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Der Retter aus Preußen

Ein Fan des Historismus und ein Sanierer mit Geschmack – Preußenprinz Albrecht als Denkmalpfleger im Stammgebiet der Welfen

Helga Schnehagen
14.03.2024

Braunschweig bewahrt mit dem Prinz-Albrecht-Park und Prinz-Albrecht-Denkmal die Erinnerungen an Prinz Albrecht von Preußen (1837–1906), Neffe Kaiser Wilhelms I. und Enkel von Königin Luise und König Friedrich Wilhelm III. von Preußen. Als Interimsregent hat er im alten Herzogtum Braunschweig beachtliche kunsthistorische Spuren hinterlassen.

Wie kam es dazu? Nachdem Preußen 1866 das Königreich Hannover annektiert hatte, behielt das Herzogtum Braunschweig seine Eigenstaatlichkeit. Als Herzog Wilhelm 1884 ohne legitimen Erben starb, sorgte Bismarck dafür, dass die braunschweigische Landesversammlung am 2. November 1885 Prinz Albrecht zum Regenten des Herzogtums wählte und das Stammgebiet der Welfen damit unter preußischen Einfluss kam. 21 Jahre lang, bis zu seinem Tod, sollte der Prinz die Geschicke des Fürstentums lenken.

Der Preußenprinz erwies sich als ein an der Landesgeschichte überaus interessierter Denkmalpfleger, der persönlich dazu beitrug, dass Braunschweigs Herz und Zentrum, der Burgplatz, seine geschichtliche und kulturelle Bedeutung bewahren konnte. Seit dem 9. Jahrhundert lag an diesem Ort der Fürstensitz der Brunonen. Im 12. Jahrhundert wurde er zum Repräsentationszentrum welfischer Macht. Heinrich der Löwe, berühmtester und mächtigster Sohn der Familie, ließ hier die Burg Dankwarderode, die Stiftskirche St. Blasii, den heutigen Dom, mit der Grablege der Welfendynastie und das Standbild des Löwen errichten.

Die mehrfach zerstörte und wiedererrichtete Burg hatte 1873 ein Feuer derart stark beschädigt, dass die Stadt sie abreißen wollte. Als aber verwertbare romanische Gebäudeteile „entdeckt“ wurden, stoppte der Protest geschichtsbewusster Bürger das Vorhaben. Schließlich erstellte der Braunschweiger Architekt und Stadtbaurat Ludwig Winter ein Gutachten für den Wiederaufbau. Die errechneten Kosten sprengten jedoch jeden Rahmen.

Mit dem Amtsantritt Albrechts von Preußen kam neuer Schwung in die Sache. Der Prinz beschloss 1886, den Wiederaufbau der Burg mit Privatmitteln zu finanzieren. Dabei wurde aus der wissenschaftlich fundierten Rekonstruktion eine historistische Inszenierung nach Wünschen des Prinzen, die sich an der Goslarer Kaiserpfalz, der Wartburg und Schloss Neuschwanstein orientierte.

Die heutige Burg aber ist die Rekonstruktion der Rekonstruktion von 1906. Bei den Luftangriffen von 1944, die Braunschweigs Innenstadt zu 90 Prozent vernichteten, wurde auch Burg Dankwarderode stark beschädigt. Die Gedenktafel für Prinz Albrecht von Preußen als Wiederhersteller der Burg im glanzvollen Rittersaal hat dennoch ihre volle Berechtigung. Ohne seinen Einsatz, Herzog Heinrichs des Löwen verfallene Burg im alten Glanz neu erstehen zu lassen, gäbe es auch den heutigen Bau von 1995 nicht.

Kaiserdom Königslutter zerfiel
Der Burgplatz ist neben Aegidienviertel, Altstadtmarkt, Magniviertel und Michaelisviertel eine der fünf wiederaufgebauten Traditionsinseln, die Braunschweig nicht nur reizvolles Altstadtflair verschaffen, sondern auch eine belebte und beliebte Innenstadt. Die komplette Rekonstruktion des klassizistischen Herzogschlosses fügt seit 2006 noch die Aura der alten Residenzstadt hinzu. Nicht ohne Grund haben Lokalpolitiker mit dem Gedanken gespielt, sich mit Braunschweigs Traditionsinseln für die Welterbeliste der Unesco zu bewerben.

Weniger bekannt als die Kaiserdome von Mainz, Worms, Speyer, aber auch von Aachen, Frankfurt am Main, Bamberg, Magdeburg und Merseburg ist der Kaiserdom Königslutter im heutigen Landkreis Helmstedt. Die Instandsetzung dieses bedeutenden Baus der Romanik ist ebenfalls Prinz Albrecht zu verdanken.

Nach der Auflösung des von Kaiser Lothar III., dem Großvater von Heinrich dem Löwen, 1135 gegründeten Klosters im Jahr 1809 verfiel die Abteikirche, der heutige Kaiserdom, immer mehr. Ende des 19. Jahrhunderts war der Zustand der Kirche so schlecht, dass die Renovierung unumgänglich war. Prinz Albrecht veranlasste eine der Bedeutung der kaiserlichen Grablege angemessene vollständige Neugestaltung des Innenraums. Parallel zur Rekonstruktion von Burg Dankwarderode begann die Neuausmalung des Kaiserdoms durch den Braunschweiger Hof- und Dekorationsmaler Adolf Quensen, der nach deren Fertigstellung 1894 seine Arbeit in der Burg fortsetzte.

Das Bild-Programm lieferte August Essenwein, der als Experte für romanische Kunstgeschichte galt. Auf der Basis von Resten alter Malerei ging er davon aus, dass die Kirche im Mittelalter vollständig mit biblischen Szenen und dekorativen Elementen ausgemalt war. Somit machte er den Raum zu einer Art Prozessionsstraße, deren Ziel die Majestas Domini in der Hauptapsis ist.

Unter den Darstellungen fallen die Verkörperungen der vier Elemente an der Südwand und der vier Tageszeiten an der Nordwand auf. Das Querhaus bestimmen Darstellungen singender und musizierender Engelschöre, denen im südlichen Kreuzarm alttestamentarische Texte, im nördlichen neutestamentarische zugeordnet sind. An den Vierungspfeilern prangen großfigurige Idealporträts der Kirchenstifter, des Kaisers Lothar III. und seiner Ehegattin Richenza, sowie Johannes des Täufers und Moses'. An der Decke erstrahlt das himmlische Jerusalem.

Der Kaiserdom teilte das Schicksal der Restaurierung der Restaurierung quasi in letzter Minute. Rund hundert Jahre nach Fertigstellung der Malereien waren diese durch Verunreinigungen, Salzausblühungen und Baumaßnahmen kaum noch rettbar beschädigt und zu großen Teilen übertüncht. Nur zögerlich erkannte man den Wert des historistischen Gesamtkunstwerks an. Doch 2001 entschloss man sich zu einer umfassenden Restaurierung, die 2010, pünktlich zur 875-Jahr-Feier des Kaiserdoms, abgeschlossen wurde und den Besucher heute staunend in ihren Bann zieht.


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