12.12.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden

Raumfahrt

Der Traum von Kolonien auf fremden Planeten könnte zerplatzen

Vieles spricht dafür, dass menschliches Leben jenseits der Erde gar nicht für längere Zeit existieren kann. Neben den immensen Kosten führen Skeptiker vor allem gravierende gesundheitliche Risiken ins Feld

Wolfgang Kaufmann
30.06.2024

Glaubt man Visionären wie Elon Musk, dem Chef des kommerziell hocherfolgreichen privaten Raumfahrtunternehmens SpaceX, dann steht der Mensch dicht davor, immer tiefer ins Weltall vorzudringen und andere Himmelskörper zu besiedeln. Allerdings gibt es ernstzunehmende Hinweise darauf, dass der Homo sapiens zum Siedeln anderswo als der Erde weder physisch noch psychisch in der Lage ist.

Ein Aufenthalt im Kosmos verursacht viele negative körperliche Veränderungen, welche teilweise unumkehrbar sind. Dazu gehören die Versteifung der zum Gehirn führenden Blutgefäße, eine überschnelle Alterung des Immunsystems, die Abflachung der Augäpfel mit daraus resultierender Sehschwäche sowie eine allgemeine Verkümmerung der Muskeln und Knochenschwund. Hier ließe sich zwar durch künstliche Gravitation einige Abhilfe schaffen, das gilt jedoch nicht für die ebenfalls drohenden Schäden durch kosmische Strahlung, welche zum einen von der Sonne stammt und zum anderen aus den Tiefen der Galaxis kommt.

Sonnenstürme erreichen den Raum zwischen Erde, Mond und Mars sehr schnell und können akute Strahlenerkrankungen auslösen. Diese beginnen in der Regel mit Erbrechen, was in einem Raumanzug bereits lebensgefährlich wäre. Dazu kommt später der Rückgang der Zahl der roten und weißen Blutkörperchen, welcher zu Infektionen und Sauerstoffmangel führt. Und je nach Dosis folgt dann ein schneller Tod aufgrund von unstillbaren Blutungen und Kreislaufversagen oder ein langsames Sterben an Krebs. Das gilt insbesondere bei Strahlungsausbrüchen durch Sternexplosionen oder ähnliche unvorhersehbare kosmische Ereignisse, weil die hierbei entstehenden, besonders energiereichen Teilchen kaum durch Abschirmungen zurückgehalten werden können.

Wenn Astronauten durchdrehen
Ähnlich schwerwiegend sind die psychischen Probleme, die Raumfahrern drohen. Einer 2021 im Fachblatt „Clinical Neuropsychiatry“ erschienenen Studie zufolge reichen diese von emotionaler Instabilität und verminderter geistiger Belastbarkeit über Schlafstörungen und Kommunikationsprobleme bis hin zu ernsthaften Angstneurosen und Psychosen. Welche Folgen so etwas im All haben kann, zeigt der Fall der Astronautin Serena Auñón-Chancellor.

Die US-Amerikanerin geriet im August 2018 während ihres Aufenthalts in der Internationalen Raumstation ISS in seelische Nöte und bohrte deshalb wahrscheinlich auch ein winziges Loch in den Druckkörper der angekoppelten Kapsel Sojus MS-09, um so ihre vorzeitige Rückkehr zur Erde zu erzwingen. Ebenso wurde das von 1991 bis 1993 dauernde Experiment „Biosphere 2“, bei dem ein zwei Jahre dauernder Weltraumflug von acht Personen in einem geschlossenen Ökosystem auf der Erde simuliert werden sollte, nicht zuletzt aufgrund zwischenmenschlicher Konflikte und anderer psychologischer Faktoren zum Misserfolg.

Ein weiteres Hindernis auf dem Weg in die Tiefen des Weltalls sind die immensen Kosten. Das Artemis-Programm, in dessen Verlauf die NASA 2027 wieder Menschen auf dem Mond absetzen will, soll mindestens 42 Milliarden US-Dollar verschlingen, was freilich noch zu niedrig kalkuliert sein dürfte, denn für die sechs Apollo-Mondlandungen von 1969 bis 1972 musste der amerikanische Steuerzahler nach heutigem Geldwert 120 Milliarden Dollar aufbringen. Und ein Flug zum Mars könnte am Ende sogar mit bis zu 400 Milliarden zu Buche schlagen. Das wiederum führt dazu, dass solche Vorhaben wenig populär sind, weshalb es künftig immer stärker an politischer Unterstützung mangeln wird.

2018 und 2020 ergaben repräsentative Befragungen von US-Bürgern durch die Meinungsforschungsinstitute Pew und Morning Consult ernüchternde Ergebnisse: Nur etwa jeder zehnte US-Amerikaner hielt es für wichtig, zum Mond oder zum Mars zu fliegen, wohingegen die Probanden anderen Vorhaben der Raumfahrt wie der Erforschung des Erdklimas oder der Entwicklung von Technologien zur Asteroidenabwehr deutlich höhere Priorität beimaßen.

Kleinste Defekte wären tödlich
Häufig kontern Befürworter der Raumfahrt das Kostenargument mit dem Hinweis auf die vielen neuen Erfindungen im Zuge der kosmischen Projekte, die von allgemeinem Nutzen seien – so wie beispielsweise die integrierten Schaltkreise, die man ursprünglich für den Bordcomputer der „Apollo“-Kommandokapsel entwickelt habe. Dem entgegnen Kritiker allerdings, dass sich der technische Fortschritt auf der Erde auch ohne den teuren Umweg über den Bau von Raumfahrzeugen vorantreiben lasse.

Und dann wären da noch allerlei ethische Aspekte. Ist es überhaupt vertretbar, Menschen in Bereiche des Kosmos zu schicken, in denen schon ein kleiner technischer Defekt den sicheren Tod bedeuten kann? Und dürfen wir riskieren, andere Planeten mit irdischen Mikroorganismen zu verseuchen und damit vielleicht das dortige Leben zu vernichten? Ebenso besteht die Gefahr der Kontamination der Erde durch eingeschleppte Mikroben von den besuchten Himmelskörpern.

Gänzlich ungeklärt ist zudem die Frage, wie sich der Homo sapiens verhalten sollte, wenn er im Zuge seiner Raumflugaktivitäten auf intelligentes Leben im All stößt. Oder anders gesagt: Wäre es tatsächlich klug, so weit in den Kosmos vorzustoßen, dass die Wahrscheinlichkeit solcher Kontakte zunimmt? Immerhin könnten feindliche Wesen die Erde übernehmen oder vernichten.

Aus all dem schloss der US-amerikanische Science-Fiction-Experte Gary Westphal in seinem viel beachteten Essay „Argumente gegen den Weltraum“, dass die sogenannte Eroberung des Kosmos mit Sicherheit nicht die Zukunft der Menschheit sei. Dagegen argumentieren die Raumfahrtenthusiasten, wenn sich die Erde in Zukunft aus irgendeinem Grund in einen lebensfeindlichen Ort verwandle, hänge der Fortbestand unserer Spezies von der Besiedlung anderer Welten ab – egal, was diese letztendlich koste.

Und damit haben sie im Prinzip recht. Denn in spätestens fünf Milliarden Jahren wird der Wasserstoffvorrat im Inneren der Sonne verbraucht sein, woraufhin sie sich zu einem Roten Riesen aufbläht. Dann sollte der Homo sapiens eine neue Heimat gefunden haben – oder er endet im solaren Feuer.


Hat Ihnen dieser Artikel gefallen? Dann unterstützen Sie die PAZ gern mit einer

Anerkennungszahlung


Kommentar hinzufügen

Captcha Image

*Pflichtfelder

Da Kommentare manuell freigeschaltet werden müssen, erscheint Ihr Kommentar möglicherweise erst am folgenden Werktag. Sollte der Kommentar nach längerer Zeit nicht erscheinen, laden Sie bitte in Ihrem Browser diese Seite neu!

powered by webEdition CMS