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Deutsche Kunst

Der Romantiker auf der Wartburg

Die Mythenwelt eines Freskenkünstlers – Vor 150 Jahren starb der Bildpoet Moritz von Schwind

Helga Schnehagen
26.01.2021

Österreich und Deutschland teilen sich das Erbe von Moritz von Schwind. Der Maler und Grafiker zählt zur Speerspitze der Spätromantik. Dennoch ist der poetische Verzauberer mehr und mehr in Vergessenheit geraten. Das ihm zu Ehren vor dem Kunsthistorischen Museum Wien aufgestellte Denkmal wurde 1945 zerstört. Sein erhaltener Kopf schlummert bis heute im Depot des Belvedere.

Auch in München wurde das Schwinddenkmal auf der Schwindinsel, dem Nordteil der Praterinsel, im Krieg vernichtet. Nur die von Ernst Julius Hähnel geschaffene Bronzebüste konnte gerettet werden. Seitdem versteckt sie sich im Pausenhof der Grundschule an der Schwindstraße in der Maxvorstadt. Der am 21. Januar 1804 als Sohn des k. u. k. Hofsekretärs und Legationsrates Johann Franz von Schwind und dessen adeliger Gattin in Wien geborene Künstler starb vor 150 Jahren, am 8. Februar 1871, in Niederpöcking am Starnberger See. Beigesetzt wurde er aber auf Münchens Altem Südfriedhof.

Bereits mit 14 Jahren begann er an der Wiener Universität Philosophie zu studieren. Mit 17 Jahren beschloss er, Künstler zu werden, und besuchte von 1821 bis 1823 die Wiener Kunstakademie. Ludwig Ferdinand Schnorr von Carolsfeld regte ihn zur Umsetzung literarischer Stoffe an, und der Maler Johann Peter Krafft lenkte seine Aufmerksamkeit auf eine realistischere, gegenwartsbezogene Darstellungsweise. Zu der ihm eigenen spätromantischen Bildsprache fand Schwind jedoch im Selbststudium von allein.

In jungen Jahren unterhielt er regen Kontakt zu Künstlerkollegen, die seinen Horizont erweiterten, darunter der Komponist Franz Schubert und der Dichter Franz Grillparzer. Der Schubert-Kreis beschäftigte sich mit dem mittelalterlichen Sagenschatz sowie der engen Bindung der bildenden Kunst an Musik und Literatur.

Ob Märchen, Mythen, Mittelalter-Epos oder Musik, Schwind gelang es, allem mit Zeichenstift und Pinsel Ausdruck zu geben. Dazu erfand er in den 1830er Jahren sogar eine neue Bildform: Mit über- und nebeneinander liegenden Szenen stellte er innerhalb eines Rahmens verschiedene Handlungsstränge dar. Höhepunkt dürfte die „Symphonie“ von 1852 sein, die später von der Neuen Pinakothek in München aus dem Nachlass König Ottos von Griechenland erworben wurde.

Schwind bei den Minnesängern

Verwoben mit Beethovens vier Sätze umfassender „Fantasie für Klavier, Orchester und Chor in C-Dur“ entwickelte Schwind nach literarischer Vorlage die Romanze zwischen einer Sängerin und einem jungen Mann von der Introduktion, der ersten Begegnung, über das Andante, das Wiedersehen, das Adagio, das Liebesgeständnis, bis zum Rondo, der Hochzeitsreise. Mit 41 Gemälden besitzt die Neue Pinakothek nach eigenen Angaben die umfangreichste Schwind-Gemälde-Sammlung in einem Museum. Da die Neue Pinakothek für mehrere Jahre wegen Sanierung geschlossen ist, hängen die „Symphonie“ und 30 andere ihrer Schwind-Gemälde derzeit in der Münchener Sammlung Schack.

Auf Empfehlung Grillparzers war Schwind 1827 zu dem Maler Peter von Cornelius nach München gereist, der sich die Wiederbelebung der monumentalen Freskenmalerei auf die Fahnen geschrieben hatte. Dieser weihte ihn nicht nur in deren Technik ein, sondern verschaffte ihm auch erste Aufträge. Tief beeindruckt zog Schwind daraufhin nach München.

1844 erhielt er vom Städel Museum in Frankfurt den Auftrag für das Ölbild „Der Sängerkrieg auf der Wartburg“, nur eine von mehreren Fassungen, die Schwind dieser Thematik widmete. Richard Wagner hatte das Thema zu seiner Oper „Tannhäuser“ inspiriert, die 1845 uraufgeführt wurde. Schwind ist wohl schon 1819 an den Stoff gekommen. 1837 stellte er ihn erstmals auf einem großen Aquarell dar.

Dass der vermeintliche Schauplatz des mittelalterlichen Sängerkriegs, die Wartburg, heute zum Unesco-Weltkulturerbe gehört, verdankt sie Großherzog Carl Alexander von Sachsen-Weimar-Eisenach, der die ruinöse Burg historisierend wiederaufbauen ließ. Auch Schwind kam zum Zuge und erhielt seinen umfangreichsten Auftrag, den er bis 1854/55 ausführte: insgesamt 21 Fresken zum Sängerkrieg, zu Sagen der Thüringer Landgrafengeschichte und zum Leben der heiligen Elisabeth.

Unübersehbar finden sich gewisse Züge des Sängerwettstreits des Frankfurter Ölbildes im 2,5 mal fünf Meter großen Fresko im Sängersaal der Wartburg wieder. Die Inschrift macht glauben, dass man sich am historisch wahren Ort des Geschehens befindet. Sie lautet: „In diesem Saal wurde der Sängerstreit gehalten den 7ten Juli 1207 dem Geburtstag der heiligen Elisabeth.“ Ob er jedoch tatsächlich stattgefunden hat, muss offenbleiben. So wie ihn Schwind dargestellt hat, jedenfalls nicht. Denn neben historischen Figuren wie Landgraf Hermann I. und seiner Gemahlin Sophie sowie der Schar der Minnesänger mit Walther von der Vogelweide, Wolfram von Eschenbach und anderen beleben etwa Großherzog Carl Alexander, Franz Liszt, Goethe, Schiller, Luther oder Schwind selber als Porträt oder ganzfigurig anachronistisch das Bild.

Schwind war kein Freund von Traurigkeit. Besonders die Fresken im Landgrafenzimmer geben oft Anlass zum Schmunzeln. Die Sage von Landgraf Ludwig IV. und dem Löwen zum Beispiel vereint quasi exemplarisch den typischen „Schwind“. Volksnah und bodenständig in den Figuren, originell und humorvoll in der Komposition erzählt das Fresko, wie der Landgraf einen entlaufenen Löwen furchtlos mit gebieterischer Geste gefügig macht, während das Personal in hellster Aufregung ist und panisch das Weite sucht.

„Zauberflöte“ in der Hofoper

Schon vor seinem Wartburgaufenthalt hatte Schwind in einem Brief an den Burgkommandanten von Arnsfeld geschrieben: „ ... Kann ich in Ihre Menage eintreten, gibt der Wirt etwas zu essen, oder lebt man von der Jagd, Raub oder sonst etwas Ritterlichem? Gibt es ein Klavier auf der Wartburg – eine Geige? Musik muss etwas gemacht werden. Ich hoffe, einen angenehmen Mann als Helfer mitzubringen, dass wir doch ein lustiges Leben haben, sonst ist das Freskomalen nicht auszuhalten.“ Schwind sollte sich nicht beschweren. In Eisenach fand er sogar Freunde für ein Streichquartett.

Für seinen letzten Großauftrag kehrte Schwind Mitte der 1860er Jahre in seine Heimatstadt Wien zurück, um die 1869 eröffnete Wiener Hofoper mit Opern-Szenen auszuschmücken. Wie durch ein Wunder blieben die Werke im Schwind-Foyer und der Schwind-Loggia im Original erhalten. Legendär sind die Zauberflöten-Fresken der Loggia. Die „Zauberflöte“ war die Lieblingsoper des Künstlers und Mozart sein Idol. Dafür scheute Schwind keine Mühen: Mit Anfang 60 stand er noch Tag für Tag auf der hohen Leiter, um seine Malereien fristgemäß zu vollenden.

• Literatur-Tipp:
Petra Schall
„Moritz von Schwind und die Wartburg. Bilder eines Spätromantikers“
Schnell & Steiner Verlag, Regensburg 2018
80 Seiten, 60 farbige und fünf s/w-Illustrationen, 15 Euro


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