08.09.2024

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Der Wochenrückblick

Der „Republikaner“

Wie unterschiedlich Attentate eingeordnet werden, und wie Habeck uns allen entrückt ist

Hans Heckel
20.07.2024

Kennen Sie das noch? „Das hat nichts mit dem Islam zu tun“, belehrte man uns jahrelang, wenn wieder einmal ein fanatisierter Moslem mit direktem Bezug auf seine Religion einen Anschlag verübt hatte. Der Kerl war dann als „Einzelfall“ zu werten, der aus einer Geistesstörung heraus gehandelt habe oder weil er sich sozial deklassiert fühlte. Aber natürlich nicht aus religiösen Motiven. Wer anderes vermutete, der musste sich vorhalten lassen, die „Tat auszuschlachten“ für „islamfeindliche Hetze“.

Wie Ihnen allerdings aufgefallen ist, zieht diese Züchtigung der öffentlichen Interpretation radikal-islamischer Terrorakte nicht mehr. Schlimmer noch verkümmerte „Das hat nichts mit dem Islam zu tun“ zum kabarettreifen Schenkelklopfer, zur ironischen Pointe: Wer das heute noch sagt, meint in Wahrheit genau das Gegenteil und verlacht durch das Zitat nur die politischen und medialen Retuscheure der Wirklichkeit.

Linksextreme Gewaltakte erfreuen sich feinster „Differenzierung“ oder werden sogar ob ihres angeblich „achtenswerten Motiv(s)“ noch vergoldet. So vor gut einem Jahr der Richter beim Urteilsspruch gegen die linksextreme „Hammerbande“, die Neonazis mit maßloser Gewalt überfiel.

Ganz anders verhält es sich, wenn eine möglicherweise politisch motivierte Gewalttat dem rechten Spektrum zugeordnet werden kann. Dann wird der ganz große Bogen gespannt und der Vorwurf der moralischen Mitverantwortung so weit wie möglich ins gesamte Lager rechts der Mitte geschleudert.

So geschehen beim Massenmord von Hanau, wo ein offensichtlich Geistesgestörter etliche Menschen mit ausländischen Wurzeln ermordete und schließlich seine eigene Mutter, bevor er sich selbst erschoss. Das war durch und durch politisch zu werten, die psychischen Defekte des Täters mussten weit in den Hintergrund treten. Bundespräsident Steinmeier brachte es fertig, beim jüngsten Gedenken an die Mordtat den Namen der Mutter des Täters ganz unter den Tisch fallen zu lassen, vermutlich weil der Mord an ihr nicht in die Erzählung von der durch und durch politisch gemeinten Tat passte.

Nach diesen Erfahrungen war abzusehen, wie der Trump-Attentäter eingeordnet werden würde: Ein Außenseiter, der sich eigentlich nie politisch geäußert habe und obendrein selbst „Republikaner“ sei – Letzteres ist eine besonders wirkungsvolle Nebelkerze, die allerdings nur auf dem deutschen oder europäischen Markt zündet.

Wahr ist, dass sich Thomas Matthew Crooks in die Wahlliste der Trump-Partei eingetragen hat. Auf die Weise erlangen US-Bürger die Befugnis, bei den Vorwahlen innerhalb einer Partei über deren Präsidentschaftskandidaten mit abzustimmen. Sie können das einfach machen, die Partei hat da gar nichts zu sagen.

Ein dezidiert linker US-Ami hat dem Verfasser dieser Zeilen vor Jahren erzählt, dass er sich immer bei den Republikanern eintragen lasse, um dort für einen denkbar schwachen Kandidaten zu stimmen, damit der dann bei den Präsidentschaftswahlen gegen den demokratischen Konkurrenten verliere. Ob Crooks auch so kalkuliert hat? Seine einzig dokumentierte politische Tat war eine kleine Geldspende an eine Kampagnen-Organisation der Demokraten.

Wie dem auch sei: Hätte das widerliche Attentat einem demokratischen, also eher linken Kandidaten gegolten, hätten Medien und Politik gewiss sehr viel mehr Kampagnenhonig aus der Sache gezogen. So ging es ihnen nur darum, im großen Wischi und Waschi der „unklaren Motive“ die Tat so unpolitisch wie irgend möglich erscheinen zu lassen.

Die „Sinnfrage“ hat sich erledigt
Das wird allerdings nichts ändern. Das Bild ist überwältigend: Trump, umringt von nervösen Sicherheitsleuten und regelrecht gekrönt vom Sternenbanner, mit blutverschmiertem Gesicht und fest entschlossner Miene, streckt die Faust zum Kampf in den Himmel. Wie soll man dagegen noch Wahlkampf machen? Bidens Demokraten können ihre Sachen packen. Es ist gelaufen.

Den Schrecken in Berlin kann man sich ausmalen. Wenn die Ampel tatsächlich bis Herbst 2025 beisammen bleibt, wird sie sich wohl oder übel noch für einige Zeit arrangieren müssen mit der transatlantischen Urgewalt, die man hasst wie kaum etwas anderes auf der Welt. Wer gern lacht, darf den ersten öffentlichen Auftritt von Annalena Baerbock mit dem neuen, von Trump eingesetzten US-Außenminister auf keinen Fall verpassen. Nicht allein ihre Worte, auch Baerbocks Mimik und Gestik bei dem Anlass dürften gute Unterhaltung bieten.

Die deutschen Regierungsmitglieder, und hier insbesondere die Grünen, werden schwer zu beißen haben, zumal sich die Spitzen der einstigen Ökopartei mittlerweile in solche Höhen der selbstgewissen Eitelkeit geschraubt haben, dass ein Pfau dagegen wie ein graues Entlein wirkt. Baerbock verzichtet huldvoll auf eine Kanzlerkandidatur, die ihr niemand angetragen hat in einer Partei, die laut Umfragen mit elf oder zwölf Prozent von der Kanzlerschaft soweit entfernt liegt wie Berlin von Washington – wo Baerbock ihren „Verzicht“ aussprach, statt sich in den Niederungen der Heimat zu erklären.

Derweil tourt Robert Habeck auf Sommerreise durch Deutschland. Was er da wohl diskutiert? Nun ja: Die Wirtschaft saust zu Tal, die innere Sicherheit erodiert, die Infrastruktur ebenso, und die Einwanderungskrise schreitet voran – es gäbe also allerhand zu besprechen mit dem Vizekanzler. Doch statt sich mit diesem lästigen Kleinkram herumzuschlagen, greift Habeck nach den Sternen höherer Erkenntnis: „Winfried Kretschmann sagt immer: Politik machen muss keinen Spaß machen, aber Sinn“, antwortet Habeck laut „Welt“ auf die Frage, ob er überhaupt Kanzler werden wolle, und sagt den bemerkenswerten Satz: „Die Sinnfrage stellt sich für mich überhaupt nicht.“

Die Sinnfrage stellt sich nicht? Wie meint er das? Man könnte spekulieren, dass es in seinen Augen sinnlos sei, ob eine Elf-Prozent-Partei einen Kanzlerkandidaten aufstellt oder nicht, denn kriegen wird sie den Posten eh nicht. Da wären wir ganz bei ihm.

Aber passt das zu Habeck? Passt das zu den Grünen? Kaum. Eher schon möchte man annehmen, dass er es so meint: Nämlich, dass es einfach im Sinne einer höheren Wahrheit sei, dass erstens ein Grünen-Politiker Kanzler werde und dass es sich dabei zweitens nur um ihn, Robert Habeck, handeln könne.

Wie kann er sich nur so im Reich der Illusionen verlaufen? Vielleicht deshalb: Laut dem „Welt“-Reporter hat sich kein Vertreter der mitgereisten Hauptstadtpresse dafür hergegeben, Habeck auf die Chancenlosigkeit eines grünen Kanzlerkandidaten anzusprechen. Stattdessen haben wohl alle fröhlich mitgemacht bei dem Gespinne. Man nennt das „Echoblase“. Von der Blase umgeben können sich Politiker grenzenlos verrennen, weil ihnen von der Wirklichkeit keiner was erzählt. Und dort macht dann auch die „Sinnfrage“ keinen Sinn mehr.


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