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Grüner Wasserstoff und Roter Oktober – Was die Große Transformation unserer Tage mit den Weltverbesserungsprojekten des gescheiterten Kommunismus gemein hat
Im Jahre 2011 legte der „Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen“ (WBGU) ein Gutachten mit dem Titel „Welt im Wandel – Gesellschaftsvertrag für eine Große Transformation“ vor. Seitdem gilt der darin geforderte „nachhaltige Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft“ als Zielvorstellung deutscher Regierungspolitik. Den Weg gab der WBGU vor:
„Auf den genannten zentralen Transformationsfeldern müssen Produktion, Konsummuster und Lebensstile so verändert werden, dass die globalen Treibhausgasemissionen im Verlauf der kommenden Dekaden auf ein absolutes Minimum sinken und klimaverträgliche Gesellschaften entstehen können. Das Ausmaß des vor uns liegenden Übergangs ist kaum zu überschätzen. Er ist hinsichtlich der Eingriffstiefe vergleichbar mit den beiden fundamentalen Transformationen der Weltgeschichte: der Neolithischen Revolution, also der Erfindung und Verbreitung von Ackerbau und Viehzucht, sowie der Industriellen Revolution, die von Karl Polanyi (1944) als ,Great Transformation' beschrieben wurde und den Übergang von der Agrar- zur Industriegesellschaft beschreibt.“
Die Mitglieder des Beirats maßen dem Projekt eine epochale Bedeutung zu: „Die bisherigen großen Transformationen der Menschheit waren weitgehend ungesteuerte Ergebnisse evolutionären Wandels. Die historisch einmalige Herausforderung bei der nun anstehenden Transformation zur klimaverträglichen Gesellschaft besteht darin, einen umfassenden Umbau aus Einsicht, Umsicht und Voraussicht voranzutreiben.“
Historische Parallelen
Doch mit der Annahme einer historischen Einmaligkeit ihres Vorhabens irrten sie. Vor einem Jahrhundert wurde schon einmal ein gezielter Versuch eines tiefgreifenden Umbaus der Gesellschaft unternommen. Er begann 1917 mit der „Großen Sozialistischen Oktoberrevolution“ in Russland, breitete sich über große Teile der Welt aus und wurde erst nach mehr als 70 Jahren als offensichtlich gescheitert beendet. Die Erkenntnis seiner Untauglichkeit war mit dem Leiden unzähliger Menschen, mit Hungersnöten und geschätzten hundert Millionen Menschenleben viel zu teuer bezahlt.
Die Große Transformation, an deren Beginn wir stehen und die nach der Corona-Krise unbedingt Fahrt aufnehmen soll, scheint auf den ersten Blick ein völlig anderes Gesellschaftsexperiment zu sein, und doch findet man beim näheren Hinschauen erstaunliche Parallelen und Gemeinsamkeiten.
Beide Zielstellungen muten geradezu sakrosankt an: Die Bewahrung der Menschheit vor einer drohenden Klimakatastrophe erscheint genauso alternativlos und erstrebenswert wie die Beseitigung der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen. Zweifel an der Sinnhaftigkeit oder Erreichbarkeit dieser Ziele können nicht geduldet werden. Wer sie dennoch äußert, wird aus der Gesellschaft ausgegrenzt und mit diskriminierenden Attributen belegt: Was im Sozialismus der „Klassenfeind“ war, ist heute der „Klimaleugner“.
Aushebelung des Parlaments
Die „Große Transformation“ verlangt vor allem den Verzicht auf etwas, das unseren Wohlstand überhaupt erst ermöglichte: kostengünstige und stets verfügbare Energie aus fossilem Kohlenstoff und auch aus Kernspaltung. Die angebotenen Alternativen haben schon jetzt zu den weltweit höchsten Strompreisen geführt und werden mit der CO₂-Steuer weitere Wohlstandsverluste bewirken.
Sowohl die russischen Revolutionäre unter Lenin als auch der WBGU erkannten, dass sich die für den propagierten Wandel geforderte Opferbereitschaft der Menschen mit demokratischen Strukturen kaum durchsetzen lässt. Die sowjetische Institution der „Räte“ findet eine gewisse Entsprechung in der von dem WBGU geforderten „Zukunftskammer“ als dritte Säule im Gesetzgebungsverfahren. Deren Mitglieder sollen nicht demokratisch gewählt, sondern unter „engagierten Bürgern und Bürgerinnen ausgelost werden“. Das harmlos klingende Wort „engagiert“ öffnet faktisch einer Willkür Tür und Tor.
Auch der Sachverständigenrat für Umweltfragen hatte jüngst in einem Sondergutachten mit dem Titel „Demokratisch regieren in ökologischen Grenzen“ die Einrichtung eines zusätzlichen „Rates für Generationengerechtigkeit“ vorgeschlagen. Seine Mitglieder sollten je zur Hälfte vom Bundestag und vom Bundesrat für zwölf Jahre gewählt werden. Das neue Gremium soll „mit Möglichkeiten zur Stellungnahme“ an Gesetzgebungsverfahren beteiligt werden, wenn künftige Generationen betroffen sind, und vor allem ein „suspensives Vetorecht in Bezug auf schwerwiegende Bedenken“ erhalten. In dem Papier des Sachverständigenrates heißt es ausdrücklich: „Bereits die Androhung eines Vetos im laufenden Gesetzgebungsverfahren dürfte regelmäßig zu Änderungen des Gesetzesvorhabens führen, um den Bedenken des Rates (wenigstens teilweise) Rechnung zu tragen“ – ein klarer Angriff auf Funktion und Bedeutung des Parlaments.
Beide Weltverbesserungsprojekte sind durch ein weiteres gemeinsames Merkmal gekennzeichnet: Die „ungesteuerten“ Triebkräfte gesellschaftlichen Fortschritts, das Streben nach gesteigerter Effektivität sowie die Verbesserung von Effizienz werden in ihnen weitgehend außer Kraft gesetzt. An ihre Stelle tritt ein omnipräsenter Dirigismus, der praktisch in alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens eindringt. Wirtschaftliche Entscheidungen werden nicht mehr nach ökonomischen Kriterien, sondern nach ideologischen Prinzipien getroffen.
Im Jahre 1931 verabschiedete das Zentralkomitee der KPdSU eine Resolution, nach der innerhalb weniger Jahre alle in der UdSSR angebauten Getreidearten in vielfältiger Weise verbessert und zugleich an alle Anbaugebiete angepasst werden sollten – ein Vorhaben, das genauso unrealistisch war wie der in Deutschland geplante Ersatz von einer Million herkömmlicher Fahrzeuge durch Elektroautos bis 2020. Dennoch kündigte der sowjetische Agrarwissenschaftler Trofim Denissowitsch Lyssenko an, das von der Partei vorgegebene Ziel in kurzer Zeit erreichen zu können.
Lyssenkos Irrlehren
Die zentrale Behauptung Lyssenkos lautete, dass die Eigenschaften von Kulturpflanzen und anderen Organismen nicht durch Gene, sondern nur durch Umweltbedingungen bestimmt würden. Dies war konform mit der Staatsdoktrin, dass die angestrebte schnelle Entstehung des „Sowjetmenschen“ durch eine entsprechende Erziehung zu erreichen sei.
Begleitet vom Beifall der sowjetischen Massenmedien, die Lyssenko als Genie darstellten, durfte dieser die Landwirtschaft bizarren Experimenten unterziehen. Die Bauern wurden gezwungen, anstelle ihrer normalen Feldarbeit millionenfach Bäume eng zusammen in Nestern zu pflanzen, in denen sich der stärkste entwickeln sollte, während sich die anderen für ihn „opferten“. Das Ergebnis war ein Totalausfall. Getreu seiner zentralen These vom ausschließlichen Einfluss der Umweltbedingungen versuchte er „Artumwandlungen“ von Getreidesorten, bei denen unter Kälteeinwirkung etwa aus Weizenkörnern Roggenpflanzen hervorgehen sollten. Wenn Misserfolge sich gar nicht vertuschen ließen, wurden sie „Saboteuren“ in die Schuhe geschoben. Wissenschaftler, die Lyssenko kritisch gegenüberstanden, wurden durch Rufschädigung aus ihren Stellen verdrängt oder wegen „Kooperation mit Feinden des Volkes“ verhaftet.
Ungeachtet der Hungersnöte, die der Lyssenkoismus in der Sowjetunion zu verantworten hatte, wurde er nach 1945 auch in den Satellitenstaaten als Doktrin für deren Landwirtschaft übernommen, mit besonderem Eifer und mit besonders katastrophalen Folgen in China. Erst nach Chruschtschows Sturz im Oktober 1964 konnten Lyssenkos Irrlehren als solche bezeichnet und verworfen werden. 1965/66 wurde der Biologie-Unterricht in der Sowjetunion ausgesetzt, um neue Lehrpläne entwickeln und die Lehrer umschulen zu können.
Die englische Version von „Wikipedia“ bezeichnet den Lyssenkoismus als „eine Methapher für die Manipulation des wissenschaftlichen Findungsprozesses, mit der ein vordefiniertes Ergebnis erreicht werden soll, welches durch ideologische Voreingenommenheit diktiert wird und oft andere Ziele verfolgt“. Lebt ein so definierter Lyssenkoismus heute immer noch fort?
Irrwege der Gegenwart
Ein Beispiel für die ideologisch geprägten Irrwege unserer Tage ist die Suche nach alternativen Energiequellen. „Grüner Wasserstoff ist das Erdöl von morgen“ steht auf der Webseite des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF). Und weiter: „Der flexible Energieträger ist unverzichtbar für die Energiewende und eröffnet uns neue Märkte. Mit der Nationalen Wasserstoffstrategie machen wir Deutschland zu einem globalen Vorreiter.“
Doch im Gegensatz zur Vermutung des Ministeriums ist der „grüne“ (durch Elektrolyse mittels Strom aus Wind und Sonne gewonnene) Wasserstoff keineswegs eine Energiequelle wie Erdöl. Der energetische Aufwand für seine Herstellung übertrifft bei weitem die mit ihm erzielbare Nutzenergie. Damit stellt ein solcher Wasserstoff nur ein Speichermedium für Energie mit einem niedrigen Wirkungsgrad dar. Dass dieser Wirkungsgrad aus unüberwindlichen physikalischen Gründen sehr schlecht ist, macht seine Verwendung zu einem extrem teuren Unterfangen, wie am Beispiel seines – ernsthaft vorgesehenen – Einsatzes zur Stahlherstellung gezeigt werden kann.
Bei der konventionellen Stahlproduktion mit Koks im Hochofen werden pro Tonne Stahl 1.600 Kilogramm CO₂ freigesetzt, womit der Industriezweig zur Riege der schlimmsten „Klimasünder“ gehört. Um die kriselnde Stahlindustrie von diesem Stigma zu befreien, soll sie in Zukunft anstelle von Koks grünen Wasserstoff verwenden. Die Deutsche Energie-Agentur DENA, die als Institution des Bundes die Energiewende auszugestalten hat und deshalb jeglicher Schwarzfärberei unverdächtig ist, veröffentlichte eine „Schätzung“ der Mehrkosten, die demnach um etwa 55 Prozent über der Kokstechnologie liegen. Legt man die Produktion des Jahres 2019 von 40 Millionen Tonnen zugrunde, sind dies 12,4 Milliarden Euro pro Jahr mehr. Bereits damit wäre deutscher Stahl auf dem Weltmarkt nicht mehr wettbewerbsfähig.
Die Kosten trägt der Steuerzahler
Doch der von DENA nicht näher begründeten „Schätzung“ kann man eine einfache, mit Abiturkenntnissen in Chemie nachvollziehbare Überschlagsrechnung entgegenstellen, nach welcher der Ersatz des Energieträgers Koks durch grünen Wasserstoff einen Kostenanstieg von mindestens 590 Euro pro Tonne Stahl verursacht. Für die deutsche Stahlindustrie wären dies dann sogar jährliche Mehrkosten von 23,6 Milliarden Euro. Das Vorhaben der Produktion von Stahl mittels grünem Wasserstoff bedeutet damit einen beispiellosen Wohlstandsverzicht.
In der Verlautbarung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie „Für eine starke Stahlindustrie in Deutschland und Europa!“ vom Juli 2020 findet sich die Absicht, mittels „Carbon Contracts for Difference“ die Mehrkosten der CO₂-freien Stahlproduktion dem Steuerzahler aufzubürden. Dieser wird sich nicht wehren, denn er weiß nicht, was auf ihn zukommt. Es wäre die Pflicht von Wissenschaftlern verschiedener Disziplinen, der Regierung in den Arm zu fallen und die Gesellschaft dringend vor dem politisch gewollten Abenteuer des grünen Wasserstoffs mit katastrophalem Ausgang zu warnen. Doch solche Stimmen sind öffentlich nicht vernehmbar, und die Medien üben sich in pflichtschuldiger Begeisterung für das grüne Vorhaben.
So feiert fast ein halbes Jahrhundert nach dem Tode seines Schöpfers der Lyssenkoismus in Deutschland fröhliche Auferstehung.
Gregor Scharf am 27.08.20, 17:28 Uhr
Es ist ein trauriger Zustand, in dem sich Deutschland und die Mehrheit seiner Bevölkerung bewegen. Paralysiert von Finanz- und anderen Katastrophen bis hin zum völlig überzogenen Corona-Schauspiel taumelt die Masse einer Zukunft entgegen, die sie nicht mitgestalten kann, weil ihr die Sinne vernebelt werden und die Angst vor gesellschaftlicher Ächtung und Ausgrenzung sowie dem Arbeitsplatzverlust jeglichen Widerstand und den Willen zum Kampf und der Verantwortung für das eigene Leben erlahmen lassen. Die Reeducation hat ganze Arbeit geleistet. Respekt für deren Erfinder. Die Transformation des neuen Menschen feiert bald seinen Höhepunkt.
Sonja Dengler am 24.08.20, 13:34 Uhr
Man MUSS Vera Längsfeld einfach einen roten Teppich ausrollen: sie zeigt uns wie kein anderer, wo es in D langgeht und wohin wir steuern.
sitra achra am 23.08.20, 13:13 Uhr
Ich möchte gerne wissen, welche schädlichen Gene diese modernen Lyssenko*Innen besitzen.
Könnte man diese nachweisen, könnte die Welt eventuell doch gerettet werden. Dazu müssten allerdings die Diagnostik und die Genchirurgie vorangebracht werden.