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Geschichte

Der Preußenversteher aus Pommern

Christian Graf von Krockow bemühte sich um professionelle Distanz und brachte seinen Lesern dennoch den Staat, die Regionen und nicht zuletzt die großen Personen des alten Preußen näher. Eine Erinnerung zu seinem 20. Todestag

Erik Lommatzsch
17.03.2022

Christian Graf von Krockow wird in erster Linie mit seinen Veröffentlichungen und Auftritten zum Thema Preußen in Verbindung gebracht. Zwar ist das Spektrum seiner Publikationen weit facettenreicher, aber wahrscheinlich war es besonders einprägsam, wenn sich ein echter preußischer Graf als Erklärer des Hohenzollernstaates betätigte.

Je nach Auffassung ist die Angabe der Herkunft unvollständig, zählen die Krockows doch zum pommerschen Uradel, und die Zugehörigkeit zu Preußen umfasst bekanntlich nur einen Teil der wechselvollen Geschichte Pommerns. Aber schließlich lag die Bildung der preußischen Provinz Pommern bereits über ein Jahrhundert zurück, als Christian Graf von Krockow am 26. Mai 1927 in Rumbske, etwa 20 Kilometer nordöstlich von Stolp, geboren wurde. Und Krockow selbst erklärte: „Ich bin nicht in der Welt des deutschen Bürgertums geboren worden, sondern in Pommern und Preußen.“

Bekennender Preuße und Pommer

Nach Kriegseinsatz, Vertreibung und Studium wurde er bei dem ihn prägenden Soziologen und Philosophen Helmuth Plessner promoviert, der seit 1951 an der Universität Göttingen wirkte. Plessner seinerseits wurde durch sein Werk „Die verspätete Nation“ bekannt, in welchem er die These vertrat, Deutschland habe in der Neuzeit den Anschluss an die Entwicklung der westlichen Welt „verpasst“.

Krockow beschäftigte sich in seiner Dissertation mit der Frage, wodurch der Nationalsozialismus seine Anziehungskraft auf Angehörige der intellektuellen Eilte wie Ernst Jünger, Carl Schmitt oder Martin Heidegger ausübte. Schnell avancierte er zum Professor, zunächst in Göttingen, dann in Saarbrücken und schließlich in Frankfurt am Main.

1969 gab Krockow seine Stellung auf und arbeitete fortan als freier Schriftsteller. Ausschlaggebender Anlass für den Abbruch der akademischen Karriere war ausweislich seiner „Erinnerungen“ das Hintertreiben einer Berufungsangelegenheit durch einen Kollegen.

Kein Anhänger der 68er Bewegung

Krockow resümierte später: „In der Welt, aus der ich stamme, gehörte zu den überlieferten Regeln ohnehin, dass man ‚den Abschied nimmt', wenn man mit den Dienstverhältnissen, den Vorgesetzten oder mit Befehlen über Kreuz gerät“. Vor allem aber war es die Veränderung an den Hochschulen im Zuge von „1968“, die ihn zur Kündigung veranlasste. Die „alte Universität“, so Krockow, sei untergegangen, nicht nur aufgrund der Vermassung. Er sah sich, einen zum Schlagwort avancierten Buchtitel von Helmut Schelsky aufgreifend, als Angehöriger der „skeptischen Generation“. Dieser seien „alle Spielarten von Bekehrungs- und Glaubenseifer ein Gräuel, in deren selbstgerecht gutem Gewissen schon die Verfemung und Verfolgung des Andersdenkenden und mit ihr die Menschenverachtung angelegt sind“. Zwar bemühte sich Krockow durchaus um Verständnis für die Anliegen der „Rebellen von 1968“, attestierte ihnen jedoch, „in fragwürdige deutsche Verhaltensmuster“ zurückzufallen.

Nachdem er die Universität verlassen hatte, gehörte sein publizistisches Interesse zunächst der Politik, der Sportsoziologie oder beispielsweise einer aktuell ausgerichteten Überblicksdarstellung Mexikos. Seit Beginn der 1980er Jahre dominierte der historische Bereich. Mehrfach mündeten Reisen, vor allem in deutsche oder ehemals deutsche Gebiete in Werke, die Geschichte mit seiner Gegenwart verbanden. In Bezug auf Preußen versuchte er immer, Distanz zu wahren, mitunter etwas bemüht akzentuiert. So, wenn er den Verlag für sein erstes, 1981 erschienenes Preußen-Buch mit den Worten werben ließ: „Graf Krockow warnt vor der Verklärung eines Staates ohne Idee.“

Zahlreich sind die weiteren Werke zum Thema Preußen, etwa eine kurze „Bilanz“ von 1992. Friedrich der Große war mehrfach Gegenstand seines Interesses, einmal in Form eines gelungen Doppelporträts, das den König zusammen mit dessen Bruder Prinz Heinrich darstellt. Auch dem Schloss Rheinsberg widmete Krockow einen kleinen Band. Obwohl mit sichtlicher Zuneigung stets geschrieben, wiederholte er immer wieder das Diktum Theodor Fontanes, vom „gleich sehr zu hassenden und zu liebenden Preußen“.

Verfasser vieler Biografien

Biografien über Bismarck, Wilhelm II. und Churchill legte Krockow vor oder Titel wie „Die Deutschen in ihrem Jahrhundert 1890–1990“. Seine Heimat rückte er mit „Die Stunde der Frauen. Bericht aus Pommern 1944 bis 1947“ in den Blickpunkt, hier verarbeitete er die Aufzeichnungen seiner Schwester, insbesondere aber mit der 1985 erschienenen „Reise nach Pommern“.

Im Jahr zuvor hatte er das Gebiet im nunmehrigen Polen besucht. Erinnerungen und Schilderungen an das pommersche Leben seiner Jugendjahre sind vorherrschend, versöhnliche Töne bestimmen die Kapitel über die Erfahrungen 40 Jahre nach der Vertreibung. Pommern war für Krockow ein „verschwiegenes Land“, denn hier liebe die Natur „keine Sprünge, weder ins Schroffe noch ins Verspielte; sie macht nicht von sich reden.“ Als weiterer Grund komme hinzu: „Anders als von Ostpreußen, Schlesien, der Mark oder Mecklenburg ist von ihm kaum erzählt worden.“ Zur Behebung dieses Mangels trug er mit seinem Buch bei.

Er beschrieb sich als altmodisch

Vor 20 Jahren, am 17. März 2002, ist Christian Graf von Krockow in Hamburg gestorben. Kurz vor seinem Tod vollendete er noch seinen Titel „Einspruch gegen den Zeitgeist“. Er beschrieb sich hier selbst als „altmodisch“. Wirkte sein Gerieren als Verweigerer von Computer und Internet auch zu dieser Zeit schon als eher unvorteilhafte Koketterie, so dürften Formulierungen wie „maulende Anspruchsmonster“ für antiautoritär erzogene Kinder zeigen, dass Krockow nicht nur als – im besten Sinne populärwissenschaftlicher – Historiker und Reisender nach wie vor lesenswert ist.

• Info Eine gute Gelegenheit, auf den Spuren der Familie Krockow zu wandeln, bietet das Stammschloss der Familie, auf dem Christian Graf von Krockow jedoch nicht geboren wurde. Es ist heute Hotel, Restaurant, Museum und Kulturzentrum. Im Museum wird auf Informationstafeln, Bildern, Büchern und originalen Urkunden die Geschichte der Familie von Krockow, des Schlosses und des Dorfes gezeigt. www.zamekkrokowa.pl/de


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