelesene Liebesgedicht „Das Rosenband“ ist ebenso vertreten wie die nicht minder bewunderte Hymne auf die Freundschaft: „Der Zürcher See“. „Hermann und Thusnelda“ gehört seinen vaterländischen Dichtungen an. Seine Verehrung der Natur bringt uns das Gedicht „Die Frühlingsfeyer“ nahe. Auf dieses wiederum spielte Goethe an, wenn in seinem „Leiden des jungen Werthers“ die bei einem Gewitterregen neben dem Titelhelden stehende Lotte emphatisch ausruft: „Klopstock!“

Das Neuartige an Klopstocks Dichtkunst war ihre Ausdrucksintensität. Er gilt mit seinen Oden und Elegien als Erfinder der empfindsamen Liebeslyrik. Aber nicht jedem gefiel diese gestelzte und umständlich feierliche Ausdruckskunst. Der für seine spöttischen Aussprüche gefürchtete Lichtenberg tat kund: „Klopstock hebt an: ‚Du, der Du niedriger bist als ich, – und dennoch mir gleich – befreie mich von der Last des staubauffangenden Kalbfells!' – Während ich einfach sage: ‚Johann, zieh mir die Stiefel aus.'“

Wenige Wochen vor Klopstock starb Johann Wilhelm Ludwig Gleim, mit dem er seit 1750 befreundet war. Gleims Haus steht neben dem Halberstädter Dom. Es beherbergt als Museum der deutschen Aufklärung den umfangreichen Nachlass an Büchern und Briefen sowie 120 Porträts, die Gleim von seinen Freunden gesammelt hatte: Schriftsteller, Künstler, Wissenschaftler und auch einige Frauen, etwa Klopstocks Mutter.

Das Gleimhaus präsentiert die Sonderschau „Klopstock und die Freundschaft“. Im Blickpunkt stehen die von Klopstock gepflegten Freundschaften und der hohe Stellenwert der Freundschaftskultur für die Literaturentwicklung. Beleuchtet wird etwa die Beziehung des jungen Poeten zum Züricher Literaturpapst Johann Jakob Bodmer, ohne dessen Förderung er nie zu Ruhm gekommen wäre. Der Fürsprache des dänischen Kanzlers Johann Hartwig Ernst von Bernstorff verdankte Klopstock, dass der dänische König ihm eine seit 1750 jährlich ausbezahlte Rente zur Vollendung des „Messias“ bewilligte. Eine zweite setzte ihm Markgraf Karl Friedrich von Baden aus.

Den Schwerpunkt der Sonderschau bilden die Verbindungen zur ihn abweisenden Cousine Maria Sophia Schmidt, die innige Beziehung zu seiner ersten Ehefrau aus Hamburg, Meta Moller, und das langjährige harmonische Zusammenleben mit Johanna Elisabeth von Winthem, die seine zweite Gattin aus der Hansestadt war. Sie sang mit empfindsamer Stimme seine von berühmten Komponisten vertonten Lieder.

Die für den öffentlichen Gottesdienst bestimmten „Geistlichen Lieder“ beurteilte Klopstock als seine nach dem „Messias“ wichtigste Aufgabe: „Ich halte dieß für eine der schwersten Sachen, die man unternehmen kann. Mann soll, wo nicht dem gemeinen Haufen, doch den Meisten verständlich seyn; und doch der Religion würdig bleiben.“ Aber über die schrieb Lessing an Gleim: „Was sagen Sie zu Klopstocks geistlichen Liedern? Wenn sie davon schlecht urteilen, werde ich an Ihrem Christentum zweifeln; und urteilen Sie gut davon, an ihrem Geschmacke. Was wollen Sie lieber?“

Schulpforte: www.liesklop­stock.de; Klopstockhaus und Festprogramm Quedlinburg: www.quedlinburg-info.de; Gleimhaus Halberstadt: www.gleimhaus.de


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