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Interview

Der Weg nach „Irgendwo"

Ein Gespräch mit dem britischen Bestsellerautor David Goodhart über die Spaltung der Gesellschaft

23.07.2020

Nicht erst der Brexit hat in Großbritannien die Erkenntnis gebracht, dass sich die moderne Gesellschaft spaltet: zwischen jenen, die sich auf die behagliche Insel zurückziehen, und jenen, die ihr Heil in Europa und in der Welt suchen. „Somewheres“ (die irgendwo gebunden sind) und „Anywheres“ (die nirgendwo gebunden sind) nennt der britische Autor David Goodhart diese beiden Spezies. In seinem Buch „The Road to Somewhere. Wie wir Arbeit, Familie und Gesellschaft neu denken müssen“, das in England zum Bestseller wurde, unterbreitet er Vorschläge, wie die Spaltung zwischen den dominanten Globalisten und den durchaus vernünftigen örtlich Verwurzelten überwunden werden kann. Die Corona-Zeit, sagt der 63-Jährige im Interview, sei die ideale Gelegenheit dafür.

PAZ: Herr Goodhart, Sie plädieren in Ihrem Buch für eine neue Verständigung zwischen beiden Lagern, um die gesellschaftliche Spaltung zu überwinden. Wie wollen Sie das anstellen?

David Goodhart: Ich glaube vor allem, dass die Verbindungen zwischen Any­wheres und Somewheres gestärkt werden sollten. Dinge, die gemeinsam erreicht wurden. Denken Sie zum Beispiel an die Corona-Krise: Anywheres und Some­wheres können in Deutschland stolz darauf sein, wie sie es gemeinsam geschafft haben, ihr Gemeinwesen besser als die meisten anderen Länder vor dem Virus zu schützen und durch die Krise zu bringen. Das ist nicht nur die Leistung von Virologen und Politikern, sondern gleichermaßen von Krankenschwestern, der Leute in den Lieferdiensten und in den Supermärkten.

Wie werden die westlichen Gesellschaften nach Corona aussehen?

Da sind die ersten positiven Veränderungen ja schon erkennbar: Jobs, auf die bisher herabgesehen wurde, können plötzlich wieder Ansehen bekommen. Wir beginnen, eine Arbeit wertzuschätzen, eine Leistung, die nicht auf kognitiven Fähigkeiten oder auf universitärer Ausbildung beruht, sondern vor allem auf Erfahrung basiert. Das ist gut so. Anywheres und Somewheres machen – im Guten wie im Schlechten – die Erfahrung, dass dies nicht der Augenblick der UNO oder der EU ist. Es ist der Moment der nationalen Regierungen, denen wir im Moment vertrauen, weil es in einer Krise die erste Aufgabe einer nationalen Regierung ist, ihre Bürger zu schützen.

Der Vertrauenszuwachs ist groß. Auf der anderen Seite ist ein Nachdenken unumgänglich, wie wir jenen Ländern helfen können, die härter getroffen wurden als wir. Das Nachdenken darüber, welche Verpflichtungen ein deutscher Steuerzahler gegenüber einem italienischen Bürger hat, hat in Deutschland bereits eingesetzt. Hier müssen Kompromisse über das gesamte Spektrum gefunden werden – also Anywheres gemeinsam mit Somewheres eine Entscheidung treffen, Europäer mit Europäern, wie Hilfe auszusehen hat.

Sie analysieren die gesellschaftlichen Entwicklungen der letzten Jahrzehnte und weisen in Ihrem Buch in die Zukunft. Was hat uns das konkret zu sagen?

Wir sind nicht nur Individuen. Wir sind auch Gemeinschaft. Wie bringen wir weitestgehend liberale Ideale und gemeinhin akzeptierte Grundregeln so unter einen Hut, dass wir in Frieden trotz unterschiedlicher Werte leben können? Das ist die eigentliche Herausforderung.

Kritiker gestanden Ihrem Buch zu, dass es die beste Erklärung für das sei, was sich gerade in vielen Ländern vollzieht. War dieses das Rezept zum Bestseller?

In England kam es zur richtigen Zeit, unmittelbar nach dem Brexit-Votum. Viel wichtiger war, dass sich mein Text den gängigen Urteilen wie „Der Kapitalismus ist an allem schuld“ einfach entzog. Man kann mit meinem Buch niemand anderen tadeln. Oder jemandem die Schuld geben für die politischen Zustände. Ich betrachte mich nach wie vor stark auf der Seite der Linken, aber es fand vor allem viel Zuspruch bei den Konservativen. 

Thomas Käsbohrer/millemari; tws

David Goodhart
„The Road to Some­where“
Millemari Verlag, München 2020, Taschenbuch, 348 Seiten, 
24,95 Euro, gebundene Ausgabe 39,95 Euro


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Kommentare

sitra achra am 24.07.20, 11:52 Uhr

Die "moderne Gesellschaft" spaltet sich. Soso! Es handelt sich dabei wohl lediglich um ein psychisches Problem der weißen europäischen Einwohnerschaft.
Nie gehört, dass sich die pigmentierten Invasoren irgendwie spalten. Die sind sich darüber einig, dass der Globalismus nur ihren Zwecken zur Inherrschaftnahme der weißen Staatsgebiete und der Unterjochung und Ausrottung des weißen Ungeziefers dienlich ist.
Von Modernität keine Spur. Allah ist groß.

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