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Zum 100. Geburtstag von Loriot ändert „Das Erste“ mit einer Sketchparade vor der „Tagesschau“ sogar das Programmschema
Denkt man an preußischen Humor, kommt man an Loriot nicht vorbei. Der in Brandenburg an der Havel geborene Humorist, den der Literaturkritiker Joachim Kaiser – selbst ein Ostpreuße – einen Preußen, „wie Gott ihn träumt“, nannte, bekannte sich freimütig zu seinen preußischen Wurzeln. „Ich bin als Preuße geboren, ich habe das Preußische sozusagen im Blut. Das definiert man für sich nicht neu. Man ist da hineingeboren, damit hat man sich abzufinden“, sagte er.
Denkt man an Loriots preußischen Humor, dann auch dieses Portrait: Der Herr mit dem Einstecktuch und der Lesebrille sitzt auf einem plüschigen Gründerzeit-Sofa, die Beine übereinandergeschlagen, in den Augen freundliche Ironie. Von Kopf bis Fuß gediegene Großbürgerlichkeit? Von wegen! Loriot, so genannt nach dem französischen Wort für den Pirol im Familienwappen, war ein Aristokrat, der den Menschen aufs Maul schaute, ohne sich je über sie zu erheben. Vor allem aber ist er samt seiner Knollenmännchen bis heute unvergessen.
Am 12. November wäre Bernhard Viktor von Bülow, wie er bürgerlich hieß, 100 Jahre alt geworden. Das Erste sendet vom 6. bis 9. November kurz vor der „Tagesschau“ seine schönsten Sketche und feiert ihn mit dem Portrait „100 Jahre Loriot“ (Montag, 6.11., 20.15 Uhr), in dem Satiriker und Comedians von Haderer über Helge Schneider und Olli Dittrich bis Sarah Bosetti Loblieder singen.
Hape Kerkeling etwa erzählt, wie er sich einst vergeblich als kleiner dicker Junge für den Weihnachtssketch mit Familie Hoppenstedt bewarb – engagiert wurde ein kleines, dickes Mädchen – und bedauert, wie gern er doch den Erwin Lindemann gespielt hätte. Der Film vom Lottogewinner, der sich angesichts eines Fernsehteams in seinen auswendig gelernten Sätzen heillos verheddert, ist längst Kult.
Als Darsteller seiner eigenen Sketche war sich der aus einer preußischen Offiziersfamilie stammende Loriot für keine Albernheit zu schade. Er steckte sich vorstehende Hasenzähne ins Gesicht, ließ die berühmte Nudel durchs Gesicht wandern („Fräulein Hildegard, sagen Sie jetzt nichts“), brach beim Bilderrücken unter zusammenstürzenden Regalen zusammen, schwang die Arme zum zackigen „Radetzky-Marsch“, rollte mit seiner Partnerin Evelyn Hamann als ungelenker Liebhaber über den Nadelfilz im Büro.
Wie sein zappeliger Epigone Otto verweigerte sich Deutschlands König des Humors dabei jedem angestrengten Tiefsinn. Seine Figuren mit den Knollennasen seien doch eigentlich recht „freudlos und asexuell“, stellte einst die Interviewerin Marianne Koch in der Talkshow „III nach neun“ fest. Was für eine Steilvorlage für den grandiosen Spötter! Von Bülow mit feinem Lächeln: „Ich wollte eben einen Gegensatz zu mir herstellen.“
Nach seiner Rückkehr 1945 als Soldat in Russland – eine Zeit über die er kaum je gesprochen hat – begann von Bülow 1947 ein Kunststudium in Hamburg und wurde als Karikaturist für den „Stern“ entdeckt, wo er unter anderem eine Serie entwarf, in der Menschen in die Rolle von Hunden schlüpften. Der Redaktion wurde das schnell zu böse, der Zeichner wurde stattdessen vom Diogenes-Verlag übernommen. Sein Humor war eben nur vordergründig harmlos. Ihm gelang das schier Unmögliche: anarchisch, aber bürgerlich, subversiv, aber nicht ätzend, spöttisch, aber menschenfreundlich, anzüglich, aber nie obszön zu sein. Mit der ihm anerzogenen preußischen Disziplin, feinem Lächeln und spitzem Stift hielt er die Abgründe seiner Mitmenschen fest: Szenen einer Ehe („Das Ei ist hart“), Familienfeste, bei denen unter allen Umständen die Form gewahrt wurde („Ein Klavier, ein Klavier“), Mäkeleien mit Zeug zum Sprengsatz („Früher war mehr Lametta“).
So fangen Kriege an
Keiner konnte so fein und gemein deutsche Wichtigtuerei aufs Korn nehmen: Allein der Badewannen-Sketch gehört längst zum kollektiven Gedächtnis. Sitzen zwei Herren in der Badewanne und streiten sich: „Die Ente bleibt draußen“, fordert ein Herr Dr. Klöbner und erhebt sich zu tropfender Größe. Sein Bade-Partner mit dem prätentiösen Namen Müller-Lüdenscheid hält dagegen: „Die Ente bleibt drin.“ Die Fronten in der Wanne sind verhärtet, so fangen nicht selten Kriege an.
Wer wollte, könnt viel hineindeuten in die Welt des Loriot: etwa beim Versuch eines Vertreters, ein schief hängendes Bild gerade zu rücken, dabei eine Katastrophe nach der nächsten auslösend, bis das Zimmer in Schutt und Chaos versinkt. Die Deutschen und der typisch preußische Ordnungssinn – ein weites Feld. Je strenger der Rahmen, desto mehr Freude machte es von Bülow, diesen Rahmen zu unterlaufen. Allein Weihnachten, das geheiligte Fest des Friedens und der Liebe! Loriot lässt ein Knollenmännchen unterm Adventskranz ein bitterböses Gedicht von der mordenden Förstersfrau verlesen:
„... erlegte sie direkt von vorn, den Gatten über Kimm und Korn“.
In den 1970er Jahren war das Fernsehen noch fest in der Hand gewichtiger Moderatoren wie Wim Thoelke. Konnte man sich vorstellen, dass dessen Quizshow „Der große Preis“ mit einem Cartoon eingeleitet wird, wo ein komischer Hund mit Banjo „Ich wünsch mir 'ne kleine Miezekatze“ singt? Es dauerte. Die erste Platte produzierte von Bülow noch selbst, später wurden „Wum und Wendelin“ zum Markenzeichen des Senders.
Ende der 1980er wechselte der Meister der kleinen Form zum abendfüllenden Spielfilm. „Ödipussi“, der 1988 in Ost- wie Westberlin Premiere feierte, wurde mit 3,5 Millionen Zuschauern der erfolgreichste Film des Jahres. Als „Papa ante Portas“ drei Jahre später nicht mehr ganz so viel Resonanz brachte, hörte er auf.
2007 starb seine geniale TV-Partnerin Evelyn Hamann mit nur 65 Jahren. In seinem Nachruf beschrieb Loriot ihr besonderes Können, punktgenau eine Pointe zu zünden: „Liebe Evelyn, dein Timing war immer perfekt. Nur heute hast du dich nicht an die Reihenfolge gehalten.“ Und sehr fein: „Na warte.“ Pathos war seine Sache nicht.
87 Jahre alt wurde er, dieser Meister der messerscharfen Beobachtung und des abgründigen Humors. Sein Grab liegt auf dem Waldfriedhof in Berlin, auf dem Relief des Grabsteins haben seine Verehrer viele bunte Quietscheenten abgestellt.
Von wegen: Die Ente bleibt draußen!
Michael Holz am 09.11.23, 11:14 Uhr
Eigentlich hätte er 200 Jahre alt werden müssen, wie auch Evelyn Hamann. Ich vermisse sie, die Welt ist etwas ärmer geworden, aber "wir" haben ja den genialen Böhmermann.